Mobilitätskolumne: Sind ältere Autofahrer wirklich ein Risiko im Straßenverkehr?

Die Zahlen der Unfallstatistik stützen die gängige These. Sie zeigen aber ein unvollständiges Bild, erklärt der Verkehrspsychologe Prof. Wolfgang Fastenmeier und räumt mit der Vorstellung auf, Pflichtuntersuchungen auf Fahrtüchtigkeit könnten die Verkehrssicherheit erhöhen.

vom Recherche-Kollektiv Busy Streets:
4 Minuten
Ein beschädigter PKW steht neben einem Linienbus. Ein 83 Jahre alter Autofahrer verursachte den schweren Verkehrsunfall mit mehreren Verletzten. Solche Fälle führen regelmäßig zur Forderung nach verpflichtenden Fahrtauglichkeitstests für Ältere.

Anfang September krachten eine 81-jährige und eine 74-jährige Autofahrerin in Aschaffenburg auf einer Kreuzung zusammen. Eine der Frauen war offenbar über die rote Ampel gefahren. Ein Wagen musste abgeschleppt werden, die Frauen blieben zum Glück unverletzt. „Es ist schon unheimlich, dass auf einer Kreuzung zwei Damen ihre gemeinsamen 155 Jahre Lebenserfahrung in den Straßenverkehr reinrauschen lassen“, lautete ein Kommentar. Es ist ein gängiger Vorwurf: „Die Alten gefährden den Straßenverkehr!“. Und häufig folgt die Forderung: Sie sollten besser nicht mehr mit dem Auto unterwegs sein oder zumindest in regelmäßigen Abständen die Fahrtüchtigkeit überprüfen lassen müssen.

Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes stützen die These: „Sind ältere Autofahrerinnen und -fahrer in einen Unfall mit Personenschaden verwickelt, so tragen sie häufiger die Hauptschuld daran als jüngere“, schrieb die Behörde Ende 2023. In drei von vier Fällen (76,6 Prozent) seien Fahrerïnnen der Altersgruppe 75 Jahre und älter die Hauptverursachenden gewesen. Das sei mit Abstand der höchste Wert aller Altersgruppen.

Auch wenn man die Anzahl der schweren Unfälle auf die tatsächlich im Verkehr zurückgelegten Kilometer bezieht, schneiden Ältere schlechter ab. Pkw-Fahrerïnnen ab 75 Jahren verursachten 2,5-mal so viele schwere Unfälle mit Toten und Schwerverletzten als man aufgrund der Fahrleistung erwarten würde, stellt der Deutsche Verkehrssicherheitsrat fest.

Verzerrte Zahlen

Die Schlussfolgerung, dass ältere Autofahrerïnnen ein Sicherheitsrisiko darstellen, liegt also nahe. Doch die Annahme stimme in dieser Pauschalität nicht, sagt Prof. Wolfgang Fastenmeier, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie, der seit vielen Jahren zum Mobilitätsverhalten und Unfallrisiko älterer Verkehrsteilnehmenden forscht. Denn verschiedene Effekte verzerrten die Zahlen.

Sie haben Feedback? Schreiben Sie uns an info@riffreporter.de!