Covid-19 in Raumfahrt und Astronomie
Die Corona-Pandemie beeinträchtigt zunehmend die Raumfahrtbranche. Auch Großteleskope sollen mit weniger Personal betrieben werden.
Während die Arbeitswelt durch Covid-19 immer weiter eingeschränkt wird, zeigen sich auch in der Raumfahrt Folgen. Unternehmen und Raumfahrtagenturen setzten stark auf globale Lieferketten, wenn beispielsweise Teile einer einzelnen Rakete in verschiedenen europäischen Ländern gefertigt und zusammengebaut werden. Experten werden durch geschlossene Grenzen und eingestellte Flüge daran gehindert, an geplanten Missionen ins Sonnensystem zu weiterarbeiten oder Experimente in den Laboren durchzuführen.
Dieser Ticker endet mit dem 25. März.
ESO und Rocketlab
Stand: 25.03.2020, 07:15 Uhr
Die Europäische Südsternwarte hat nach ersten Einschränkungen nach dem 9. März nun angekündigt, alle wissenschaftlichen Operationen graduell einzustellen.
Das US-Unternehmen Rocketlab wird die Arbeiten am nächsten geplanten Start pausieren. Die Electron-Rakete sollte vom Startplatz Neuseeland am 30. März mehrere Kleinsatelliten ins All befördern. (Quellen: ESO, Rocketlab)
Gravitationswellensuche mit LIGO & Virgo vorübergehend ausgesetzt
Stand: 24.03.2020, 12:30 Uhr
Die internationale Forschungskooperation LIGO sieht sich gezwungen, aufgrund der aktuellen Covid-19-Situation den dritten Beobachtungslauf seit dem Upgrade der Gravitationswellendetektoren verfrüht abzubrechen. Die LIGO-Kooperation sucht mit zwei Experimenten in den USA und dem Virgo-Experiment im italienischen Cascina bei PISA nach Gravitationswellen von verschmelzenden Neutronensternen und Schwarzen Löchern.
Nun werden sämtliche öffentlichen Veranstaltungen abgesagt, Besuche sind nicht mehr möglich. Der Beobachtungsbetrieb mit den Detektoren wird im Lauf der Woche bis aus Weiteres heruntergefahren, das wissenschaftliche Personal vor Ort wird auf eine Notbesatzung reduziert. Sie soll dafür sorgen, dass die LIGO-Detektoren während des Shutdowns keinen Schaden nehmen. Zudem werden sämtliche Laborarbeiten unterbrochen, die der Verbesserung der Detektoren dienen. Sie sollen jedoch sobald wie möglich wieder aufgenommen werden. (Quelle: LIGO) /fm
US-Raumfahrt zunehmend betroffen
Stand: 24.03.2020, 09:00 Uhr
Die Arbeiten an der neuen Schwerlastrakete Space Launch System (SLS) sind vorerst unterbrochen, nachdem zwei NASA-Zentren in New Orleans und Mississippi vorübergehend geschlossen werden mussten. In einem der Zentren war ein Mitarbeiter an Covid-19 erkrankt, während es in der Umgebung beider Einrichtungen vermehrt Fälle der Krankheit gegeben hatte. Durch die Schließung dürfte sich die für Sommer 2020 geplante Testfeuerung der ersten Kernstufe der SLS verzögern.
Auch die Arbeiten am James Webb Telescope sind vorerst unterbrochen. Der Nachfolger des Hubble-Teleskops befindet sich derzeit beim Hersteller Northrop Grumman in einer Einrichtung in Kalifornien. Es sollte nach bisheriger Planung im März 2021 ins All befördert werden; dieses Datum dürfte sich wegen ohnehin straffer Zeitpläne vermutlich weiter verzögern.
Der Start einer neuen Crew zur ISS kann wie geplant am 9. April stattfinden: Die Raumfahrer Chris Cassidy, Anatoly Ivanishin und Ivan Vagner sollen sechs Monate auf der Station bleiben. Sie hatten sich kürzlich in Quarantäne begeben, was vor Flügen zur Station eine Standardprozedur ist. Anders als bei bisherigen Flügen werden auf dem russischen Startplatz in Baikonur in Kasachstan keine Familien wären des Starts anwesend sein. Auch andere Rituale rund um den Start des Sojus-Raumschiffs wurden abgesagt.
