Amazonien: Der Highway der Zerstörung

Der Klimawandel und die daraus resultierende Dürre lassen in Amazonien die Wasserwege versiegen, daher soll nun eine Schnellstraße her. Sie soll ausgerechnet aus dem von Deutschland mitfinanzierten Amazonienfonds für Wald- und Klimaschutz Amazonas querfinanziert werden. Doch die vermeintlich harmlose Verkehrsanbindung könnte das Ökosystem endgültig kippen lassen.

vom Recherche-Kollektiv Südamerika+Reporterinnen:
11 Minuten
Luftaufnahme einer schnurgeraden Piste durch den Urwald

Die Fotoreportage stammt von Alberto Cesar de Souza Araújo, Fotograf und Herausgeber des Magazins AMAZONIA REAL

Noch ist die BR-319 eine einfache Sandpiste durch den Regenwald. Doch je besser sie ausgebaut ist, desto mehr illegale Aktivitäten werden entlang ihrer Ränder stattfinden, fürchten Fachleute.

Wenn man heute die BR-319 entlang fährt, sieht man am Rand der 900 Kilometer langen Strecke immer wieder ausgebrannte Wracks. Besonders auf dem rund 400 Kilometer langen mittleren Abschnitt, wo es schnurgerade durch den Regenwald geht, kommt nur ab und an mal ein Auto vorbei. Regnet es, bleiben Laster und Busse im roten Schlamm der Amazonaserde stecken.

Ein einsamer Reiter auf der schnurgeraden Piste durch den Urwald
Cowboy auf der ungeteerten Straße BR-319 die Manaus und Porto Velho verbinden soll.

Von der Piste zum Highway

All das soll sich jetzt ändern. Der brasilianische Präsident Lula da Silva will aus der Piste einen asphaltierten Highway machen. Damit der Verkehr quer durch Amazonien rollt zwischen den Großstädten Manaus im Norden und Porto Velho im Süden.

Hinter der Ankündigung steckt auch die Klimakrise: Normalerweise verläuft der Warenverkehr zwischen Manaus und Porto Velho über den Rio Madeira, den größten Zufluss des Amazonas. Ende 2024 war der Pegel allerdings auf einen Stand gesunken, der alle Schifffahrt zum Erliegen brachte. Schuld war die extreme Dürre im Land. Waldbrände an 3500 Stellen untermalten Lulas Ankündigung mit einer apokalyptisch anmutenden Kulisse.

Der Bau der Dschungelpiste war 1973 unter der brasilianischen Militärdiktatur begonnen worden. Damals trieb man die Öffnung des Amazonasgebiets unter dem Slogan „Amazônia: Ein Land ohne Leute für Leute ohne Land“ voran. So wollte die Militärregierung das Land besiedeln, um es gegen vermeintliche ausländische Interventionen zu schützen. Eine Million Siedler sollten billig 100 Hektar Land erstehen können, um es abzuholzen. Entlang der BR-319 entstanden bald Straßendörfer im Stil des amerikanischen Wilden Westens. Doch Ende der 1980er Jahre kehrte Brasilien zur Demokratie zurück: Das teure und wirtschaftlich unrentable Projekt wurde abgebrochen und vom Regenwald überwuchert.

Leere Straße durch den Urwald.
Auf dem 400 km langen Mittelabschnitt kommt kaum ein Auto vorbei.
Wahlplakat von Jaír Bolsonaro mit der Aufschrift: „Wir sind Bolsonaro. Wir glauben an Gott und schätzen die Familie“.
Wahlplakat des letzten Präsidenten Jaír Bolsonaro mit der Aufschrift: „Wir sind Bolsonaro. Wir glauben an Gott und schätzen die Familie“. Während seiner Regierungszeit stieg die Abholzung entlang der Straße sprunghaft an und lag 2,5 mal höher als durchschnittlich im restlichen Amazonasgebiet.
Junger Mann mit Cowboyhut und großer Gürtelschnalle bei Schreinerarbeiten.
André B. (29) kam aus dem Bundesstaat Mato Grosso, um im Bezirk Humaitá sein Glück zu versuchen. Das Dorf „Realidade“ liegt an der Autobahn BR 319 und ist einer der Orte, an denen die Abholzung in den letzten Jahren am stärksten zugenommen hat und viele Siedler den ehemaligen Präsidenten Bolsonaro unterstützen.
Riesige abgeholzte Fläche, auf der vereinzelt weiße Rinder zu sehen sind.
Eine Rinderfarm an der Schnellstraße BR-319.
Eine Karte zeigt den Verlauf der Schnellstraße BR-319
Der Bau von Schnellstraßen durch den Regenwald bringt den sogenannten „Abholzungsbogen“ in noch gut erhaltene, biodiverse und stabile Regionen Amazoniens.
Indigene Frau sitzt auf einer Fläche aus Holzplanken, wo sie einen Fisch zubereitet. Im Hintergrund sieht man die Feuerstelle mit zwei Kochtöpfen.
Eine Apurinã-Frau bei der Zubereitung des Mittagessens. Die Apurinã leben in der Nähe der Purus. Sie litten unter dem Kautschukboom. Heute kämpfen sie um die Anerkennung ihrer Landrechte, um sich besser gegen das regelmäßige Eindringen von Holzfällern wehren zu können. (Foto: Alberto César Araújo/Amazônia Real)
Blick auf eine Lagune im Gebiet, das durch die Schnellstraße bedroht ist.
Landschaft zwischen dem Igarapé Realidade und dem Ipixuna-Fluss, zwischen den Ortschaften Realidade und Tapauá in der Nähe des Staatsforstes von Tapauá, der durch den Bau der Straße AM 366 und die steigende Abholzung zunehmende beeinträchtigt wird.
Bündel von Buriti-Fasern wird von einem Mann in einem Boot  gehalten, der durch das Bündel vollständig verdeckt ist.
Kazike Marino Adriano Batista Apurinã im Dorf São Francisco, im indigenen Land Igarapé Tauá Mirim, mit einem Bündel geflochtener Buriti-Palmfasern, am Ende des „Kenêre“-Rituals.
Indigene tanzen in einer Reihe mit Buriti-Palmwedeln geschmückt.
Apurinã nehmen an einem Ritual im Dorf São Francisco, gelegen im indigenen Land Igarapé Tauá Mirim, in der Gemeinde Tapauá, im Bundesstaat Amazonas, teil.
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