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RiffReporter Wahlcheck: Bundestagswahl 2025 – Grünen-Staatssekretär Gesenhues will Turbo für Natur
„Nach dem Turbo für die Erneuerbaren brauchen wir jetzt erst recht den Turbo für die Renaturierung“
Der Grünen-Abgeordnete und Umwelt-Staatssekretär Jan-Niclas Gesenhues über die Bilanz der Ampelkoalition in der Umweltpolitik, den Konflikt zwischen Naturschutz und Energiewende und einen künftigen Koalitionspartner.
Drei Jahre grüne Regierungsbeteiligung: wie lautet Ihre Bilanz als Umwelt- und Naturschutzpolitiker?
Die Bilanz kann sich sehen lassen. Wir haben mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz das größte Förderprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik für Natur- und Klimaschutz auf den Weg gebracht. Wir haben Hilfsprogramme für gefährdete Arten gestartet. Und auf internationaler Ebene haben wir dem europäischen Renaturierungsgesetz und dem Weltnaturabkommen von Montreal als Teil der Bundesregierung zum Erfolg verholfen.
Viele Naturschützer, auch in ihren eigenen Reihen, sind dennoch enttäuscht über die Bilanz. Viele kritisieren einen rücksichtslosen Ausbau der Erneuerbaren Energien zulasten des Naturschutzes. Was erwidern Sie?
Ich sage, dass Klimaschutz und Naturschutz am Ende ziemlich beste Freunde sind. Es bringt nichts, Energiewende und Naturschutz gegeneinander auszuspielen. Naturschutz ist nicht Bremser der Energiewende, sondern Verbündeter. Denn ohne intakte Wälder und Moore kriegen wir auch keinen Klimaschutz hin, wir brauchen sie als CO₂-Speicher. Gleichzeitig beschleunigt die Klimakrise schon heute das Artensterben, lässt Wälder verdorren und Korallenriffe verbleichen. Der Naturschutz braucht also auch den Klimaschutz – und damit den Ausbau der Erneuerbaren. Aber es muss naturverträglich gelingen.
In Ihrem Buch „Offensiver Umweltschutz“ benennen Sie selbst viele Zumutungen der Ampel für den Naturschutz, etwa den rechtlichen Vorrang der Erneuerbaren Energien als 'überragendes öffentliches Interesse’, die Verringerung von Schutzabständen für Vogelarten und die Einschnitte von Beteiligungsrechten des Naturschutzes bei Planungen. Haben Sie übertrieben?
Der Ausbau der Erneuerbaren Energien hat durchaus Belastungen für den Naturschutz mit sich gebracht. Das ist so. Aber er war nötig. Und weil wir unsere Klimaziele bei weitem noch nicht erreicht haben, müssen wir auch künftig weiter Wind, Photovoltaik und Netze ausbauen. Gleichzeitig sehen wir, wie groß die Naturkrise ist. Deshalb bin ich überzeugt: Nach dem Turbo für die Erneuerbaren brauchen wir jetzt erst recht den Turbo für die Renaturierung, um unsere Natur zu schützen und zu heilen.
Die Zeit der Zumutungen für den Naturschutz durch eine Energiewende im Eiltempo ist vorbei?
Wie gesagt, wir brauchen beides - und ich halte es für unklug, sich als Naturschutz an den Erneuerbaren abzuarbeiten. Wir können und wir müssen beim Naturschutz einen ähnlich großen Wurf hinbekommen, wie wir ihn bei den Erneuerbaren Energien geschafft haben. Damit das gelingen kann, brauchen wir deutlich mehr Beschleunigung für Renaturierung und Naturschutz.
Wie soll das gelingen?
Wir fangen nicht bei Null an. In den drei Jahren grüner Regierungsbeteiligung haben wir grundlegende Weichen gestellt. Es gibt ein mit Milliarden ausgestattetes Renaturierungsprogramm, das schon viele Projekte auf den Weg gebracht hat – und es gibt eine europäische Vorgabe, bis 2030 ein Fünftel unserer Fläche an Land und auf dem Meer zu renaturieren. Diesen Weg müssen wir entschlossen weitergehen, mit einer langfristigen Absicherung des Klimaschutzprogramms, mit der Umsetzung unserer Programme zum Meeresschutz und den Artenhilfsprogrammen für besonders vom Ausbau der Erneuerbaren betroffenen Arten. Hier müssen wir sogar noch ambitionierter werden, gerade deshalb, weil natürlich auch der Ausbau der Energieinfrastruktur weitergehen wird. Deshalb ist es wichtig, dass wir mit mindestens dem gleichen Einsatz auch Naturschutz und Renaturierung voranbringen.