Für Mitte Mai ist noch immer der Start der ersten bemannten Dragon-Kapsel von SpaceX geplant, heißt es in einer Pressemitteilung der NASA vom 18. März. Firmenchef Elon Musk hatte eine Woche zuvor in einer internen E-Mail am 13. März die Risiken durch das Coronavirus heruntergespielt.
Das in Las Vegas ansässige Unternehmen Bigelow Aerospace entließ alle seine verbliebenen 68 Mitarbeiter, nachdem es bereits letzte Woche 20 Mitarbeiter entlassen hatte. Bigelow ist bekannt für entfaltbare Module, von denen eines derzeit an der Internationalen Raumstation (ISS) angedockt ist. Ein größeres Modul soll 2020 zur ISS fliegen. (Quelle: SpaceNews 1 2, SpaceFlightNow, TheVerge, NASA) /ku
OneWeb steht vor Insolvenz
Stand: 20.03.2020, 10:00 Uhr
Der nächste Start war für den 21. März geplant (und fand mittlerweile statt): Das in London ansässige Unternehmen baut derzeit eine Megakonstellation für schnelle Internetverbindungen über Satellit auf. Bislang sind 40 Satelliten im Orbit, binnen weniger Jahre sollten mindestens 548 dazukommen. OneWeb steht damit in direkter Konkurrenz zur im Aufbau befindlichen Satelliten-Konstellation Starlink, die vom US-Unternehmen SpaceX betrieben wird. Derzeit denke OneWeb aber darüber nach, die Kontrolle über das Unternehmen an ein Gericht zu übergeben. Daneben würden derzeit aber auch noch weitere Möglichkeit erwogen. (Quelle: Bloomberg) /ku
AURA stellt Betrieb von einigen Observatorien ein
Stand: 19.03.2020, 10:00 Uhr
Auch der Verbund amerikanischer Universitäten für astronomische Forschung AURA muss den Beobachtungsbetrieb wegen der aktuellen Covid-19-Situation drastisch reduzieren. Das Cerro Tololo Inter-American Observatory, SOAR und das Gemini South Telescope in Chile stellen den Beobachtungsbetrieb bis auf weiteres vollständig ein und werden im Lauf der Woche geschlossen. Eine Notbesatzung wird noch vor Ort bleiben. Das gleiche gilt für das Kitt Peak National Observatory südlich von Tuscon, Arizona. Das Gemini North Telescope auf Hawaii hingegen wird vorerst noch automatisierte Beobachtungen durchführen, die sich über das Internet steuern lassen. /fm
Gaia Data Release 3 verschoben
Stand: 18.03.2020, 17:00 Uhr
Noch dieses Jahr sollte eine weitere große Datenmenge der Gaia-Mission veröffentlicht werden, die exakte Positionen von etwa einer Milliarde Sterne sowie etliche Sternenspektren enthält. An der nächsten Version des Katalogs mit noch genaueren Daten arbeiten derzeit Forscher aus ganz Europa zusammen. Deren Veröffentlichung dürfte sich nun um einen noch nicht absehbaren Zeitraum verschieben.
