Wenn Babies zu Terroristen werden und Urheber weniger Geld bekommen
Worum es bei der Europäischen Urheberrechtsreform geht. Eine Übersicht von Peter Welchering
In der aktuellen Debatte geht es um drei große Themen:
- ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger
- die Beteiligung der Verleger an den Einkünften der Verwertungsgesellschaften
- die Einführung von Uploadfiltern
Die neuen Regeln dafür standen bisher in Artikel 11, 12 und 13 der europäischen Urheberrechtsreform. Durch eine redaktionelle Änderung heißen diese Artikel in der neuesten Vorlage des Europäischen Parlaments nun Artikel 15, 16 und 17. Die Pläne sind umstritten. Aus der Debatte ist ein Streit der Lobbyisten geworden, teilweise ein regelrechter Glaubenskrieg. In der Auseinandersetzung um ein neues europäisches Urheberrecht wird mit harten Bandagen gekämpft.
Vor allen Dingen Artikel 13 steht im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit. Oft scheint in der Diskussion nicht so ganz klar zu sein, welche Uploadfilter in der Diskussion eigentlich gemeint sind. Jedenfalls haben weder der Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments noch der Rat oder die EU-Kommission Uploadfilter in ihren Texten überhaupt definiert.
Uploadfilter sollen Beiträge, die auf eine Plattform hochgeladen werden, zuvor daraufhin überprüfen, ob es eine Urheberrechtsverletzung gibt.
Mangelhaftes Wissen in der Politik
Verschiedene Filter werden auch heute schon eingesetzt. Ziemlich unproblematisch sind Filter als Suchprogramme, die einfach eine Art Wasserzeichen suchen, das die Autoren oder Produzenten von Videos oder Audiostücken, aber auch von Texten in ihre Datei eingearbeitet haben.
Wird solch ein Wasserzeichen erkannt, meldet das System einen Urheberrechtshinweis. Dann muss per Datenbankabfrage geklärt werden, welche Verwertungsrechte definiert sind und welche Verwertungsmöglichkeiten vorliegen.
Etwas weiter geht da schon heute Google. Der Internetkonzern verwendet ein Filtersystem, bei dem Autoren und Produzenten von Videos und Musikstücken Prüfsummen ihrer Werkdateien hinterlegen. Wenn ein Internet-Nutzer dann ein Video hochladen will, wird von seiner Datei auch eine Prüfsumme berechnet und mit den in einer Datenbank hinterlegten Prüfsummen der geschützten Werke verglichen.
Filter sind für Zensurzwecke entwickelt worden
Bei einer Übereinstimmung gibt es ebenfalls eine Urheberrechtsmeldung, die Datei kann nicht hochgeladen werden. Das funktioniert bei Videos und Audios relativ gut. Allerdings kommt es oftmals zu ungerechtfertigten Verwertungsblockaden.
Stellt die Prüfsoftware zum Beispiel bei einem Video von einer Demonstration per Prüfsumme eine Urheberrechtsverletzung fest, weil im Hintergrund die Demo-Band den Teilnehmern mit einem urheberrechtlich geschützten Musiktitel einheizt, wird das Video blockiert. Urheberrechtlich bzw. verwertungsrechtlich wäre diese Musik als „unwesentliches “ in einem Video über eine Demonstration durchaus erlaubt. Doch die Uploadfilter von Google berücksichtigen solche Verwertungsschranken nicht ausreichend.
Bei Fotos ist das noch schwieriger. Bei Texten kann man damit überhaupt keine Ergebnisse erzielen. Mit den hier verfügbaren und verwendeten Uploadfiltern lassen sich Urheber- und Verwertungsrechte überhaupt nicht schützen. Filter dieser Art sind ursprünglich zu Zensurzwecken entwickelt worden.
Prüfsummen helfen nicht weiter
Bei Fotos werden bildbestimmende Farben und Elemente zu einer Prüfsumme verrechnet. So erstellt etwa ein Filter von Microsoft einen digitalen Fingerabdruck eines Fotos. Das Verfahren ist zum Beispiel eingesetzt worden, um zu verhindern, dass Fotos von Taliban-Führern auf Plattformen hochgeladen werden.
