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Der Vjosa Wildfluss Nationalpark: Europas erster frei fließender Fluss unter Schutz
Wie gut ist der Vjosa Wildfluss Nationalpark in Albanien geschützt?
Die Wasserkraftwerke wurden verhindert, doch es gibt neue Bedrohungen

Der Fluss Vjosa in Albanien wurde im März 2023 zum Wildfluss Nationalpark erklärt. Naturschutzorganisationen, Forscherïnnen und Anwältïnnen konnten mit ihrem langjährigen Einsatz Wasserkraftwerke verhindern und schlussendlich die Politik überzeugen, den Fluss zu schützen. Die Freude war groß, doch es gibt noch immer Probleme und Bedrohungen. Eine Serie über den ersten Wildfluss Nationalpark Europas.
Am 15. März 2023 steht der albanische Premierminister Edi Rama in türkisfarbenem Sweater und schwarzem Wintermantel auf dem Lord Byron Platz von Tepelena. Von diesem Platz aus sieht man hinunter auf den türkisfarbenen Fluss Vjosa, der mit seinen zahlreichen Schotterbänken, Inseln und Verzweigungen fast das ganze Tal ausfüllt. Der große bärtige Premierminister – einst spielte er im Basketball-Nationalteam – strahlt. Gleich wird er die Vjosa in ihrem gesamten Lauf in Albanien sowie vier ihrer Zuflüsse – Bënçë, Shushica, Drinos und Kadhiq – in einer Länge von insgesamt 400 Kilometern und mit einer Fläche von mehr als 12.700 Hektar zum ersten Wildfluss-Nationalpark Europas erklären.
Für diesen Moment haben Naturschutzorganisationen aus Albanien, Griechenland, Österreich und Deutschland sowie die am Fluss lebende Bevölkerung zusammen mit Wissenschafterïnnen, Anwältïnnen und Musikerïnnen mehr als zehn Jahre lang gekämpft. An der Vjosa und ihren Zuflüssen waren rund 60 Wasserkraftwerke geplant; wären sie gebaut worden, hätten sie den durch ganz Albanien frei fließenden Fluss stark beeinträchtigt und die natürlichen Prozesse zerstört.

Edi Rama steht an einem Rednerpult aus Acrylglas vor der beeindruckenden Landschaft der Vjosa, die sich etwa 60 Meter tiefer vor der Kleinstadt Tepelena erstreckt. Zweieinhalb Kilometer flussaufwärts mündet der Drinos, hier ist das Schotterbett fast einen Kilometer breit. Flussabwärts von Tepelena mündet die Bënçë in die Vjosa und bildet ein rund 220 Quadratmeter großes Schotterfeld. Solche Dimensionen einer Flusslandschaft waren für die Albanerïnnen, vor allem für jene, die das Land noch nie verlassen hatten, früher normal. Die Vjosa war in ihren Augen ein ganz gewöhnlicher Fluss. Für die Menschen in den kleinen einfachen Dörfern entlang der Vjosa war sie immer schon bedeutend – sie nutzen ihn zum Bewässern und zum Baden und besingen ihn in ihren Liedern. Alles andere als gewöhnlich, sondern geradezu überwältigend wirkt die Vjosa auf Menschen von außerhalb Albaniens. So etwas gibt es sonst in Europa so gut wie gar nicht mehr. Die meisten Flüsse in Europa wurden schon vor 100,150 und mehr Jahren begradigt, von ihren Nebenarmen und Auen abgeschnitten, mit Steinschlichtungen und Betonmauern an den Ufern „reguliert“ und das Flussnetz zur Stromgewinnung oder Wasserableitung mit Staudämmen und Stauseen unterbrochen.

Die Vjosa gilt als einer der letzten Wildflüsse in Europa, denn sie ist abgesehen von einem 35 Jahre alten Staudamm zur Stromgewinnung am Oberlauf in Epirus in Griechenland (dort heißt der Fluss Aoos) frei fließend und nicht verbaut. Seit aus Österreich und Deutschland Vertreterïnnen von Naturschutzorganisationen und Forscherïnnen nach Albanien kommen und gemeinsam mit ihren albanischen Kollegïnnen die Vjosa erforschen und für ihren Schutz eintreten, hat sich die Einstellung vieler Menschen in Albanien verändert: Die Vjosa ist etwas ganz Besonderes, wissen sie heute. Sogar der US-amerikanische Schauspieler Leonardo di Caprio kennt den Fluss und hat im März 2021 die Forderung, ihn zum Nationalpark zu erklären, auf Instagram verbreitet.
Sie alle, die an der Gründung des Vjosa Wildfluss Nationalparks ihren Anteil haben, erwähnt der albanische Premier Edi Rama nicht, als er am 15. März 2023 vor den Festgästen steht. In seiner 18 Minuten langen Rede sagt er, er sei zweifellos jedem Einzelnen dankbar, der dazu beigetragen habe, dass der Vjosa Nationalpark zwei Tage vorher mit Beschluss des albanischen Ministerrats gegründet wurde. Das sei eine sehr herausfordernde Entscheidung gewesen. Besonders danke er der Ministerin für Tourismus und Umwelt, Mirela Kumbaro, und Adelina Greca, der Direktorin der nationalen Planungsbehörde, die viel Ausdauer und Geduld bewiesen hätten, die vielen Akteure in diesem Prozess zusammenzubringen. Aleko Miho, Professor für Botanik an der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Tirana und maßgeblich daran beteiligt, dass die Vjosa seit zwei Jahren als Nationalpark unter Schutz steht, ärgert sich noch heute darüber, dass der Premierminister den Beitrag der Forscherïnnen mit keinem Wort erwähnte.

