Huitoto-Künstler Rember Yahuarcani: „Es geht mir gar nicht darum, dass meine Arbeit verstanden wird“

Der indigene Maler aus Peru spricht im Interview über westliche Bevormundung, die Repräsentation indigener Kunst und wie Dalí ihn mit der Welt versöhnte.

vom Recherche-Kollektiv Südamerika+Reporterinnen:
10 Minuten
Ein Mann, der sein schwarzes Haar zu einem Zopf zusammengebunden hat mit einem Halsschmuck aus Jaguarzähnen

Rember Yahuarcani lebt und arbeitet seit seinem 18. Lebensjahr in der Hauptstadt Lima. In seinen mächtigen Bildern macht der Huitoto-Künstler die mythischen Gestalten sichtbar, die das indigene Territorium im Regenwald bevölkern. Dieses Jahr stellte er mit seinem Vater Santiago zusammen auf der Biennale von Venedig aus. Mit der Macht der Kunst will er koloniale Sichtweisen aufbrechen.

Ulrike Prinz: Sie sind Nachfahre eines Huitoto-Klans, der durch den Genozid während des Kautschukbooms fast ausgerottet wurde. Glauben Sie, dass Kunst heilen kann?

Rember Yahuarcani: Ja, definitiv. Die Kunst wirkt als Therapie für viele Menschen. Uns als Familie und Klan hat sie geholfen, Traumata und Gewalttaten zu überwinden, die meine Großmutter während des Kautschukbooms erleben musste. Die ganze Malerei hat als eine Art Brücke gedient, um über diese komplizierte Geschichte nachzudenken und sie in gewisser Weise zu verändern.

Wie sind Sie zum Maler geworden?

Wir Kinder sind mit dem Malen aufgewachsen. Unser Vater hat immer mit uns gemalt, und unsere Familie stellt Masken, Bilder und andere Dinge her. Unsere künstlerische Produktion findet also im Schoß der Familie statt. Es ist eine kollektive Arbeit und sie ist generationenübergreifend. Das war einer der Gründe, warum sie auf der Biennale ausgestellt war.

Indigene Kunst wird oft als Gemeinschaftskunst bezeichnet. Aber hat nicht trotzdem das einzelne Kunstwerk einen individuellen Schöpfer?

Es gibt Werke, die werden vom Anfang bis zum Ende von einer Person hergestellt. Aber die Arbeit meines Vaters ist eher als kollektiv zu bezeichnen. Denn allein bei der Herstellung von Llanchama, der Stoff, der aus der Rinde eines Baumes, und den natürlichen Farben, hilft die ganze Familie zusammen: meine Mutter, meine Onkel, meine Neffen, die Kinder. Und unsere Arbeit beruht sehr stark auf dem gemeinsamen mythischen Universum der Huitoto.

Traumwesen aus dem Regenwald bevölkern die mächtigen Bilder des Huitoto-Künstlers Rember Yahuarcani
„Diese anderen Welten - befinden sich innerhalb dieser Welt“ bekräftigt der Künstler Rember Yahuarcani
Drei vogelartige Wesen in kräftigen Farben Gelb, Blau und Rot, heben sich stark vom dunklen Hintergrund ab
„Zurück nach Hause“ zeigt eine Szene von drei mythischen vogelähnlichen Wesen, die auf einem schmalen Kanu über dunkles Wasser paddeln.
Ein Baum-Fluss-Wesen in verschlungenen, wurzelähnlichen Formen und Mischwesen in Rot- und Lilatönen zieht sich spiralförmig durch das Bild
„Am Anfang war nur Wasser und Dunkelheit. Darauf erblühte der Baum des Überflusses. Der Baum verwandelt sich in Mensch, in Wasser, in einen Fluss, der jetzt qualvoll und verzweifelt atmet“, steht auf dem Werk „Der Fluss“.
Zwei Personen, Vater und Sohn tragen indigenen Kopfschmuck und Jaguarkrallen
Die Künstler Santiago und Rember Yahuarcani bei der Eröffnung der Biennale in Venedig 2024 vor einem Werk von Santiago Yahuarcani.
Ein Gemälde voller Farben und organischer Formen, das an einen nächtlichen Wald erinnert, der mit leuchtenden Wesen und Formen durchzogen ist
Das Gemälde „Territorium der Großeltern“ macht die Ursprungsmythen der Huitoto sichtbar: eine fantastische und detailreiche Szenerie mit Blätter-, Blüten- und Tierwesen.
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