Identifikation und Empowerment als neue und alte Strategien der Kunst

Wolfgang Ullrich zeigt in seinem neuen Buch wie die sozialen Medien die Identifikation mit Vorbildern fördern und damit an vormoderne Zeiten anknüpfen

5 Minuten
Schwarzweissfoto: Halbportrait eines Mannes um die fünfzig vor einer hohen Hecke.

Die Wahlen in den USA, aber auch in Deutschland und anderswo, haben gezeigt: Die sozialen Medien haben einen massiven Einfluss auf die Gegenwart. Das gilt auch für die Kultur. Inzwischen entscheidet nicht selten die Zahl der Follower auf Instagram über die Karriere einer Künstlerin, eines Künstlers.

Was Experten sagen, interessiert nicht mehr, ein Werk muss instagrammable sein, um global auf dem Markt zu bestehen. Deshalb ist visuell starke Kunst, die eine klare Botschaft vermittelt, derzeit im Vorteil. Das Buch Identifikation und Empowerment – Kunst für den Ernst des Lebens von Wolfgang Ullrich erklärt, warum das so ist und was dieses Phänomen für die in die Defensive geratene sogenannte autonome Kunst bedeutet. Diese arbeitet in erster Linie mit bildnerischen Mittel und bezieht sich auf die Kunstgeschichte. Ein Auslaufmodell?

Empowerment als Strategie: Drag Queen Sasha Velour

Der Text kommt als fiktives transkribiertes Podcast-Gespräch daher. Das Buchcover signalisiert exaltierte Energie. Zu sehen ist ein lasziver Engel mit geschorenem Schädel und rotem Lippenstift. Es zeigt Sasha Velour 2020 bei ihrem Auftritt in einem Theater im Londoner Westend. Die amerikanische Künstlerin ist Drag Queen, Influencerin und Comiczeichnerin in einer Person. Ihre Maskierungen und Selbstinszenierungen stehen für die „Überwindung essentialistischer Körperbegriffe“. Sie versteht sich, so Ullrich, als „community leader“ der queeren Szene und darüber hinaus. Sie wolle niemand bekehren, sondern allen Mut machen, kreativ die eigenen Vorlieben auszuleben.

Ausgewogene Haltungen, die unterschiedliche Gesichtspunkte gleichermaßen einbeziehen, gelten schnell als zu kompliziert und zu abstrakt, 'klicken nicht’ und sind auch ökonomisch kaum verwertbar.

Wolfgang Ullrich

Sie haben Feedback? Schreiben Sie uns an info@riffreporter.de!