Zeitgenössische Kunst trifft auf persische Kosmografie

Transkulturalität: Wie die deutsch-iranische Bildhauerin Myriam Schahabian zu ihrer persönlichen Bildwelt fand

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Eine Frau mit schulterlangem, dunklen Haar steht zwischen den Regalen ihrer Werkstatt.

Der Begriff Transkulturalität geht davon aus, dass Kulturen keine homogenen, klar voneinander abgrenzbaren Einheiten sind. Sie beeinflussen sich gegenseitig - damals wie heute. Von diesem Gedanken ist die Abteilung Weltkultur/Global Culture des Badischen Landesmuseums in Karlsruhe inspiriert. Die Ausstellungen thematisieren oftmals die Beziehungen zwischen Islam und Christentum, denn das Museum beherbergt die sogenannte Türkenbeute – eine Sammlung kostbarer osmanischer Objekte. In Studio-Ausstellungen lenkt Kuratorin Schoole Mostafawy den Blick auf aktuelle Themen wie Migration oder die Kopftuch-Debatte und stellt Künstler:innen vor, die zwischen den Kulturen aufgewachsen sind. 2022 war es Parastou Forouhar, nun gibt Myriam Schahabian Einblick in ihr Schaffen. In ihrem Werk verbindet sie neue und alte Medien genauso wie Vergangenheit und Gegenwart. Ein Atelierbesuch.

Eine Werkstatt ist ein Kosmos für sich. Zwischen Säcken mit Ton, in die Höhe gestapelten Dosen mit Engobe, gefärbtem Ton-Schlicker, Werkzeug, Regalen mit halbfertigen Skulpturen und dem Brennofen ist nur ein schmaler Gang. Eine Drehscheibe sucht man vergebens. Die Bildhauerin Myriam Schahabian stellt Objekte in Keramik her, deren Oberflächen mit Schriftmalerei und Motiven aus der altpersischen Hochkultur versehen sind.

Meist formt sie stilisierte Holzkohle-Samoware oder Vasen, deren bewegt gestaltete Oberflächen in rätselhaftem Widerspruch zu der ausgewogenen Form der Hohlkörper stehen. „Was ich an Vasen mag, ist ihre anthropomorphe Form. Eine Vase ist für mich ein Menschenkörper. Wenn ich jetzt aus dem gleichen Material ein flaches Bild machen würde, wäre das etwas anderes“, sagt Myriam Schahabian. Die 1965 in Karlsruhe geborene, in Teheran aufgewachsene Künstlerin studierte in Bologna, Florenz und Stuttgart Bildhauerei. 2022 erhielt sie das Stipendium der Stiftung Kunstfonds.

Leuchtend blau glasierte Skulptur eines vereinfacht dargestellten Vogels mit Menschenkopf.
Blick in die Ausstellung „SPOLIA“ von Myriam Schahabian im Badischen Landesmuseum, Karlsruhe. Im Vordergrund die „Harpyie“, ein Greifvogel mit menschlichem Kopf. Im Hintergrund zwei Vasen.
Eine Skulptur aus gebranntem Ton: Die Schuppem des Fischs sind farbig glasiert. Der Kopf ist weiß.
Die Figur des Fischs mit Menschenkopf von Myriam Schahabian geht auf die Kosmografie des Universalgelehrten Zakariyā’ ibn Muhammad al-Qazwīnī aus dem 13. Jahrhundert zurück.