Deutschland hinkt vielen Naturschutzzielen hinterher. Das gilt zum Beispiel für die Zahl von Naturgebieten, die unter einem wirksamen Schutz stehen. Wie wollen Sie hier Fortschritte erreichen?
Wir bekennen uns zu der Verpflichtung im europäischen Renaturierungsgesetz, bis 2030 ein Fünftel der Fläche Deutschlands an Land und auf dem Meer zu renaturieren und auf 30 Prozent unserer Fläche Schutzgebiete zu haben, die ihrem Namen auch gerecht werden. Eine naturverträgliche Nutzung der betreffenden Flächen schließt das ja nicht aus. Die Frage, woher die Flächen dafür kommen, ist aber von entscheidender Bedeutung. Deshalb brauchen wir eine rechtliche Regelung, um mehr Naturflächen ausweisen zu können. Ein weiteres Thema ist der Ausgleich von Naturverlust bei Eingriffen für den Bau zum Beispiel von Infrastruktur. Hier haben wir gerade in unserem Wahlprogramm den Vorrang der sogenannten Realkompensation festgeschrieben.
Was ist darunter zu verstehen?
Wer Natur zerstört, muss das durch konkrete Naturschutzprojekte ausgleichen und kann sich nicht pauschal durch Geldzahlungen freikaufen. Diese Regelung ist eines der wenigen wirklich scharfen Schwerter, die wir im Naturschutz haben, und wir werden sie verteidigen. Und drittens haben wir gerade im Wahlprogramm die Forderung verankert, dass wir weitere Gebiete als Nationales Naturerbe ausweisen. Mit all diesen Elementen zusammen können wir dafür sorgen, dass wir genügend Flächen für den Naturschutz bekommen, um die Ziele des Weltnaturabkommens und des Renaturierungsgesetzes zu erreichen.
Woher sollen neue Naturerbeflächen kommen?
Es gibt noch vom Bund verwaltete Flächen, die infrage kommen. Im Naturerbe finden sich auch viele ehemalige Militärflughäfen oder Truppenübungsplätze, die sich zu wertvollen Naturrefugien entwickelt haben. Hier haben wir noch nicht das volle Potenzial ausgeschöpft.
Umwelt- und Naturschutz steht gerade nicht sehr hoch im Kurs unter den Parteien, die künftig regieren wollen. Mit wem wollen Sie ihre Pläne umsetzen?
Jede neue Regierung muss die international eingegangenen Verpflichtungen umsetzen und wir werden in Koalitionsverhandlungen deutlich machen, dass es uns sehr ernst damit ist. Es ist mit keinem Koalitionspartner einfach, Naturschutz voranzubringen – nicht mit den bisherigen und wahrscheinlich auch nicht mit künftigen. Deswegen brauchen wir den vollen Einsatz der gesamten Umweltbewegung und wir brauchen auch neue Verbündete.
Sie waren in NRW an den Verhandlungen für die Koalition aus Grünen und CDU beteiligt …
Ich habe auf kommunaler und auf Landeseben schwarz-grüne Koalitionen mitverhandelt und wir haben an vielen Stellen gute Einigungen gefunden. Ich kann mir vorstellen, dass wir mit der Union auch im Bund viele Dinge voranbringen können. Dafür muss sich die CDU vielleicht mal an ihre Wurzeln erinnern, denn Naturschutz hat auch durchaus viel mit konservativen Werten zu tun. Es geht um die Bewahrung der Schöpfung.
Die CSU schließt eine Koalition mit den aber Grünen kategorisch aus …
Ich orientiere mich nicht an einem Ministerpräsidenten, der nicht Kanzlerkandidat ist und der im Moment alles dafür tut, seinen eigenen Kanzlerkandidaten zu beschädigen. Ich orientiere mich an dem, der am Ende die Verhandlungen führt – und Friedrich Merz hat eine schwarz-grüne Koalition in Erwägung gezogen. Er muss jetzt zügig zu diesem Weg der Vernunft zurückkehren, übrigens auch was die klare Abgrenzung von den Rechtsextremisten angeht. Und Söder wird am Ende wieder umfallen und sich den Gegebenheiten anpassen. Ich erinnere nur daran, dass er schon mal Bäume umarmt und mit Rücktritt gedroht hat, wenn der Atomausstieg nicht kommt.
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