Der Gaia-Datensatz hat sich seit dem ersten Data Release zu einem der wichtigsten Arbeitsgrundlagen von fast allen astronomischen Disziplinen entwickelt. Forscher können aber weiter mit früheren Datensätzen arbeiten. (Quelle: ESA) /ku
Obligatorisches Homeoffice bei der NASA
Stand: 18.03.2020, 10:00 Uhr
NASA-Administrator Jim Bridenstein hat alle nicht missionskritischen Mitarbeiter zur Arbeit von zu Hause aufgerufen, um die weitere Verbreitung der Seuche zu begrenzen. Bisher seien aber nur vereinzelte Mitarbeiter mit Covid-19 infiziert. (Quelle: NASA) /ku
Kampagne am Event Horizon Telescope pausiert
Stand: 17.03.2020, 18:00 Uhr, aktualisiert: 18.03.2020, 10:30 Uhr
Die vom 26. März bis 6. April geplante Beobachtungskampagne des Event Horizon Telescope (EHT) zu Schwarzen Löchern im Zentrum der Milchstraße und in der Galaxie M87 wird abgesagt. Das EHT ist ein Zusammenschluss von acht weltweit verteilten Radioteleskopen, die zusammengeschaltet hochauflösende Abbildungen zentraler Schwarzer Löcher in Galaxien liefern. Vor fast genau einem Jahr veröffentlichte die EHT-Kollaboration das Abbild des Schwarzen Lochs im Zentrum von M87 (Die Weltraumreporter berichteten), die erste weitgehend direkte Beobachtung der allernächsten Umgebung eines solchen Objekts. Nach bisherigen Plänen sollten Bilder aus unserer Heimatgalaxie im Laufe dieses Jahres veröffentlicht werden (Quelle: Monika Moscibrodzka/EHT Team).
Viele Teleskope laufen derzeit ohnehin im Notbetrieb, wie auch das Alma Large Millimeter/Submillimeter Array in Chile, das am EHT beteiligt ist. Andere Observatorien schließen ganz:
"Man muss sich auch fragen, ob es in diesen Zeiten angemessen ist, besondere Anstrengungen zu machen, um zu beobachten. Der Himmel läuft uns nicht weg und die Mitarbeiter haben genug Sorgen hier auf der Erde und müssen sich um ihre Familien kümmern", so Heino Falcke, Mitglied des Wissenschaftsrats des EHT.
/fm
Europäische Großteleskope im eingeschränkten Betrieb
Stand: 16.03.2020, 18:00 Uhr
Die Europäische Südsternwarte (ESO) betreibt mehrere für die Forschung wichtige Teleskope in Chile, darunter das Very Large Telescope (VLT) und das Atacama Large (Sub)Millimeter Array (ALMA). Nachdem öffentliche Veranstaltungen bereits länger abgesagt sind, ist zunehmend auch der Betrieb der Geräte selbst betroffen.
Die ESO meldet am 16. März, sie arbeite weiter daran, die Zahl von Besuchern und lokalen Mitarbeitern zu verringern. Auch Arbeitsreisen für Forscher und Techniker, die nicht dringend notwendig sind, wurden abgesagt. Die Standorte der Teleskope würden derzeit in einen „eingeschränkten Betriebszustand“ gebracht, damit dort weniger Mitarbeiter für den Betrieb nötig sind.
Chile will seine Grenzen ab dem 18. März 2020 schließen. /ku
Mehrere Raketenstarts von Kourou verschoben
Stand: 16.03.2020, 18:00 Uhr
Eigentlich stehen mehrere Starts vom europäischen Startplatz in Kourou in Französisch-Guayana an. Das Übersee-Departement ist aber dabei, die von Präsident Emmanuel Macron verordneten Einschränkungen des öffentlichen Lebens umzusetzen. In Guayana gibt es bereits Covid-19-Fälle sowie eine erste an der Krankheit verstorbene Patientin.
Aus diesem Grund gab der Betreiber der Startanlagen, ArianeSpace, am 16. März bekannt, dass die meisten derzeit geplanten Missionen ausgesetzt werden. ArianeSpace schreibt, „diese außergewöhnliche Maßnahme soll die Gesundheit der Mitarbeiter und der lokalen Bevölkerung schützen“. Gleichzeitig soll „die nötige Sicherheit zukünftiger Starts beibehalten bleiben“.
Derzeit gibt es drei verschiedene Raketentypen, die regelmäßig von Kourou aus starten. Schon für den 23. März war der Start einer maßgeblich in Italien hergestellten Vega-Rakete mit 44 Kleinsatelliten an Bord geplant. Die in Russland gebaute Sojus-2 sollte im Frühjahr zweimal abheben, als nächstes am 14. April mit dem Satelliten Falcon Eye 2 der Vereinigten Arabischen Emirate. All diese Starts sind nun verschoben (Quelle: ArianeSpace).
