Klima-Kolumne: Klimaschutz zurück auf die Agenda – so geht’s!

Klimaschutz spielt in der Bundestagswahl kaum eine Rolle – dabei ist er dringender denn je. Warum Resignation gefährlich ist, welche Fortschritte hoffen lassen und wie jeder aktiv werden kann. Eine Kolumne.

vom Recherche-Kollektiv Klima & Wandel:
4 Minuten
Eine Hand hält ein Pappschild mit der Aufschrift „Klimaziele einhalten“.

Die Klima- und Umwelt-Kolumne erscheint alle zwei Wochen - kritisch, nahbar, lösungsorientiert!

Wenn man den aktuellen Wahlkampf verfolgt, könnte man meinen, die Klimakrise sei bewältigt. Auf Wahlplakaten spielt Klima fast keine Rolle. Kaum ein Interview mit Politiker:innen dreht sich um die Frage: „Wie wollen Sie die Klimaziele erreichen? “

Dabei sind die Fakten eindeutig: 2024 war das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Hitzerekorde, Überschwemmungen und Extremwetterereignisse nehmen zu. Laut der Initiative World Weather Attributionhaben die verheerenden Brände in Kalifornien Anfang des Jahres einen direkten Zusammenhang mit der Erderwärmung. Eine neue Studie warnt: Der Meeresspiegel könnte um bis zu 90 Zentimeter stärker steigen als erwartet.

Warum Resignation gefährlich ist

Dass Klimaschutz in den politischen Debatten kaum vorkommt, liegt nicht daran, dass das Problem gelöst wäre – schön wär’s. Die fossile Industrie und viele Politikerinnen und Politiker haben ihre Strategie schlichtweg angepasst. Anstatt den menschengemachten Klimawandel offen zu leugnen – was derzeit nur noch die AfD macht – hört man jetzt öfter Sätze wie: „Klimaschutz schadet dem Wirtschaftswachstum.“, „Ja, Klimawandel gibt es, aber wir müssen uns jetzt in erster Linie anpassen.“ Oder: „Verbote brauchen wir nicht, Technologien werden das schon richten. “ Das sind alles klassische Verzögerungstaktiken.

Die Botschaft dahinter: Klimaschutz ist teuer, wir haben gerade andere, wichtigere Probleme, die wir angehen müssen. Und: Irgendwann wird eine neue Technologie das Problem lösen. Vielleicht CO2-Abscheidung. Vielleicht Kernfusion. Vielleicht eine andere Wunderlösung, die noch nicht existiert. Manche Parteien liebäugeln sogar wieder mit der Atomkraft. Das Problem: Während wir hoffnungsvoll auf Zukunftstechnologien warten, verbrennen wir weiter Öl, Gas und Kohle – und treiben die Erderwärmung ungebremst voran.

Erfolge im Klimaschutz

Dabei liegen die Technologien und Klimaschutzmaßnahmen längst auf dem Tisch, wir müssen sie nur umsetzen. Außerdem gerät immer wieder in Vergessenheit: Vieles hat sich in den vergangenen Jahren schneller und erfolgreicher verändert als erwartet. Um nur einige Beispiele zu nennen: Die erneuerbaren Energien boomen weltweit. Ein aktueller Bericht zeigt beispielsweise, dass der Anteil fossiler Energien im europäischen Strommix von 39 Prozent im Jahr 2019 auf 29 Prozent im Jahr 2024 gesunken ist. Gleichzeitig ist der Anteil erneuerbarer Energien auf 47 Prozent gestiegen. In Deutschland stammt mehr als 6o Prozent des Stroms bereits aus Wind- und Solarkraft. Der ist besonders günstig, aber fossile Energien halten infolge des Merit-Order-Prinzips unsere Strompreise weiterhin hoch.

Auch Wärmepumpen, Elektroautos und klimafreundliche Baumaterialien werden immer günstiger. Unternehmen setzen verstärkt auf Nachhaltigkeit, Städte entwickeln klimaneutrale Konzepte und stellen Klimamanager:innen ein, immer mehr Menschen investieren in Solaranlagen, viele engagieren sich für den Klima- und Umweltschutz.

