- /
- /
RiffReporter Weihnachtskalender 2024: „Das verlorene Paradies“ von Abdulrazak Gurnah – Geschenktipp
RiffReporter Weihnachtskalender 2024 – Abdulrazak Gurnah erzählt vom kolonialen Beben in Ostafrika
Abdulrazak Gurnah schildert die Geschichte eines jungen Mannes am Vorabend des Ersten Weltkriegs
Liebe Freundinnen und Freunde von RiffReporter!
Mein Geschenktipp handelt vom Leben in Ostafrika, wie es in den Berichten von RiffReporter immer wieder Thema ist. Es geht diesmal jedoch nicht um aktuelle Berichte oder Reportagen, sondern um einen Roman. Der Literaturnobelpreisträger Abdulrazak Gurnah schildert die Auswirkungen des Kolonialismus, ohne die deutschen Besatzer zum Gegenstand seiner Geschichte zu machen. Er scheint vielmehr seinen Leserinnen und Lesern elegant, aber entschieden mitzuteilen: Europa ist nicht der Nabel der Welt.
In seinem Buch Das Verlorene Paradies kommen die Deutschen, die von 1885 bis 1918 das Land des heutigen Tansania, Burundi und Ruanda besetzten, nur am Rande vor. Die Kolonialherrschaft stellt, so legt es der Autor nahe, für die Menschen auf dem afrikanischen Kontinent anfangs nur eine Erschütterung unter vielen dar. Für diese Region war einst der Handel mit Indien bedeutsam. Von dort kamen der Wohlstand, die Werte, das Wissen. Nur wenige Szenen im Buch erinnern an die Präsenz der Deutschen.
Der Roman erzählt die Geschichte des zwölfjährigen Yusuf, der am Vorabend des Ersten Weltkriegs in Ostafrika ins Getriebe von verstörenden Ereignissen gerät. Seine Eltern schicken ihn auf eine Reise mit „Onkel Aziz“, einem wohlhabenden Händler, der sich als Gläubiger des Vaters herausstellt. Der Vater, der ein kleines Hotel betreibt, begleicht seine Schulden, indem er seinen Sohn hergibt. Das schockiert, ist schmerzhaft. Doch bessert sich Yusufs Lage auch – trotz der Arbeit, die er für „den Seyyid“ leisten muss.
Aufarbeitung des Kolonialismus
Die gesellschaftliche Ordnung des islamisch geprägten Teils Afrikas gerät aus den Fugen. Als „Onkel Aziz“ – wie schon so oft – mit Handelsgütern ins Innere des Landes zu den „wilden Stämmen“ aufbricht, die an „Geister und Dämonen glauben“, schlägt das Wetter um, wird der Treck überfallen und am Ende ausgeraubt. Absurderweise sind es am Ende die Deutschen, die den Händler vor dem Ruin retten. Der Leser, die Leserin erlebt diese Höllenfahrt mit den Augen des zum Mann heranwachsenden Yusuf.
Abdulrazak Gurnah wurde 1948 im Sultanat Sansibar geboren und flüchtete 1968 nach Großbritannien. Obwohl er an der University of Kent als Professor nicht nur englische, sondern auch postkoloniale Literatur lehrte, polarisiert er nicht. Das hindert ihn aber nicht daran, bei öffentlichen Auftritten, die Aufarbeitung des Kolonialismus anzumahnen. Gurnah ist ein wunderbarer Erzähler, der für die Abgründe menschlicher Verstrickungen sensibilisiert. Gut und Böse liegen in seinen Geschichten nahe beieinander. Darüber sich ein Urteil zu bilden, überlässt er seinem Publikum.
Abdulrazak Gurnah, Das Verlorene Paradies, Hardcover, 336 Seiten, Penguin Verlag, 25 Euro.
Den kompletten RiffReporter Weihnachtskalender finden Sie hier!