Sollen wir von der Erde fliehen oder tiefer in die Erde hinein?

Während der Physiker Michio Kaku unser Heil im All sieht, suchen zwei brasilianische Intellektuelle die Zukunft in innig-irdischen Beziehungen

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Eine Rakete fliegt über der Wolkendecke weiter Richtung Himmel.

Das Ende der Welt ist nah – für die einen klingt das nach einer Bedrohung, für die anderen nach Erlösung. Das Christentum etwa lebt seit 2000 Jahren dem Jüngsten Gericht entgegen. Evangelikale in den USA gehen davon aus, dass es bald soweit sein wird. Vom evangelikalen US-Außenminister Mike Pompeo berichtete die „New York Times“ jüngst, seine Nahost-Politik sei vom Glauben an ein nahendes Weltende geleitet. Doch wie genau sich so ein Weltende vollziehen würde, darüber gehen die Vorstellungen auseinander, zumal Experten gar nicht mehr sicher sind, ob die Johannes-Offenbarung wirklich die Apokalypse beschreibt oder nicht eher eine gigantische Metapher darstellt, nämlich eine Warnung für abtrünnige frühchristliche Gemeinden.

Deutlich konkreter – weil naturwissenschaftlich berechenbar oder zumindest modellierbar – sind dagegen die Vorstellungen von einem vom Menschen herbeigeführten Weltuntergang. Hier gibt es keine Todessehnsucht, keine Erlösungshoffnung. Die Szenarien der Klima- und Biodiversitätsforscher, die im Monatstakt von der Wirklichkeit bestätigt oder überholt werden, lösen vielmehr die Angst aus, unsere Zivilisation sei existentiell bedroht. „Die gefährdetste Art ist der Mensch", sagt der Artenvielfaltsforscher Josef Settele bei der Vorstellung des UN-Berichts zur Lage der Natur.

Nimmt man die wieder gestiegene Gefahr nuklearer Kriege hinzu sowie das Risiko von bakteriellen oder viralen Pandemien in einer hypervernetzten Welt, so kann einem durchaus bange werden, wenn man den Fortbestand der Menschheit als wünschenswert ansieht.

Terraforming als Gebot der Stunde

Der Physiker Michio Kaku beginnt mit solchen Horrorszenarien sein Buch „Abschied von der Erde“: „An irgendeinem Punkt könnten wir die Tragfähigkeitsgrenzen der Erde überschreiten und uns in einem ökologischen Armageddon wiederfinden, in dem wir um die letzten verbliebenen Vorräte des Planeten konkurrieren.“

Kaku, der als Professor für Theoretische Physik an der New York City Universität arbeitet und sich mit Stringtheorie beschäftigt, bietet als Lösung eine säkulare Variante christlicher Eschatologie. Aus der Reise der Auserwählten in das Reich Gottes beim Jüngsten Gericht wird bei ihm eine technologisch getriebene Himmelfahrt: Die Menschheit müsse die Erde verlassen, das Weltall besiedeln, solle sich ausbreiten und diversifizieren, so wie es Tierarten machten, wenn der Lauf der Evolution sie auf verschiedene Inseln verschlage, argumentiert Kaku.

Eine futuristische Weltraumkolonie schwebt im All. Um sie herum sind viele Sterne.
NASA-Konzeptstudie einer Station zur Kolonisierung des Weltalls aus dem Jahr 1976: Die Flucht von der Erde ist ein lange gehegter Traum vieler Technoutopiker. Es wäre beim momentanen Stand der Dinge aber eher die Flucht von einem Tatort.
Ausschnitt aus dem Gemälde „Der Garten der Lüste“ von Hieronymus Bosch – zu sehen ist eine Darstellung der Hölle.
Ausschnitt aus dem Gemälde „Der Garten der Lüste“ von Hieronymus Bosch – zu sehen ist eine Darstellung der Hölle, eine der leitenden Vorstellungen des christlichen Kulturkreises für das Leben nach der Apokalypse. Zu sehen ist das Gemälde im Prado in Madrid, woher auch die Reprouktion stammt.
Eine große Menge Demonstranten sind in einem Park. Vor ihnen steht ein Mann mit Mikrofon.
Mindestens dreihundert Millionen Menschen weltweit gehören indigenen Gruppen an – und sie treten wie hier in Australien für ihre Rechte ein. Bei dem Protest im Januar 2019 ging es darum, die Eroberung Australiens durch europäische Kolonialisten nicht länger als Nationalfeiertag zu begehen. Deborah Danowski und Eduardo Viveiros de Castro argumentieren in ihrem Buch, dass sich manche indigene Völker aufgrund der Gräuel der Kolonialzeit in einer Art Post-Apokalypse befinden.
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