It’s a man’s world: Das Design von Auto, Bus und Bahn passt gut zum Mann und schlecht zur Frau

Die Studie „Please mind the Gap“ zeigt, dass das Fahrzeugdesign eher zum Alltag und Körper von Männern passt. Für Frauen kann das schnell gefährlich und unbequem werden. Im Interview erklärt Dr. Laura Gebhardt, warum eine geschlechtergerechte Mobilität allen hilft.

vom Recherche-Kollektiv Busy Streets:
8 Minuten
Ein Bus fährt über die Straße. Am Fahrbahnrand parkt ein Auto.

Der Verkehr wird seit Jahrzehnten von Männern für Männer geplant. Die sozialen Bedürfnisse und Mobilitätsmuster von Frauen haben die Planer dabei übersehen. Die Folgen beschreibt die Wissenschaftlerin Dr. Laura Gebhardt im Interview.

Busy Streets: Warum spielt Gender in der Mobilität eine Rolle?

Laura Gebhardt: Viele Produkte und Dienstleistungen, die wir im Alltag nutzen, sind an die Bedürfnisse und Anforderungen eines durchschnittlichen Mannes angepasst. Das betrifft auch Verkehrsmittel wie Auto, Bus und Bahn, Roller, usw. Welche Folgen das haben kann, sehen wir beispielsweise in Unfallstudien. Sie belegen, dass für Frauen, aber auch für ältere Menschen oder Kinder die Wahrscheinlichkeit, sich bei einem Aufprall schwer zu verletzen viel höher ist als bei Männern. Mit unserer Studie „Please Mind the Gap“ zeigen wir, dass der Gender–Gap auch in der Gestaltung der Verkehrsmittel existiert und Folgen hat.

Eine aktuelle Studie der Unfallforscher der Versicherer (UDV) bestätigt das höhere Verletzungsrisiko von Frauen bei Unfällen. Warum ist das so, obwohl Automobilhersteller ihre Fahrzeuge ständig sicherer machen?

Die EU-Zulassungsverfahren verlangen Crashtests mit männlichen Dummys, die einem Durchschnittsmann von 1,75 Meter und 78 Kilogramm entsprechen. Fahrzeuge werden auf diese Maße optimiert, etwa bei der Position von Pedalen, Lenkrad, Kopfstützen und Airbags.

Eine durchschnittliche Frau ist mit 1,64 Meter deutlich kleiner. Sie muss den Fahrersitz nach vorn schieben, um die Pedale zu erreichen. Der geringere Abstand zum Lenkrad und Armaturenbrett kann dazu führen, dass der Airbag bei einem Unfall nicht optimal auslöst.

Die UDV-Analyse zeigt, dass Frauen bei einem Aufprall wegen des geringen Abstands zum Armaturenbrett schwere Verletzungen an Füßen, Knien, Oberschenkeln und Becken erleiden. Diese Unfallursache ist seit Jahren bekannt. Gibt es wirklich keine Lösungen?

Technisch lässt sich das Problem lösen. Pedale und Lenkrad könnten über Konfigurationen und Einstellungen so konstruiert werden, dass Personen zwischen 1,60 und 1,90 Meter das Fahrzeug sicher und komfortabel nutzen können.

Über die Hälfte der Bevölkerung entspricht nicht dem „Durchschnittsmann“. Warum werden keine weiblichen Crashtest-Dummys verwendet?

Weibliche Dummys gibt es erst seit Kurzem. 2022 stellte die schwedische Professorin Astrid Linder mit „Eva“ den ersten weiblichen Dummy vor. „Eva“ bildet den weiblichen Körper präzise ab – sowohl das Gewebe und die Muskulatur als auch das Knochengerüst. Ob sie in Europa für Sicherheitstests genutzt werden wird, ist jedoch ungewiss. Einige Autohersteller wie Volvo setzen weibliche Crashtest-Dummys nach eigenen Angaben bereits freiwillig ein. Aktuell prüfen die Vereinten Nationen, ob sie weibliche Dummys standardmäßig ins Testprogramm aufnehmen. Das wäre wichtig, denn Autoherstellern fehlen zurzeit Anreize, weibliche Dummys zu nutzen. Die menschlichen Attrappen sind teuer. Sie kosten zwischen 150.000 und 1,5 Millionen Euro und sind Jahrzehnte im Einsatz. Ohne neue Verordnungen bleiben Tests mit weiblichen Dummys wohl weiterhin die Ausnahme.

Die Frau blickt in die Kamera und lächelt.
Laura Gebhardt forscht am Berliner Institut für Verkehrsforschung am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
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