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Warum Radfahrende öfter bei Rot fahren und wie bessere Verkehrsplanung das ändern könnte
Vor der Ampel sind nicht alle gleich: Warum Radfahrende so oft bei Rot queren
Es ist eines der beliebtesten Vorurteile über Radfahrende: „Die fahren eh immer bei Rot.“ Ja, da ist schon was dran – und nein, es liegt nicht daran, dass alle Radler*innen rücksichtslose Rowdys wären. Die Mobilitätskolumne.

Ich halte mich für einen rücksichtsvollen Menschen. Ich bemühe mich, mich so durch die Stadt zu bewegen, dass ich niemanden gefährde und möglichst niemandem im Weg bin. Außerdem hasse ich es, Klischees zu bestätigen.
Und dennoch erfülle ich manchmal – selten, aber doch – eines der beliebtesten Vorurteile über Radfahrende: Ich quere eine Straße bei Rot.
Warum? Also, mal abgesehen von den paar schwarzen Schafen, die es in jeder Gruppe gibt: Warum fahren Radelnde öfter bei Rot über die Ampel als Autofahrer*innen?
Einen Teil der Antwort kennt jede*r: Zu Fuß oder vom Rad aus sieht man die Umgebung besser als aus einem Auto heraus. Man sieht, wenn weit und breit nichts und niemand kommt. Und man gefährdet eher sich selbst als andere.
Der andere Teil der Antwort hat mit der Geschichte unserer Verkehrsplanung zu tun.
Bis Autos Massenware wurden, funktionierte das Miteinander ohne Ampeln
Ampeln sind erst Teil der Verkehrsplanung, seit Autos Massenware sind. Die ersten, noch händisch betriebenen, Ampeln Deutschlands und Österreichs wurden 1924 in Berlin und 1926 in Wien errichtet. Solange in den Straßen vor allem Fußgänger*innen, Radfahrende, Pferdefuhrwerke und Straßenbahnen unterwegs waren, funktionierte das Miteinander auch ohne Ampel.
In den folgenden Jahrzehnten dominierte das Konzept der „autogerechten Stadt“ die Verkehrsplanung. Es wirkt bis heute nach: Noch immer sind Straßenverläufe und Ampelphasen vor allem auf den Autoverkehr ausgerichtet, sie werden so geplant, dass Autofahrende möglichst selten stoppen und möglichst wenig warten müssen. Wie oft und wie lange Fußgänger*innen und Radfahrende warten müssen, ist zweitrangig.
Vor der Ampel sind also nicht alle gleich.
So müssen Radfahrende, die links abbiegen wollen, an vielen Kreuzungen zwei Mal warten. Hier in Wien gibt es wichtige Radwege, die mehrmals die Straßenseite wechseln – dann muss man an manchen Stellen zwei Mal warten, nur um geradeaus zu fahren. An anderen Kreuzungen bekommt der Radverkehr ohne erkennbaren Grund 15 Sekunden früher Rot als der parallel fahrende Autoverkehr.
Drei Minuten Wartezeit auf 300 Metern
Diese Stelle hier in Wien zum Beispiel, an der ich regelmäßig vorbei muss: eine wichtige Straßenverbindung, zwei große, komplexe Kreuzungen knapp hintereinander. Für den Autoverkehr zwei Ampeln mit grüner Welle. Für den Radverkehr insgesamt vier Ampeln: vor der ersten warte ich bis zu 70 Sekunden, die zweite kann ich dann direkt queren. An der dritten, wenige Meter dahinter: 80 Sekunden lang Rot.
Und dann heißt es mit aller Kraft in die Pedale treten, denn die vierte Ampel erreiche ich nur dann gerade noch bei Grün, wenn mir das gelingt, was man in einem Computerspiel einen „perfect run“ nennen würde. Fahre ich gemütlicher oder muss zwischendurch bremsen, erreiche ich Ampel Nummer 4 genau dann, wenn sie auf Rot schaltet. Dann warte ich hier nochmal 60 Sekunden, und die ersten 15 davon sehe ich den parallel zu mir fahrenden Autos beim über-die-Kreuzung-brausen zu. Dabei bräuchte ich nur 5 Sekunden, um zu queren – entsprechend groß ist die Versuchung, das auch im allerletzten Moment noch zu tun.
Auf der kurzen Strecke von 300 Metern verbringe ich also bis zu dreieinhalb Minuten stehend. Ich wage zu behaupten: Ampeln für den Autoverkehr würde man niemals so schalten.
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Lösungen gibt es – sogar welche, die niemandem wehtun
Das alles nährt das Klischee, dass Radfahrer*innen ständig bei Rot fahren.
Lösungen gibt es genug. Grüne Wellen für den Radverkehr. Dauergrün für Rad- und Fußverkehr, solange ein Sensor kein Auto erkennt. Sogenannte Dunkel-Dunkel-Ampeln, die erst leuchten, wenn ein*e Fußgänger*in per Knopfdruck Grün anfordert. Viele Ampeln für den Rad- und Fußverkehr könnte man auch einfach abbauen.
Oft müsste man also nicht einmal irgendjemandem etwas wegnehmen, um Fußgänger*innen und Radfahrenden das regelkonforme Leben leichter zu machen.
An der Stelle in Wien zum Beispiel, an der ich so oft Rot sehe: ein paar Sekunden länger Grün für Fußgänger*innen und Radfahrende ab Ampel Nummer 4, ohne dass sich die anderen Ampelphasen ändern – und die Versuchung, bei Rot zu queren, wäre weg.