Demokratie, Bergbau und Sekten: Das bewegt uns Weltreporter im Jahr 2022
Vom Goldrausch in Rumänien über Sekten in Neuseeland bis zur nächsten Wahl in den USA – wir Auslandskorrespondent*innen bereiten uns auf das neue Jahr vor
Sie interessieren sich fürs Ausland und wollen mehr erfahren, als in den Schlagzeilen steht? Wir Weltreporterïnnen versorgen Sie mit Berichten und Reportagen von fünf Kontinenten. Sorgfältig recherchiert, informativ und immer wieder auch persönlich. Bei uns finden Sie Analysen ebenso wie den Blick hinter die Kulissen unserer journalistischen Arbeit. Wir sind ein Team von Auslandskorrespondentïnnen und für Sie auch in Regionen unterwegs, die in der Berichterstattung sonst oft zu kurz kommen…
Das zweite Corona-Jahr ist fast vorüber. Verstreut über den ganzen Globus haben wir Weltreporterïnnen dieses Jahr sehr unterschiedlich wahrgenommen. Und doch: Trotz Corona konnten wir auch 2021 viele Projekte verwirklichen. Wir haben unser gemeinsames Buch „Die Klimakämpfer“ herausgebracht, in dem wir Menschen vorstellen, die sich überall auf dem Globus gegen Raubbau, Lebensmittelverschwendung und Umweltzerstörung wehren – oft auf überraschende Weise. Thematisch passend haben wir in Weltreporter Live über den Alltag in anderen Regionen berichtet, in denen die Folgen der Klimakrise bereits zu spüren sind – und wie die Menschen vor Ort damit umgehen. Die Aufzeichnungen der interaktiven Online-Sendungen können Sie hier noch einmal ansehen. Vor allem aber haben wir jede Menge Ideen fürs nächste Jahr!
USA: Ein Jahr nach Trump ist vor Trump
Am 8. November sind in den USA Zwischenwahlen, und die Demokraten werden es schwer haben, ihre Mehrheiten im Kongress zu verteidigen: schlechte Umfragewerte für Präsident Biden, anhaltende Pandemie mit zunehmender Inflation und Lieferproblemen, ein nach wie vor gespaltenes Land. Donald Trump steuert unterdessen aus Florida weiter die republikanische Partei. Aus kalifornischer Sicht interessant ist, dass Devin Nunes, unerschütterlicher Trump-Fan aus Kalifornien, seinen Platz im Kongress aufgibt, um das neue Medienunternehmen des Ex-Präsidenten, TMTG, zu leiten. Und: Wird sich der Kongress vor den Wahlen auf einen Weg zur Staatsbürgerschaft für Einwanderer ohne Dokumente einigen? Wenn den entsprechenden Wahlversprechen keine Taten folgen, läuft die Partei der Demokraten Gefahr, einen wichtigen Teil ihrer Wählerschaft zu verlieren.
Rumänien: Gier nach Gold
In den rumänischen Karpaten haben schon die Römer Gold geschürft: In Rosia Montana lagern die größten Goldvorkommen Europas. Hier versorgten sich zu k.u.k.-Zeiten die Habsburger und später auch Nicolae Ceausescu. Die Schürfrechte liegen heute bei dem kanadischen Bergbau-Unternehmen Gabriel Resources, das seit Jahrzehnten versucht, das Gold ohne Rücksicht auf Mensch und Umwelt aus dem Berg zu holen. Das Unternehmen macht seit Jahrzehnten Druck auf die Bewohner, ihre Häuser zu verlassen, um Platz für den Tagebau zu machen. Viele gaben dem Druck nach, andere hielten Stand, organisierten Proteste im ganzen Land. Seitdem die Unesco Rosia Montana vor einigen Monaten in die Welterbe-Liste aufgenommen hat, scheint die Bedrohung durch industriellen Goldabbau erst einmal gebannt. Wie die Stimmung im gespaltenen und halb verlassenen Dorf ist, wird Weltreporter Alexander Musik im Frühjahr 2022 erkunden.
