Stadt im Wandel: Wie Europas Zentren ihre Mobilität neu organisieren und was Deutschland bremst

Die Umgestaltung von Straßen und Quartieren für mehr Bus-, Rad- und Fußverkehr führt in Deutschland oft zu Protesten. Dabei geht es auch anders.

vom Recherche-Kollektiv Busy Streets:
7 Minuten
Fahrradfahrer stehen an einer Ampel. Autos fahren geradeaus und biegen ab.

In Brüssels gilt in der Innenstadt fast überall Tempo 30, Gent hat den Durchgangsverkehr aus dem Zentrum verbannt und in Paris werden Fahrspuren zu breiten Radwegen umgebaut: Weltweit organisieren Städte den Verkehr in ihren Zentren neu und verteilen die Flächen etwas anders, auch in Deutschland. Doch sobald hier Kommunen den Platz zum Parken oder Fahren von Autos etwas einschränken, protestieren Anwohnerïnnen und Gewerbetreibende lautstark oder klagen sogar vor Gericht.

Für den Mobilitätsforscher Andreas Knie, Professor für Sozialwissenschaften an der TU Berlin und dem Wissenschaftszentrum Berlin, sind diese Proteste jedoch kein rein deutsches Phänomen. „Auch im Ausland wird gemurrt, wenn an den Privilegien für den Privatwagen gekratzt wird“, sagt er. Allerdings tue sich Deutschland im europäischen Vergleich deutlich schwerer als seine Nachbarn, beim Umbau der Straßen. Das liege an der Bundesverkehrspolitik, aber auch an der Struktur der Städte.

„Der Druck, den Verkehr neu zu organisieren ist in den kompakten belgischen, oder französischen Städten deutlich höher als in vielen deutschen Städten“, sagt Knie. In Hannover, Chemnitz oder Halle rolle der Autoverkehr auf breiten sechsspurigen Straßen weiterhin bequem durchs Zentrum. Anders in den historischen Städten von Antwerpen, London oder Paris. Dort schieben sich die Autos dicht gedrängt auf schmalen Fahrspuren durch die dicht bebauten Quartiere. „Die Enge, der Lärm und die Abgase belasten die Menschen“, sagt er. Die Politik stehe unter Zugzwang, die Verkehrsprobleme zu lösen.