Wissenschaftsorganisationen warnen vor eiskalten Hörsälen und auftauenden Forschungssammlungen
Die hohen Energiepreise gefährden die Funktionsfähigkeit von Forschung und Lehre, heißt es in einer Stellungnahme. Im Extremfall müssten Studierende zurück in Online-Lehre
Die hohen Energiepreise machen der Wissenschaft zu schaffen. Viele Forschungsprojekte haben einen hohen Energiebedarf, Universitäten müssen große Hörsäle heizen, damit Lehrveranstaltungen stattfinden können. Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen warnt nun vor irreparablen Schäden, wenn Forschungsprojekte unterbrochen werden müssen, und ruft die Bundesregierung um Hilfe. Es gehe jetzt darum, die „Aufrechterhaltung wissenschaftlicher Arbeit zu ermöglichen“. Forschungsarbeiten und -ergebnisse in allen Wissenschaftsgebieten und an allen Wissenschaftsinstitutionen seien „von Zerstörung oder Verlust bedroht“.
Neben Wirtschaft und Bevölkerung sei auch die Wissenschaft massiv von steigenden Preisen betroffen, heißt es in einer Stellungnahme: „Ein aus eigenen Mitteln nicht aufzufangender weiterer Preisanstieg bei Strom und Gas und mögliche Engpässe bei der Versorgung mit den wichtigsten Energiequellen betreffen alle Bereiche der wissenschaftlichen Arbeit einschließlich der akademischen Lehre.“
Wissenschaft „in ihrer Funktionsfähigkeit gefährdet“
Einzelne Wissenschaftsbereiche seien dabei in besonderer Weise durch die absehbaren Belastungen bedroht. Gravierend wären die Auswirkungen etwa für Biodatenbanken und -archive und laufende, groß angelegte Versuchsreihen und Studien in der Medizin und den natur- sowie ingenieurwissenschaftlichen Fächern sowie für komplexe Forschungsinfrastrukturen.
Beispiele dafür sind etwa Institute der Energieforschung und Laserphysik, für die große Anlagen oder energieintensive Prozesse nötig sind. Viele wissenschaftliche Sammlungen müssen zudem auf niedrigen Temperaturen gehalten werden, damit sie nicht zerfallen. So müssen zum Beispiel Eisbohrkerne, die für die Klimaforschung zusammengetragen wurden, immer gekühlt werden.
In der Allianz der Wissenschaftsorganisationen sind die wichtigsten deutschen Wissenschaftsorganisationen zusammengeschlossen. Dazu zählen zum Beispiel die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), die Fraunhofer-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft und die Hochschulrektorenkonferenz, in der Deutschlands Hochschulleitungen zusammengeschlossen sind. Gemeinsame Wortmeldungen der Organisationen, die ansonsten nicht immer gemeinsame Interessen haben und auch gegenseitig im Wettbewerb um knappe staatliche Mittel stehen, sind eher selten. Meistens bringen sie eine große Sorge zum Ausdruck.
Universitäten heizen bereits weniger
Diese Wissenschaftsorganisationen warnen nun gemeinsam, dass die technische Infrastruktur an den Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen „in ihrer Funktionsfähigkeit gefährdet“ sei. An den Hochschulen könnten hohe Energiekosten dazu führen, dass beim Personal gespart und der Lehrbetrieb eingeschränkt werden müsse. Die Organisationen malen das Szenario aus, dass wegen ausgekühlter Hörsäle die drei Millionen Studierenden wieder Online-Unterricht von zuhause aus bekommen, wie in früheren Phasen der Corona-Pandemie. Das könne sich auf den Lernerfolg und die psycho-sozialen Situation der Studierenden negativ auswirken.
Hochschulen und Forschungsorganisationen würden sich bereits um erhebliche Energieeinsparungen bemühen, es würden auch bereits Prioritäten gesetzt, welche Bereiche unbedingt mit Strom und Wärme versorgt werden müssen und welche nicht.
Eher allgemeiner Appell, nicht vergessen zu werden
So hatte die Rektorin der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Anja Steinbeck, küngst mitgeteilt, dass sich bereits das Warmwassernetzwerk abgeschaltet und Temperaturen in den Gebäuden abends früher abgesenkt würden, außerdem gebe es neue Öffnungszeiten für die Bibliotheken.
Die Wissenschaftsorganisationen sehen die Politik aber in der Pflicht, bei Härtefällen einzuspringen und finanzielle Entlastungen zu erwägen. Den jüngsten Beschluss der Kultusministerkonferenz, den Lehrbetrieb unbedingt aufrechtzuerhalten, bewerten die Wissenschaftsorganisationen ebenso positiv wie das Interesse der Bundesnetzagentur für das Thema.
Konkrete Forderungen benennen die Wissenschaftsorganisationen allerdings nicht, und auch von Geldsummen, die zugeschossen werden müssten, ist nicht die Rede. Das entspricht auch Wortmeldungen zu anderen Themen, die oftmals eher wie diplomatische Noten formuliert sind und den kleinsten gemeinsamen Nenner darstellen. Die allgemein gehaltene Stellungnahme soll wohl zumindest im Konzert der Interessengruppen, die auf die Bundesregierung derzeit einwirken, zumindest eine Wortmeldung sein und darauf hinwirken, dass die Forschung und Lehre nicht übersehen werden. Man will auf jeden Fall dafür sorgen, dass man sich bei echten Störungen im Betriebsablauf der Wissenschaft nicht vorwerfen lassen muss, nichts getan zu haben.