White Cube für einen Baum

Künstlerinnen deuten das Ausstellen neu und orientieren sich am Alltag

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Unterer Teil eines Baumstamms in einem weißen Raum.

Das Leben ist voller Überraschungen: einfach nur ein Buch gekauft und schon Teil eines Kunstwerks geworden. Wer in den kommenden Wochen bei Josua Straß in Baden-Baden in den Laden kommt, wird erstmal verblüfft auf die Regale schauen. Wo sonst Buchrücken über ihren Inhalt informieren, ist nur die weiße Vorderkante zu sehen: Alle Bücher sind um 180 Grad gedreht. Wenn aber eines verkauft, wenn nach einem Band gefragt oder ein Buch neu eingeordnet wurde, kommt wieder der bunte Buchrücken nach außen. Die Struktur des Bucheinzelhandels wird sichtbar dank einer minimalistischen, künstlerischen Intervention, der simplen Drehung der Bände. Die Handlungsanweisungen gab Claudia de la Torre, eine mexikanische Künstlerin, die in Karlsruhe studiert hat und einen der Stadtraum-Satelliten zum neuesten Projekt der Kunsthalle Baden-Baden beigetragen hat.

Der Titel „Ausstellen des Ausstellens“ ist spröde, aber er sagt exakt, was in Baden-Baden geboten wird. Die Besucher durchschlendern nicht etwa eine Abfolge von Nachbauten, die vor Augen führen, wie einst Gemälde in Ausstellungen angeordnet wurden. Der Wandel der Ausstellungsgewohnheiten in den letzten fünf Jahrhunderten, von der Wunderkammer über die „Petersburger Hängung“ bis zum White Cube, ist das Thema des Prologs der Schau im Jugendstil-Bau der Kunsthalle.

Die „Hardware des Zeigens“ löst nostalgische Gefühle aus. Kunstvoll gezimmerte Vitrinen sind zu entdecken, darin historische Aufnahmen von Teylers Museum in Haarlem, eines der wenigen noch erhaltenen alten Universalmuseen. Sockel in Säulenform, Jugendstilrahmen und alte, bei der Hängung verwendete Messstäbe werden zu Ausstellungsstücken, während die Skulptur „Moving Bench“ von Jeppe Hein zum Möbel mutiert. Sie bewegt sich tatsächlich langsam vor und zurück und beschert den Besucher:innen schon rein körperlich eine andere Perspektive auf die Kunst.

„Die Weiterentwicklung des Ausstellungsdisplays ist sehr oft von Künstlern ausgegangen“, sagt Direktor Johan Holten, dem mit seinem Team wieder einmal eine Ausstellung gelungen ist, die sich dem üblichen Ausstellungsformat verweigert. Kuratoren, so Holten, seien gut beraten, sich bei ihrer Arbeit an Künstlern zu orientieren. Das klingt freilich radikaler als es vielleicht heute noch ist. Fakt ist, dass die Bedingungen des Ausstellens und die Institution Museum inzwischen zum Themenkanon der zeitgenössischen Kunst gehören. Doch hat bislang niemand daran gedacht, aus dieser Idee ein eigenes Ausstellungsprojekt zu machen.

Blick in einen großen Raum, in dem vor etwa 100 Jahren gebräuchliche Pultvitrinen stehen und zahlreiche gerahmte Fotografien und Grafiken an den Wänden hängen.
Die Hardware des Ausstellens: Vitrinen, Rahmen, Sockel.
Das Foto zeigt einen ungewöhnlichen Schrank aus Holz. Er steht mitten im Raum, einige Türen des allseitig mit Fächern ausgestatteten Schranks sind geöffnet.
Show in a Box: Goshka Macuga arrangiert Werke anderer KünstlerInnen in Schrankfächern.
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