Spannungen im Mittelmeer: Experte erklärt, worauf es für Griechenland nun ankommt

Die Unstimmigkeiten zwischen Griechenland und Libyen nehmen zu. Zudem wächst in Athen die Sorge um neue Fluchtrouten über Kreta, während die Türkei im Osten Libyens politisch vorrückt. Der Politikwissenschaftler Ioannis N. Grigoriadis analysiert im Interview, warum die Beziehungen zwischen Griechenland und Libyen bröckeln, welche Rolle die Türkei dabei spielt und auch die Entwicklungen der bislang guten griechisch-ägyptischen Beziehungen beeinflussen wird. Außerdem erklärt er, warum auf Europa in Zukunft ein großes Migrationsproblem zukommen wird.

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Eine lange Schlange von Menschen läuft barfuß oder in einfacher Kleidung hintereinander auf einem Pier am Meer. Sie werden von Polizisten begleitet. Im Hintergrund liegt ein Schiff, auf dem sich weitere Menschen befinden. Die Szene wirkt angespannt und zeigt Migranten, die in Griechenland angekommen sind.

Herr Grigoriadis, im Juni 2025 genehmigte Griechenland eine Ausschreibung zur Erforschung von Erdgas und Öl südlich von Kreta, was zu Protesten im Nachbarland Libyen führte. Libyen – d.h. die im Westen sitzende international anerkannte Regierung – wiederum unterzeichnete ein Abkommen mit der Türkei über seismische Untersuchungen im Mittelmeer. Dies verschlechterte die zuvor guten Beziehungen zwischen Griechenland und der Regierung im Osten Libyens. Was macht die Situation mit Libyen aktuell so schwierig? Und was sind die Gründe für den Bruch in den bilateralen Beziehungen zwischen Athen und der ostlibyschen Regierung?

Die Spannungen hängen vor allem damit zusammen, dass es kein Abkommen über die Abgrenzung der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) zwischen Griechenland und Libyen gibt und, dass das Parlament im Osten Libyens angeblich plant, das Seegrenzabkommen zwischen der Türkei und der Regierung in Tripolis zu ratifizieren. Frühere Verhandlungen der griechischen Regierung mit dem Gaddafi-Regime darüber waren erfolglos geblieben. Griechenland unterstützt die Anwendung des Prinzips der Mittellinie, zu der auch Kreta und Gavdos gehören.

In Libyen gab es bis vor kurzem eine ethnische Spaltung: Auf der östlichen Seite steht die Regierung von Tobruk – die Kreta näher steht – und auf der westlichen Seite die Regierung von Tripolis, die mit der türkischen Position übereinstimmt. Bis vor kurzem unterhielt die östliche Regierung feindliche Beziehungen zur Türkei. In letzter Zeit hat es jedoch eine Annäherung zwischen den beiden Seiten in Libyen bzw. mit Ankara gegeben. Die Türkei scheint ihren Einfluss gestärkt zu haben, was sich auch auf die griechisch-libyschen Beziehungen auswirkt, insbesondere in Bezug auf Fragen der Meereszonen.

Das unterzeichnete Abkommen zwischen der Türkei und der Regierung in Tripolis lässt die griechischen Inseln völlig außer Acht. Dieses türkisch-lybische Abkommen wurde geschlossen, als ob es keine Inseln zwischen den beiden Ländern gäbe. Es steht nicht im Einklang mit dem Völkerrecht und entfaltet keine rechtlichen Wirkungen, was jedoch die Möglichkeit einer diplomatischen Krise im Falle eines einseitigen Vorgehens der Türkei nicht ausschließt.

Griechenland stützt sich bei seinen Erkundungen auf die Mittellinie innerhalb der Gebiete, die es nach internationalem Recht als zugehörig betrachtet. Die Regierung in Tripolis – mit Unterstützung der Türkei – betrachtet sie jedoch als Provokation.

Ein Portraitbild eines Mannes, der in leicht seitlicher Haltung zu sehen ist. Er grinst und trägt ein schwarzes Sakko. Darunter ist ein weißes Hemd und eine rote Krawatte zu sehen.
Prof. Dr. Ioannis N. Grigoriadis.
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