Untätigkeit kostet Milliarden

Die Transformation hin zu einer nachhaltigen Welt hat also längst begonnen. Jetzt zurückzugehen und beispielsweise Windräder abzubauen, wie es etwa AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel und CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz fordern, wäre daher ein großer Fehler. Wir müssen weiter an unseren Klimazielen festhalten und dafür unter anderem die erneuerbaren Energien ausbauen, naturnahe Klimaschutzmaßnahmen umsetzen und die Verkehrs- und Wärmewende entschieden voranbringen und mehr. All das schafft zukunftssichere Arbeitsplätze.

Und auch, wenn es derzeit oft anders öffentlich kommuniziert wird: Ja, Klimaschutz kostet – aber kein Klimaschutz kostet uns noch mehr. Der menschengemachte Klimawandel könnte in Deutschland bis 2050 Kosten von bis zu 900 Milliarden Euro verursachen. Investitionen in erneuerbare Energien und andere Klimaschutzmaßnahmen sind also nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll.

Wie bringen wir das Thema also wieder auf die Agenda?

In erster Linie sind natürlich Politik und Medien gefragt, das Thema Klima wieder in den Mittelpunkt der Debatten zu holen. Ein positives Beispiel ist das Netzwerk Klimajournalismus, das in einem offenen Brief mehr Einsatz der Medien fordert, damit das Klima im Wahlkampf mehr auf die Agenda gesetzt wird. Ich habe selbst den Brief unterschrieben. Aber auch jede:r Einzelne kann einen Beitrag leisten. Alle können das Thema Klimaschutz mehr in den Mittelpunkt rücken:

Sich informieren und aufklären: Ob im Freundeskreis, auf der Arbeit oder in der Familie: Es ist wichtig, Desinformation zu widerlegen und den weit verbreiteten Sätzen und Verzögerungsstrategien wie „Klimaschutz schadet der Wirtschaft“ oder „Technologien werden uns retten“ entgegenzutreten. Wie man genau auf die weit verbreiteten Klima-Mythen antworten kann, zeigt unter anderem die Seite Skeptical Science.

Politischen Druck ausüben: Wer Fragen stellt, Abgeordnete anschreibt oder sich engagiert, setzt ein Zeichen. Und ja, auch Demonstrationen sind nach wie vor entscheidend und zeigen Wirkung.

Mit Konsum die Wirtschaft beeinflussen: Wer Ökostrom nutzt, nachhaltige Produkte kauft oder als Arbeitnehmer:in für klimafreundliche Lösungen kämpft, verändert Märkte.

Hand- statt Fußabdruck: Je mehr wir in unserer Umgebung bewegen, desto größer ist unser sogenannter ökologischer Handabdruck. Wir können diesen zum Beispiel verbessern, indem wir eine Tauschbörse in unserem Wohnviertel gründen, eine Biotonne für die Hausgemeinschaft aufstellen, Fahrgemeinschaften bilden oder indem wir uns dafür einsetzen, dass die Firmenkantine mehr saisonale Gerichte anbietet. Mit all diesen Handlungen beeinflussen wir automatisch auch andere Menschen und können sogar festgefahrene Strukturen verändern – und gemeinsam erreicht man immer mehr als allein.

Nicht zuletzt - Wählen gehen: Wahlprogramme zeigen, wer den Klimaschutz ernst nimmt – und wer nicht. Ich kann hier den Wahl.Chat empfehlen, ein KI-Assistent, mit dem man mit den Wahlprogrammen der Parteien chatten und sie zu Themen wie Tempolimit oder Umweltschutz ausfragen kann. Und dann gibt es noch den Real-O-Mat, der die eigenen Positionen nicht mit Wahlversprechen, sondern mit tatsächlichen Abstimmungen im Bundestag vergleicht.

Was ich mir auch immer wieder vor Augen führen muss, wenn ich mich einmal mehr angesichts der Klimakrise und der zunehmenden Verbreitung von Desinformation ohnmächtig fühle: Es gibt keinen wissenschaftlichen Punkt, an dem es „zu spät“ ist. Jede heute umgesetzte Maßnahme verringert künftige Schäden. Jede kleine Handlung – sei es eine Unterschrift unter eine Petition, ein aufklärendes Gespräch über Atomkraft oder einfach nur das Informieren über Wahlprogramme – hilft dabei, den Klimaschutz wieder zum Thema zu machen.

Neugierig auf mehr? Entdecken Sie die weiteren Ausgaben der konstruktiven Klima- und Umwelt-Kolumne!

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