Äthiopien: In der umkämpften Region Tigray werden medizinische Einrichtungen gezielt angegriffen

Hilfsorganisationen kritisieren, dass die medizinische Versorgung der Bevölkerung von den Konfliktparteien gezielt behindert werde.

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
5 Minuten
Das Foto zeigt den verwüsteten Raum eines Krankenhauses.

Der Konflikt zwischen der äthiopischen Regierung unter Abiy Ahmed und der Volksbefreiungsfront in der Region Tigray hat zu unzähligen Toten, Verletzten und Flüchtlingen geführt. Ärzte ohne Grenzen berichtet von gezielten Angriffen auf medizinische Einrichtungen. Ministerpräsident Abiy Ahmed, der einstige Hoffnungsträger, setzt vermehrt auf Gewalt und Repression. Kürzlich räumte er immerhin ein, dass sich die Armee des Nachbarlandes Eritrea an den Kämpfen auf äthiopischen Boden beteilige.

In einem Krankenhausraum liegen medizinische Gerätschaften auf dem Boden, die Einrichtungsgegenstände sind beschädigt.
Ein geplünderter Krankenhausraum in Sheraro in Tigray.

Berichte über sexuelle Gewalt, Massaker und andere schwere Menschenrechtsverletzungen in Äthiopien reißen nicht ab. Mehrfach haben die Vereinten Nationen gefordert, die Vorwürfe aufzuklären: Erst die UN-Menschenrechtsbeauftragte Michelle Bachelet, dann Ende Januar auch die UN-Sondergesandte für ­sexualisierte Gewalt in Konflikten, Pramila Patten. Sie reagierte auf Berichte über eine hohe Zahl mutmaßlicher Vergewaltigungen in der nordäthiopischen Stadt Mekelle.

Massaker und Vergewaltigungen

Nach mehrwöchigen Kämpfen hatten Truppen der äthiopischen Regierung die Hauptstadt der Region Tigray am 28. November 2020 eingenommen, in der bis dahin die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) herrschte. Seitdem mehren sich Berichte über die Verfolgung von Teilen der Bevölkerung in Tigray, über die Festnahme von TPLF-Mitgliedern und über sexualisierte Gewalt. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International berichtete von deutlichen Hinweisen darauf, dass in Tigray schwere Verbrechen verübt wurden, zum Beispiel in der Stadt Mai Kadra. Dort richteten Unbekannte in der Nacht vom 9. November mit Messern und Macheten ein Blutbad an. Amnesty-Recherchen belegen, dass sie dabei Dutzende, wenn nicht sogar hunderte Menschen töteten. Die medizinische Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen berichtete Mitte März über gezielte Angriffe auf medizinische Einrichtungen. Am 23. März beobachtete ein Team der Organisation nach eigenen Angaben, wie äthiopische Soldaten in Tigray mindestens vier Zivilisten erschossen. Wie Ärzte ohne Grenzen am 24. März mitteilte, ereignete sich der tödliche Vorfall im Norden Äthiopiens, an der Straße von Mekele nach Adigrat.

Ärzte ohne Grenzen hat die medizinische Hilfe in Tigray seit dem Beginn der Eskalation stark ausgeweitet. Die Teams der Organisation unterstützen mittlerweile fünf Krankenhäuser und zahlreiche Gesundheitsstationen, außerdem sind sie an 25 Orten mit mobilen Kliniken im Einsatz. Oliver Behn, Leiter der Projektabteilung von Ärzte ohne Grenzen in Amsterdam, ist Mitte März aus der Provinz Tigray zurückgekehrt, die für Journalistïnnen, immer noch schwer zugänglich ist. Im Interview berichtet er von seinen Eindrücken.

Ein Porträt von Oliver Behn.
Oliver Behn ist Leiter der Projektabteilung von Ärzte ohne Grenzen in Amsterdam.
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