Tunesien: Rückkehr der Diktatur?
Dass sich an der Spitze des Staates etwas zusammenbraute, ließ sich angesichts der politischen Dauerkrise in Tunesien erahnen. Doch wie schnell Präsident Kais Saied autoritäre Tendenzen zeigte, nachdem er am 25. Juli die Macht übernommen hatte, überraschte trotzdem viele. Lange wollte sich der pensionierte Jura-Dozent nicht zur Zukunft des Landes äußern. Kurz vor Jahresende hat er dann doch noch seinen Plan bekannt gegeben: 2022 soll es in Tunesien Verfassungsreformen, ein Referendum und Parlamentswahlen am Ende des Jahres geben. Ob dies den Ausweg aus der politischen Krise darstellt oder nur die vermeintliche Legitimierung despotischer Anwandlungen, wird das kommende Jahr zeigen.
Neuseeland: Gegen Sekten und Verschwörungstheorien
Anke Richter, Weltreporterin in Christchurch, wird bis 2022 ein Buch über sexuellen Missbrauch in Sekten schreiben – ein Thema, das mit den Enthüllungen zu Go&Change auch in Deutschland gerade wieder an Aktualität gewinnt. Als ob das nicht schon genug starker Tobak wäre, engagiert sich die Wahl-Neuseeländerin in ihren freien Stunden als Aktivistin bei FACT (Fight Against Conspiracy Theories) gegen die Verbreitung von Verschwörungsmythen. Wer wissen will, was es mit ihrem Alter Ego „Frau Messerschmidt“ auf sich hat, oder ob die RAF eine Sex-Sekte war, sollte unbedingt in diesen spannenden Podcast reinhören.
Irak: Schiiten gegen Schiiten
Seitdem die Wahlergebnisse der Parlamentswahlen im Irak veröffentlicht sind, toben Machtkämpfe zwischen den irakischen und den iranischen Schiiten – also jenen, die von Teheran unterstützt werden, und jenen, die sich „Irak zuerst“ auf die Fahnen geschrieben haben. Im Bagdader Viertel Dschadria ist dies besonders gut zu beobachten. Dort ist das Hauptquartier der PMF, der iranischen Schiiten. Sie errichteten Zelte, sperrten die Hängebrücke über den Tigris und versuchten mehrere Male vergebens, die Grüne Zone mit den Regierungsgebäuden zu stürmen. Die noch amtierende Regierung will die Milizen auflösen, diese aber wehren sich und setzen auch Drohnen ein. Eine landete im November im Eingang des Hauses von Interimspremierminister Mustafa al-Khademi. Die Regierungsbildung im Irak gestaltet sich daher als äußerst schwierig – und das kann sich noch weit ins Jahr 2022 hinziehen.
Ostafrika: Zugang zu Krisengebieten wird überlebenswichtig
Viele Menschen im Berichtsgebiet von Weltreporterin Bettina Rühl blicken mit Sorge auf das kommende Jahr. Im Äthiopien wird seit mehr als einem Jahr gekämpft, die Vereinten Nationen berichten von „extremer Brutalität“ aller Konfliktparteien. Hunger wird als Waffe eingesetzt, die humanitäre Lage ist desaströs. Die Nachbarländer Somalia und Kenia sind von einer schweren Dürre betroffen, mehrere Regenzeiten sind ausgefallen. In vielen Regionen verendet bereits das Vieh. Nach einer massiven Heuschreckenplage und der Corona-Pandemie haben viele Menschen keinerlei wirtschaftliche Reserven mehr. Auch in Westafrika sind die Aussichten – zumindest für den Sahel – eher bedrückend. Zusätzlich ist die Region laut UNO inzwischen weltweit am stärksten vom islamistischen Terror betroffen. Um die Lage realistisch beurteilen und den Menschen vor Ort besser helfen zu können, wird es im kommenden Jahr besonders wichtig sein, unabhängigen Beobachtern besseren Zugang zu den Krisengebieten zu verschaffen.