Gemeinsam für mehr Natur am Inn

Das Projekt INNsieme will den bedeutenden Fluss der Alpen zu einem besseren Lebensraum für Pflanzen, Tiere und Menschen machen.

vom Recherche-Kollektiv Flussreporter:
15 Minuten
türkisfarbener Fluss mit Schotterbänken, Bäume, Berge

Anfang Dezember 2021 wurde bei Braunau der Rückbau der Uferbefestigung an der Mündung der Mattig in den Inn abgeschlossen – zwei Monate früher als geplant. Im Auftrag des Kraftwerksbetreibers Verbund und aufgrund der Planung des Technischen Büro Zauner haben Bauarbeiter auf 590 Metern die Blockwurfsteine entfernt, flache Ufer geformt, kleine Buchten angelegt und mit Totholz und Steinen Strukturen geschaffen. Ab sofort kann der Inn das Ufer an dieser Stelle wieder natürlicher gestalten, einen Lebensraum für Fische und andere Lebewesen formen und die angrenzenden Inn-Auen besser mit Wasser versorgen. Die Mattig und die Aue können bei Hochwasserführung des Inn nun auch wieder als Rückzugsraum für die Flussfauna dienen.

Der Uferrückbau an der Mattig-Mündung dauerte nur etwa sechs Wochen und konnte wesentlich früher abgeschlossen werden als ursprünglich gedacht. „Die Witterung war optimal und die Arbeiten sind rasch vorangegangen“, freut sich René Tezzele, Projektleiter des Verbund.

Fluss im Winter nach Entfernen der Uferbefestigung
An der Mündung der Mattig in den Inn wurde die Uferbfestigung beseitigt und mit Totholz strukturiert. Nun kann der Fluss sein Ufer selbst gestalten.
Der Schutz und die Wiederherstellung der Artenvielfalt am Inn ist eine Jahrhundertaufgabe, die wir gemeinsam verfolgen. Der Uferrückbau an der Mattig ist richtungsweisend. Damit wird dem Inn wieder ein Stück natürlicher Lebensraum zurückgegeben. (Gerhard Egger, Leiter Gewässerschutz bei der Naturschutzorganisation WWF Österreich)
Fluss mit Kraftwerk und Umgehungsgerinne rechts
Neuer Umgehungsarm für Fische und andere Lebewesen am Inn beim Kraftwerk Ering-Frauenstein.

Der Inn ist einer der bedeutendsten Flüsse der Alpen

Der Inn ist einer der längsten und wasserreichsten Flüsse in den Alpen. Seine Quelle liegt auf 2.484 Meter Seehöhe am Longhin-See nördlich des Malojapasses im Schweizer Engadin. Der „En“, wie er ursprünglich hieß, gibt dem Hochtal seinen Namen. Er fließt durch die Schweiz, Österreich und Deutschland und vereint sich nach 517 Kilometern bei Passau mit der Donau. Dort sieht man auch seinen Charakter deutlich: Während die Donau in Passau eher braun aussieht, ist der Inn im Winter türkisgrün und klar und im Sommer milchig graugrün aufgrund des mitgeführten Gletscherschliffs. Das Einzugsgebiet des Inn ist 26.130 Quadratkilometer groß, 823 Gletscher speisen ihn, an der Mündung beträgt seine mittlere Wasserabflussmenge 738 Kubikmeter pro Sekunde. Der Inn ist damit nach dem Rhein, der Donau und der Elbe der viertwasserreichste Fluss Deutschlands und der zweitwasserreichste Österreichs.

Alle diese Charakteristika machen den Inn zu einem wichtigen Lebensraum für Fauna und Flora. Für die Nutzung als Wasserstraße und die Stromerzeugung, für den Schutz vor Hochwässern, zur Gewinnung von Land, für den Bau von Straßen, Schienen und Siedlungen wurde er aber schon vor rund 270 Jahren verändert. Heute gelten weniger als 38 Prozent des Inn als naturnah oder ökologisch intakt.

INNsieme – gemeinsam für mehr Natur am und im Inn

Initiatorïnnen und Mitwirkende des INTERREG-Projektes „INNsieme“ möchten den Fluss wieder in einen guten ökologischen Zustand bringen. Das italienische Wort „insieme“ bedeutet „zusammen“ und steht für die Zusammenarbeit aller drei Inn-Länder Schweiz, Österreich und Deutschland mit Projektpartnern aus den Bereichen Naturschutz, Forschung, Wirtschaft und Verwaltung.

Mit der im Juli 2019 gestarteten länder- und sektorenübergreifenden Artenschutz-Initiative soll erstmals auf die grenzüberschreitenden Anforderungen reagiert werden, damit die Gewässerschutzmaßnahmen nicht durch Ländergrenzen beschränkt werden. Andere grenzüberschreitende Fluss-Revitalisierungen können von den gewonnenen Erkenntnissen profitieren.

Für INNsieme haben sich das Land Tirol, die Universität Innsbruck, die Verbund Innkraftwerke GmbH, die Innwerk AG und die Österreichisch-Bayerischen Kraftwerke AG mit dem WWF Österreich zusammengeschlossen, um gemeinsame Lösungen für einen nachhaltigen Schutz des Inn zu erarbeiten.

Innerhalb der Projektlaufzeit von drei Jahren soll aus dieser Zusammenarbeit ein grenzüberschreitender Aktionsplan für den Habitat- und Artenschutz am Inn hervorgehen, damit der Fluss bis zum Jahr 2030 wieder seine Funktion als Lebensader für Pflanzen, Tiere und Menschen voll entfalten kann. Dafür entwickeln die Projektpartner ein ganzheitliches Leitbild für den Inn. Dieses definiert einen Idealzustand eines lebendigen Ökosystems.

Am 27. Oktober 2021 fand in Neuötting am Inn der zweite „Inn-Dialog“ zum Thema „Der Inn als Lebensraum und Wanderachse“ statt. Vertreterïnnen aus Naturschutz, Wissenschaft und Wirtschaft berichteten über bereits durchgeführte Schutzmaßnahmen, präsentierten Ideen für die Revitalisierung des Inn und tauschten Erfahrungen aus. Organisiert wurde der Dialog von der Naturschutzorganisation WWF Österreich.

historische Karte eines Flusses mit vielen verzweigten Armen
Die historische Karte des Inn bei Unterpettnau aus dem Jahr 1763 zeigt, wie verzweigt der Fluss einst war.
Kraftwerk und mit Steinen verbautes Flussufer
Der Inn ist an vielen Stellen durch Kraftwerke und harte Uferverbauung stark verändert.
Fluss aus der Luft mit Nebenarmen, Sandinseln und Auwald
Durch Sandablagerungen hat der Inn vor Jahrzehnten eine Landschaft geschaffen, die viele Watvögel anzieht. Hier die Hagenauer Bucht bei Braunau am Inn.
Fluss türkisfarben mit sandigem Ufer und Auwald
Die Schotterbänke sind ein wichtiger Lebensraum für den Flussuferläufer, den Flussregenpfeifer, Spinnen und andere Tiere.
Kinder und Jugendliche fahren Rad an Ruine eines Steinhauses vorbei
Beim Projekt „Move INN now“ konnten Kinder und Jugendliche den Fluss und seine Landschaften kennenlernen.
grauhaariger schlanker Mann steht in Alpen-Flusslandschaft
Fadri Guidon, Gemeindepräsident von Bever im Engadin.
Fluss mit Berglandschaft und einer Informationstafel am Ufer
Mobile Tafeln informieren und lenken die Besucherïnnen am renaturierten Inn bei Bever im Engadin, Schweiz.
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