Als Folge wurden bei Facebook, die dieses Verfahren einsetzen, viele Fotos von Neugeborenen blockiert, weil sie angeblich terrorverdächtig sind. Bei genauerer Analyse liegt das daran, dass Babys und Taliban mit sehr vielen weißen Textilien bedeckt sind. Das führt dann zu einer Übereinstimmung bei der Prüfsumme.
Bei Texten kommen Prüfsummen bisher nur zum Einsatz, um sicherzustellen, dass eine Originaldatei nicht manipuliert wurde. Textfilter arbeiten dagegen mit Scanningsoftware. Die haben aber oft ein Problem, den Textzusammenhang zu erkennen.
Ganz furchtbar ist das, wenn nur nach einzelnen Stichworten gesucht wird. Dann werden etwa alle Texte zurückgewiesen, in denen Suchworte erkannt werden, die auf einem Index stehen.
Politik macht es sich zu einfach
So hat ein Prüfprogramm von Google Texte zurückgewiesen, in denen das Wort Analyse vorkam. Die wurden als pornografisch eingestuft: „Anal -yse“. Fortgeschrittenere Mustererkennungsprogramme machen diesen Fehler nicht. Aber die können dann zum Beispiel Zitate nicht erkennen oder Ironie.
Hinzu kommt bei allen Filtersystemen, dass sie natürlich nur so gut sind wie ihre Datenbasis. Aber Softwareauswahl und Datenbasis wollen die Urheberrechtspolitiker den Plattformbetreibern überlassen. Die Politik will hier nicht einmal Mindeststandards definieren.
Teilenteignung der Urheber
Deshalb kann man heute schon die Prognose wagen: Diese Uploadfilter werden jede Menge Dateien zurückweisen, in denen keinerlei Urheberrechtsverletzung steckt. Gegen diese Entscheidung von Algorithmen gibt es keinen wirklich effektiven Rechtsweg. Denn der Nutzer hat den AGB von Youtube & Co zugestimmt. Zwar sieht der Reformentwurf ein Beschwerdemanagement vor. Aber das bleibt schwammig und da ist nirgendwo definiert, wer für Beschwerden zuständig ist und in welchem Zeitraum die bearbeitet werden müssen. Deshalb wird hier Meinungsfreiheit massiv eingeschränkt.
So nimmt sich die Google-Tochter Youtube 30 Tage für die Bearbeitung einer Beschwerde über die Sperrung eines Videos. Nach 30 Tagen ist ein Video, mit dem über eine Demonstration berichtet wird, natürlich hoffnungslos veraltet und interessiert niemanden mehr. Ein Beitrag zur Meinungsbildung kann damit jedenfalls nicht mehr geleistet werden.
Verantwortlich wäre ein Kompromiss, Dateien nur auf Wasserzeichen untersuchen zu lassen. Aber schon bei der Diskussion im Rechtsausschuss im Sommer 2018 hat sich gezeigt, dass einfach kein Verständnis für die unterschiedlichen Arten von Filtern vorhanden ist.
Über die Diskussion um den bisherigen Artikel 13 werden oftmals die Artikel 11 und 12 vergessen. Mit Artikel 11 soll ein europäisches Leistungsschutzrecht für Presseverleger eingeführt werden. Eine Beteiligung der Urheber an den Einkünften aus diesem Leistungsschutzrecht ist nicht vorgesehen. Das ist eine Teilenteignung der Urheber.
Streit um Verwertungsgesellschaften
Bei der Umsetzung der Europäischen Urheberrechtsreform in nationales Recht droht den Urhebern dann eine weitere Teilenteignung. Denn dann muss festgelegt werden, wie Urheber ihre Werke, die dem Leistungsschutzrecht der Verlage mit der Veröffentlichung unterliegen, weiterhin nutzen dürfen. Hier droht eine weitere Teilenteignung der Urheber.
Artikel 12 sieht vor, dass die Verleger wieder an den Einkünften der Verwertungsgesellschaften beteiligt werden. Sowohl der Europäische Gerichtshof als auch der Bundesgerichtshof hatten entschieden, dass nur den Urhebern die Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften zustehen. Hier hält die europäische Urheberrechtsreform eine weitere Teilenteignung der Autoren bereit.