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Wohl alle, die für die Ernennung der Vjosa in Albanien zum Wildfluss Nationalpark gekämpft haben, wünschen Albanien und seiner Bevölkerung, dass dies positive wirtschaftliche Auswirkungen für das Land hat. Albanien hat nach 40 Jahren Diktatur unter dem kommunistischen Staatschef Enver Hoxha (er herrschte von 1946 bis zu seinem Tod 1985) und einem anfangs schleppenden Transformationsprozess immer noch viel nachzuholen, vor allem bei der Infrastruktur im ländlichen Raum. Seit 1998 gibt es eine neue Verfassung, seit Sommer 2018 ist Albanien offiziell Beitrittskandidat für die Europäische Union. Seit den 2000er Jahren hat sich die wirtschaftliche und soziale Lage wesentlich verbessert, insbesondere durch Wachstum im Tourismus- und Bausektor. Albanien zählt jedoch weiterhin zu den ärmeren Ländern Europas. Der Vjosa Wildfluss Nationalpark soll das nun ändern. Edi Rama setzt dabei in erster Linie auf den Tourismus. Der ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen, vor allem am Meer. Ein Nationalpark bringe 20 Prozent mehr Touristen und damit mehr Jobs. Zudem könne die Vjosa auch helfen, Albaner und Albanerinnen zurückzuholen, die das Land aus wirtschaftlichen Gründen verlassen haben, sagt er.
Edi Ramas Hoffnung scheint aber nicht unbedingt in Richtung Ökotourismus zu gehen. Als seine Rede schon zu Ende zu sein scheint, sagt der Premierminister nun mit weniger Strahlen im Gesicht: „Mir wurde gesagt, dass es hier jemanden gibt, der uns weiterhin mit den Vögeln beim Flughafen Vlora nervt. Ich möchte diese Person freundlich bitten, dies nicht mehr zu tun. Wir werden die Fläche der Schutzgebiete in Albanien vergrößern, wir werden bis 2030 30 Prozent des Landes unter Schutz stellen. Der Flughafen Vlora wird aber gebaut werden, trotz allem.“

Zydjon Vorpsi von der Naturschutzorganisation PPNEA – Protection and Preservation of Natural Environment in Albania, geht davon aus, dass er damit gemeint war. Seit Jahren studiert und dokumentiert er die Vögel im Delta und tritt gegen das Flughafen-Projekt auf, weil es dieses wertvolle Ökosystem bedrohe. Nach der Festveranstaltung in Tepelena schreibt PPNEA auf Facebook: „Die Errungenschaft des Nationalparks kann nicht in ein nationales Schnäppchen verwandelt werden. Die Mitglieder des PPNEA waren bei der Zeremonie zur Erklärung des Vjosa-Flusses zum Nationalpark anwesend, um dieses Ereignis von nationaler Bedeutung zu feiern und alle Organisationen zu unterstützen, die sich für dieses Ergebnis eingesetzt haben. Der erste Wildfluss, der zum Nationalpark erklärt wurde, ist ein guter Präzedenzfall für den Schutz der Natur über die Grenzen Albaniens hinaus. Leider wird die Vjosa nicht vollständig geschützt sein. Bei der Ausweisung des Vjosa-Nationalparks wurde das vielleicht wichtigste Gebiet dieses Flusses, sein Delta, ausgeklammert, nämlich das Schutzgebiet Vjosa-Nartë, wo dieselbe Regierung den Bau eines internationalen Flughafens nur wenige Meter von der Lagune entfernt unterstützt.“

Der Flughafen Vlora wird mitten im Delta der Vjosa gebaut, das nicht Teil des Nationalparks ist, obwohl das von den Naturschutzorganisationen und Wissenschaftlerïnnen gefordert worden war. Die Fläche für den Flughafen wurde sogar aus dem bestehenden Landschaftsschutzgebiet herausgenommen. Albanien wurde dafür mehrfach von der Europäischen Union ermahnt, Naturschutzstandards einzuhalten. Der Ständige Ausschuss der Berner Konvention, eines völkerrechtlichen Vertrags des Europarates zum Schutz europäischer, wildlebender Tiere und Pflanzen, hat die Regierung in Tirana im Dezember 2024 erneut aufgefordert, den Bau des internationalen Vlora-Flughafens im Schutzgebiet Pishe Poro-Nartë zu stoppen, da dieser gegen internationale Abkommen verstoße. Albanien hat stattdessen angekündigt, dass der Flughafen schon im Sommer 2025 seinen Betrieb aufnehmen werde.
Hinweis:
Die Recherche zum Vjosa Wildfluss Nationalpark wurde durch das Stefan M. Gergely-Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2024 unterstützt.
Die Presse-Reise an der Vjosa in Albanien und zur Deklaration des Nationalparks im März 2023 erfolgte auf Einladung von IUCN, dem albanischen Ministerium für Tourismus und Umwelt und Patagonia.