Die Vorbereitungen des Starts von 34 Satelliten der OneWeb-Konstellation mit einer Sojus-Rakete vom russischen Startplatz Baikonur ist aktuell noch für den 21. März geplant (Quelle: Jonathan Amos/BBC).
Der nächste Start der Ariane 5 ist für Anfang Juni angesetzt und wurde nicht offiziell verschoben. Gleiches gilt für den Erststart der neuen Ariane 6, der möglicherweise noch 2020 stattfinden soll. Gerade der Zeitplan der neuen Rakete könnte durch die Reiseeinschränkungen innerhalb Europas durcheinander geraten. /ku
NASA sucht richtigen Krisenmodus
Stand: 16.03.2020, 06:30 Uhr
Auch bei der NASA wurden die meisten Besucherzentren geschlossen, inklusive des Kennedy Space Centers in Florida. Mitarbeiter werden ins Homeoffice entlassen sowie Treffen und interne Konferenzen zunehmend auf digitalem Wege abgehalten. Am Marshall Space Flight Center sowie am Ames Research Center wurde ein großer Teil des Personals nach Hause geschickt, nachdem bei jeweils einem Mitarbeiter Covid–19 diagnostiziert worden war (Quelle: Space.com/SpaceNews).
Thomas Zubuchen, Associate Administrator of Science bei der NASA spricht davon, dass derzeit „alle Optionen geprüft“ werden würden. Was genau das heißt, ist noch unklar. Mehrere US-Missionen sollen dieses Jahr starten, darunter die erste bemannte Dragonkapsel zur ISS sowie der Marsrover Perseverance. Dazu laufen derzeit wichtige Tests am neuen bemannten Raumschiff Orion, das man laut Bruce Schneider „nicht zu Hause bauen“ könne. Er ist verantwortlich für Tests und Startoperationen für Orion beim Konzern Lockheed Martin, das das Raumfahrzeug baut. /ku
ExoMars-Rover fliegt erst 2022
Stand: 16.03.2020, 18:00 Uhr
Am 12. März fand eine Pressekonferenz des ESA-Generaldirektors Jan Wörner statt, die bereits mehrere Wochen zuvor angekündigt worden war. Darin sollte es um den ExoMars Rover gehen, der im Juli oder August 2020 mit einer russischen Proton-Rakete hätte starten sollen. Auch an den wissenschaftlichen Instrumenten der komplexen Mission sind Institute aus ESA-Staaten und aus Russland gleichermaßen beteiligt.
Doch beide Organisationen haben sich entschieden, den Start des Rovers um zwei Jahre zu verschieben. Erst zwischen August und Oktober 2022 gibt es ein neues Startfenster zum Roten Planeten.
Covid-19 wirkte sich eher indirekt auf die Entscheidung aus: Ein Problem mit den Verpackungssäcken, in denen die Fallschirme zur Landung in der Marsatmosphäre stecken, hatte umfangreiche Tests notwendig gemacht. Dafür sollten in den USA finale Fallversuche mit den überarbeiteten Fallschirmsäcken stattfinden, die aber wegen anderer Prioritäten auf US-Seite verschoben werden mussten. Dazu kommen kleine elektronische Probleme, die neue Tests der Flugsoftware nötig machen, für die wiederum kaum noch ausreichend Zeit besteht. Zuletzt verhindern die Maßnahmen rund um Covid-19, dass die multinationale Organisation diese Abläufe beschleunigen kann: Die ESA betreibt Einrichtungen in sechs europäischen Ländern. /ku
China startet trotz Covid-19
Raketenstarts in China laufen auch während des Ausbruchs und massiven Reiseeinschränkungen innerhalb des Landes weiter. Mitte April soll die Schwerlastrakete Langer Marsch 5B vom Weltraumbahnhof Wenchang abheben, um ein neues bemanntes Raumschiff zu testen. Am 16. März startete zudem eine Langer Marsch 7A, allerdings mit Problemen, da der transportierte Satellit nicht die vorgesehene geosynchrone Transferbahn erreichte (Quelle: SpaceNews). /ku