Afrika, Europa und die globale Ernährungskrise: Welcher Weg zu Nahrungsmittelsicherheit?

Der kenianische Agrarökonom Timothy Njagi über Europa, den „Green Deal“ und Hunger in Afrika. Njagi fordert mehr Wissenstransfer für Ernährungssicherung.

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
8 Minuten
Eine Frau in traditioneller Turkana-Kleidung steht in einer weiten Landschaft vor vielen Ziegenfellen. Eins ist zum Trockenen aufgespannt.

Im Norden Kenias sowie in vielen Regionen Somalias und Äthiopiens herrscht die schlimmste Trockenheit seit 40 Jahren. Laut den Vereinten Nationen haben am Horn von Afrika etwa 17 Millionen Menschen nicht genug zu essen. Die Zahl könnte bis September auf 20 Millionen steigen. Die schwere Dürre hat nach UN-Angaben bereits ein Drittel der Viehherden das Leben gekostet. Für halbnomadische Viehhalter ist der Tod ihrer Tiere eine Katastrophe, denn sie sind zum Überleben auf die Vierbeiner angewiesen: Sie trinken die Milch, essen das Fleisch oder verkaufen ein Tier, wenn sie Geld brauchen. Wer seine Herde verloren hat, folgt bald selbst. Es sei denn, er oder sie bekommt kurzfristig Hilfe. Die Dürre ist der Hintergrund für die gegenwärtige Ernährungskrise in Ostafrika. Aber sie ist nicht der einzige Grund, sagt der Agrarökonom Timothy Njagi. Er forscht am Tegemeo Institute of Agricultural Policy and Development in der kenianischen Hauptstadt Nairobi. Im Interview spricht er auch über die Rolle der EU und darüber, was sie künftig tun könnte, um die Ernährungssicherheit in Afrika zu verbessern – nicht nur in der gegenwärtigen Krise, sondern langfristig.

Njagi ist ab der Brust zu sehen, er trägt ein rot-blau kariertes Hemd.
Der kenianische Agrarökonom Timothy Njagi von der Egerton University in Nairobi.

Herr Dr. Njagi, was sind die Gründe für die gegenwärtige Ernährungskrise in Ostafrika?

Selbst in den besten Jahren produziert die Region nicht genug Nahrungsmittel, um die Bevölkerung aus der eigenen Produktion ernähren zu können. Im Moment kommt noch eine schwere Dürre hinzu. Wir sind also immer, aber jetzt besonders auf Importe angewiesen. Konkret auf Verkäufer, die Vorräte haben und in der Lage sind, sie uns zu schicken. Das ist aufgrund des Kriegs in der Ukraine bekanntermaßen schwierig geworden. Vorher waren die Lieferketten schon durch die Corona-Pandemie zum Teil unterbrochen. Weil wir immer Nahrungsmittel importieren müssen, ist Handelspolitik für uns sehr wichtig. Wir sind darauf angewiesen, dass Waren – Lebensmittel – schnell und effizient transportiert werden können. Und genau dort gibt es natürlich auch in „normalen“ Zeiten politische Hindernisse.

Welche Rolle spielt die EU?

Landwirtschaftliche Programme, die von der EU gefördert wurden, haben sich in der Vergangenheit hauptsächlich auf die Technologien konzentrierten, die Europa in Afrika fördern wollte. Diese Programme waren in unterschiedlichem Maße erfolgreich. In manchen Regionen haben sie recht gut funktioniert, anderswo überhaupt nicht.