Für mehr Chancengleichheit auf der Straße: kleine Gesetzesänderung mit großer Wirkung

Die aktuelle Rechtslage blockiert alles, was den Fluss des Autoverkehrs behindert. Der Jurist Professor Stefan Klinski weiß, wie man das mit einem kleinen Eingriff im Straßenverkehrsgesetz beenden kann

vom Recherche-Kollektiv Busy Streets:
7 Minuten
In der Straße parken rechts und links der Fahrbahn Autos in Parkbuchen und Fußgänger sind auf dem Gehweg unterwegs

Ottensen ist ein angesagter Stadtteil in Hamburg. Die Straßen sind schmal, die Fußwege gesäumt von Cafés, Restaurants und Geschäften von hip bis chic. Noch schöner wäre es, wenn nicht so viele Autos herumfahren oder -stehen würden. Die Bezirksregierung plant, rund ein Dutzend Straßen im Quartier ganz oder teilweise von Autos zu befreien. Das Konzept dafür namens „freiRaum Ottensen“ hatte die Bezirksregierung in einem umfangreichen Beteiligungsprozess mit den Anwohnern erarbeitet. Im September 2022 wurde die zentral gelegene „Große Brunnenstraße“ für Autos gesperrt. Nur Anwohner, Lieferdienste und Autofahrende mit einer Ausnahmegenehmigung durften sie noch eingeschränkt nutzen. Das missfiel einem Anwohner und einem Gewerbetreibenden. Sie klagten und das Verwaltungsgericht fand einen Formfehler. Die Verwaltung sollte nachbessern. Im Anschluss wollte das Gericht den Antrag erneut prüfen. Bis dahin rollen wieder Autos durch die Große Brunnenstraße.

Es war bereits das zweite Mal, dass in Ottensen die Mobilitätswende ausgebremst wurde. Ein Gericht hatte 2020 erklärt, dass die probeweise Einrichtung einer Fußgängerzone möglicherweise rechtswidrig sei, da keine Gefahrenlage vorliege. Auch damals hatten ein Anwohner und ein Gewerbetreibender Eilanträge gestellt.

So geht es derzeit vielen Verkehrsplanerinnen und -planern. Sobald sie den Autoverkehr einschränken und dem Rad- und Fußverkehr mehr Platz geben, kommt es zu Klagen. Das betrifft Verkehrsversuche genauso wie den dauerhaften Umbau.

„Das Problem ist nicht der Einspruch der Kläger, sondern die Rechtslage“, sagt Miriam Dross, Juristin und Fachgebietsleiterin „Nachhaltige Mobilität in Stadt und Land“ beim Umweltbundesamt. „Das Straßenverkehrsrecht (StVR) und die Straßenverkehrsordnung (StVO) sind ungeeignet, um das zu tun, was jetzt erforderlich ist: den öffentlichen Straßenraum im Sinne der Mobilitätswende umzugestalten und zu verändern“, sagt sie. Die Gesetze hätten zum Ziel, dass der Autoverkehr fließe. Den Verkehr großflächig zu beruhigen oder dem Bus-, Rad- oder Fußverkehr auf den Straßen Vorrang zu gewähren, sei daher schwierig. Es sei wahrscheinlich, dass Kritikerinnen und Kritiker Schwachstellen finden und dagegen klagen.

Auf der Straße können Autos in eine Richtung fahren. Auf dem Bürgersteig sind Poller aufgestellt
Die Eckdaten für „freiRaum Ottensen“ hat die Bezirksregierung in einem umfangreichen Beteiligungsprozess mit den Anwohnern erarbeitet. In zwölf Straßen soll in dem Viertel der Autoverkehr eingeschränkt werden
In der Straße parken am rechten und linken Fahrbahnrand Autos. Eine Radfahrerin radelt über das Kopfsteinpflaster
Ottensen in Hamburg: Für Radfahrerïnnen und Fußgängerïnnen bleibt wenig Platz in den engen Straßen
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