Jazzfest Bonn
Riccardo del Fra „Moving People“ / Shake Stew
Kann Jazzmusik per se politisch sein? Klingt ein Major-Sieben-Akkord politisch? Kann eine melodische Phrase eine gesellschaftliche Schieflage kommentieren? Nein. Erst über Sprache (oder andere außermusikalische Zeichen) wird der politische Kontext gesetzt; auch bei Riccardo del Fra. Denn der Jazz, den dieser charmante Kontrabassist, 1956 in Rom geboren und seit 2004 Leiter der Jazzabteilung des renommierten „Conservatoire National Supérieure des Musique et de Dance“ in Paris, mit seinem mit jüngeren Musikern aus Deutschland, Frankreich und Polen besetzten Quintett an diesem Sonntagabend beim zehnten Jazzfest Bonn aufführte, ist zuallererst eine „schöne“, weil dem melodischen Duktus folgende, dennoch hintersinnig-humorvolle Musik: eloquent, emotional und frisch. Erst der Titel des Programms, „Moving People“, verdeutlicht den politischen Anspruch. Der ist als Appell für Mitmenschlichkeit und Empathie zu verstehen, als Hommage an die Menschen, die ihre Heimat verlassen müssen, um in der Fremde eine Zukunft zu haben.
Den ruhigen, musikalischen Fluss dieses Quintetts brachten der Altsaxofonist Jan Prax und der Trompeter Tomasz Dabrowski mit ihren zumeist expressiv gestalteten Solochorussen oftmals ins Strudeln. Aber den vielleicht berührendsten Moment seines Auftritts hatte del Fra im Duo mit dem Pianisten Carl-Henri Morrisset, als er mit einer leisen, nonchalant swingenden Fassung von „I’m a Fool to Want You“ an den Trompeter Chet Baker erinnerte, an dessen Seite er neun Jahre lang den Bass spielte.
Tatsächlich politisch war dann der zweite Act dieses Jazzfest-Abends im Bonner Pantheon, wenngleich ungewollt. Wie Kinder freuten sich die fünf Österreicher in Lukas Kranzelbinders Septett Shake Stew darüber, dass zwei Tage vor ihrem Konzert ein Video aus Ibiza die schwarz-blaue, konservativ-populistische Regierungskoalition in ihrem Heimatland in eine Krise stürzte und letztlich zu Fall brachte. „In Zeiten wie diesen braucht es neue Hymnen“, sagte der junge Bassist feixend nach dem ersten Stück „Keep Walkin’“ – das eben genau das war: ein elegischer Hymnus.
Danach wurde es ernst. Als einen von zehn Komponist*innen, die das Jazzfest Bonn zu seinem zehnten Geburtstag beauftragt hatte, eine Auftragskomposition zu schreiben, hatte Kranzelbinder seinem Septett mit zwei Bässen und zwei Schlagzeugen, mit zwei Saxofonen und einer Trompete eine Komposition regelrecht auf den Leib geschrieben, in der all das wiederzufinden war, was Shake Stew in den vergangenen anderthalb Jahren gleichermaßen zum Kritiker- wie Publikumsliebling werden ließ.
Die fast ins Mikrotonale reichenden Reibungen zwischen den Kontrabässen von Kranzelbinder und dem Berliner Oliver Potratz, die rhythmischen Interferenzen der beiden Schlagzeuger Niki Dolp und Mathias Koch, die dynamisch druckvollen, eruptiv hervorbrechenden Klangströme von Mario Rom (Trompete), Clemens Salesny (Altsaxofon) und Johannes Schleiermacher (Tenorsaxofon) rüttelten beständig an den Fundamenten dieses Groove-Monsters mit dem passenden Namen „No More Silence“.
Die fünf Österreicher und zwei deutschen Kollegen rissen während dieser rund 20 Minuten das Publikum unwiderstehlich in den Mahlstrom ihrer ungeheuerlichen Improvisationsmusik, die gerade wegen ihres sich archaisch gebenden Klangsettings eher ein anarchischer Rave war als ein übliches Jazzkonzert.
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