Oslo: In vielen Schritten zur klimafreundlichen und lebenswerten Hauptstadt

Die Verwandlung Oslos ist in vollem Gange. Von dem Umbau profitieren alle Menschen.

vom Recherche-Kollektiv Busy Streets:
7 Minuten
Die mehrstöckigen Wohn- und Geschäftshäuser sind nur wenige Schritte vom Hafen entfernt. Fußgänger laufen die Promenade entlang und Fähren haben festgemacht.

Vorsichtig schlängeln sich Rad- und Scooterfahrerïnnen auf dem großen halbmondförmigen Platz an Kindern, Fußgängern und Touristengruppen vorbei. Einige der Erwachsene lassen sich kurz auf eine der vielen Bänke oder Stühle nieder, andere essen dort ihre mitgebrachten Brote und Salate. Das Treiben auf dem Fridtjof Nansens Plass vor Oslos Rathaus ist für manche Stadtbewohnerïnnen noch immer ungewohnt. Jahrzehntelang hatten Autos das Geschehen vor dem Rathaus bestimmt, Passanten zu Fuß oder per Fahrrad waren nur Zaungäste.

Seit 2018 ist das anders. Damals wurde der Platz für Fußgängerïnnen und Radfahrende umgestaltet, der Autoverkehr spielt seitdem dort nur noch eine Nebenrolle. Eine ähnliche Entwicklung lässt sich zurzeit überall in Oslo beobachten. Stadt- und Verkehrsplaner verpassen den Straßen und Plätzen ein neues Outfit. Parkplätze werden zu Radwegen oder Miniparks, Straßen zu Fußgänger- oder Tempo-30-Zonen.

Leitbild: menschengerechte Stadt

Diesen Wandel hat die Stadtregierung 2015 mit Zustimmung der Bewohnerinnen und Bewohner beschlossen. Bis 2030 soll Oslo klimaneutral werden. Dafür wird die Innenstadt so umgebaut, dass die Menschen sich dort gerne aufhalten und ihre Wege per Rad, zu Fuß oder mit Bus und Bahn zurücklegen können.

Das Vorhaben ist ehrgeizig. Noch Anfang der 2010er-Jahre war Norwegens Hauptstadt eine typische Autostadt. Die Durchgangsstraßen führten durch die schönsten Quartiere der Stadt und mitten durchs Zentrum. Der Verkehr war beträchtlich, das Flanieren bei Autolärm und Abgasen auf schmalen Gehwegen unattraktiv.

Von der Fähre per Rad ins Zentrum

Obwohl der Umbau der Straßen erst vor wenigen Jahren begonnen hat, ist der Kulturwandel vielerorts deutlich spürbar. Wer etwa als Touristïn per Rad und Fähre nach Oslo reist, kann am Fähranleger auf einen breiten geschützten Zweirichtungsradweg abbiegen. Nach rund zwei Kilometern mündet dieser in die Fußgängerzone, die das Rathaus und das neue Wohn- und Kulturgebiet Aker Brygge am Hafen miteinander verbindet.

Tempo 30 in 70 Prozent der Straßen

Von dort ist die Weiterfahrt in die verschiedenen Stadtteile selbst für ortsfremde Radfahrerïnen einfach. Oslos Stadtregierung hat in mehr als 70 Prozent der Straßen Tempo 30 eingeführt. Die niedrige Geschwindigkeit macht es erwachsenen Radlerinnen vielerorts leicht, im Verkehr mitzuschwimmen. Zukünftig sollen Radwege auf Hauptstraßen zudem baulich vom Autoverkehr getrennt werden. Die ersten dieser geschützten Radwege sind bereits fertig. Etwa auf der Straße Åkebergveien, einer rund einen Kilometer langen, viel befahrenen Hauptstraße. Dort trennt eine etwa handhohe Kante die Radfahrerïnnen vom Autoverkehr.

Blick aus der Vogelperspektive auf eine Straße mit einem Radweg in Fahrspurbreite auf beiden Fahrbahnseiten.
In der Hauptstraße „Åkebergveien“ wurde auf jeder Seite eine Fahrspur in einen Radweg umgewandelt.
Auf beiden Seiten der Fahrbahn befindet sich ein Radweg, der per Steinkante abgetrennt wird.
In der Hauptstraße „Åkebergveien“ trennt eine etwa handhohe Kante Radfahrende vom Autoverkehr.

Oslo setzt neue Standards fürs Radfahren

„In den vergangenen fünf Jahren haben wir 100 Kilometer Fahrradinfrastruktur gebaut und modernisiert“, sagt Liv Jorun Andenes, Abteilungsleiterin der städtischen Umweltbehörde. Sie ist eine der Hauptakteurinnen beim Umbau von Oslos Innenstadt. Wie die Radinfrastruktur zukünftig aussehen soll, hat ihre Behörde in dem Handbuch „Street Design Manuel for Oslo“ genau beschrieben.

Das Besondere an dem Handbuch ist, dass die dort beschriebenen Standards deutlich ambitionierter sind als die der norwegischen Regierung. Während diese für Radwege landesweit eineMaximalbreite von 1,8 Meter vorsieht, liegt der Standard laut „Street Design Manuel for Oslo“ bei 2,5 Meter.

Ein Mann auf einem Lastenrad fährt auf einen historischen Platz. Der Platz wird durch Pollern für große Fahrzeuge gesperrt.
Früher fuhren Busse und Autos über das historische Pflaster des Christiania Torv-Platzes. Heute radeln die Menschen über den Platz direkt in die neue Fußgängerzone Øvre Slottsgate.
In der Fußgängerzone mit Kopfsteinfplaster sind Menschen unterwegs.
Als in der schmalen Øvre Slottsgate noch Autos parkten und fuhren, spazierte niemand freiwillig die Straße entlang. Seit sie innerhalb eines Jahres in eine Fußgängerzone umgestaltet wurde, ist das anders.
Auf der Fahrbahn vor Oslos Oper sind breite Fahrstreifen für den Radverkehr markiert
Radwege vor der berühmten Oper von Oslo.
Eine Station mit Leihrädern steht an einer Busstation.
Rund 3000 Leihräder sind im Stadtgebiet an zentralen Stellen wie hier der Busstation verfügbar.
In einer Straße steht am rechten Fahrbahnrand eine Terrasse mit Bänke und Bäumen
Mithilfe von Terrassen und Grünpflanzen werden Parkplätze und Straßen nach und nach umgestaltet. 
Vor einem Restaurant und den angrenzenden Platz stehen Stadtmöbel zum Liegen und Sitzen.
Bitte Platz nehmen! Die roten Stadtmöbel mit den Holzelementen laden Besucher und Anwohner an den schönsten Plätzen in Aker Brygge zum Verweilen ein.
In der Fußgängerzone stehen runde Blumenkübel mit runden Sitzgelegenheiten.
Auch in den Fußgängerzonen hat die Stadt in kurzen Abständen Stadtmöbel und Blumen aufgestellt. Hier können die Menschen Pause machen.
Auf dem Platz stehen Stühle und Tische, an einigen sitzen Menschen.
Vor dem Umbau 2018 parkten Autos vor den Geschäften und durften bis vors Rathaus fahren.
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