Kämpfen statt aufgeben
Das neue Buch der Weltreporter porträtiert Klimakämpferinnen und Klimakämpfer aus der ganzen Welt. Ihr Credo: Es ist noch nicht zu spät, die Krise zu stoppen.
Die Warnungen zum Auftakt des Klimagipfels in Glasgow können einen Schaudern lassen. »Wir schaufeln unser eigenes Grab«, warnte UN-Generalsekretär António Guterres. Auf der Weltuntergangsuhr sei es »eine Minute vor zwölf«, menetekelte der britische Premier Boris Johnson. Und die Gründerin von »Fridays for Future«, Greta Thunberg, nannte den Klimagipfel schlicht ein »Greenwashing-Festival«, bei dem vor allem eines produziert werde: Viel Blabla. Wen wundert es da, wenn man der Klimadepression verfällt? Wenn man denkt: Handeln ist zwecklos, es ist ohnehin zu spät?
Trotzdem gibt es überall auf der Welt Menschen, die nicht aufgeben. Sie lamentieren nicht über drohende Gefahren. Sie warten nicht darauf, dass jemand anderes für sie aktiv wird. Sie lassen sich nicht lähmen aus Angst vor dem, was auf uns zukommt. Sondern sie kämpfen für das Klima, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln. Solche Klimakämpferinnen und Klimakämpfer sind jeden Tag aktiv, an unzähligen Orten überall auf der Erde. Ihnen sind wir, Weltreporterinnen und Weltreporter auf allen Kontinenten, nachgegangen, haben ihre Ideen kennengelernt und ihr Engagement bestaunt.
Manche sind, wie die belgische Aktivistin Anuna de Wever, gerade einmal zwanzig, andere, wie die kalifornische Gärtnerin Florence Nishida, über achtzig Jahre alt. Die einen sind studierte Ingenieure wie Stephan Wrage, der in Hamburg eine neue Art von Windkraftwerken erfunden hat, andere Kleinbauern ohne Schulbildung wie Seu Fiado aus Brasilien, der zum Baumschützer wurde, nachdem er Jahre lang den Wald zerstört hatte. Viele, nicht alle, haben den Kampf gegen die Klimakatastrophe inzwischen zu ihrem Beruf gemacht, aber zumindest angefangen haben fast alle in ihrer Freizeit, neben der Arbeit, dem Studium oder der Schule, zusätzlich zu Familie, Haushalt und Alltagsproblemen.
Die bunte Vielfalt im Kampf für den Erhalt unseres Weltklimas ist kein Zufall. Schließlich ist die Klimakrise auch deshalb so eine große Gefahr für die Menschheit, weil sie praktisch alle Bereiche des Lebens umfasst. Krieg und Krisen; Hunger, Armut und soziale Ungleichheit (national wie global); Gesundheit im Allgemeinen und das Überspringen neuer Seuchen aus dem Tierreich auf den Menschen im Speziellen: Das sind nur einige der Probleme, die ihren Ursprung im längst begonnenen Klimawandel haben und die die Klimakatastrophe noch radikal verschärfen wird. Vor einer künftig »unbewohnbaren Erde« warnt der Autor David Wallace-Wells.
Die Ursachen, die zur Erderwärmung führen, sind schon lange bekannt. Dennoch ist die wachsende Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre nicht wirklich ein historisches Erbe. Mehr als die Hälfte des wichtigsten Treibhausgases Kohlendioxid etwa ist in die Atmosphäre gelangt, nachdem die Vereinten Nationen 1992 den Erdgipfel von Rio ausrichteten, auf dem die Klimarahmenkonvention beschlossen wurde – die erste multilaterale Vereinbarung, mit deren Hilfe der Klimawandel gestoppt werden sollte. In ihrem Rahmen findet der Klimagipfel von Glasgow statt.
Um Furcht vor den Klimafolgen kommt man nicht umhin. Nur lähmen lassen darf man sich nicht.
Es ist also durchaus naheliegend, Angst vor der Klimakrise zu haben. Wer sich mit ihr beschäftigt, kommt vermutlich gar nicht umhin, sich vor ihren Folgen zu fürchten. Nur lähmen lassen darf man sich nicht. Greta Thunberg, formulierte das in einer Rede vor Politikerinnen und Wirtschaftsführern so: »Ich will, dass ihr Panik habt. Ich will, dass ihr die gleiche Angst spürt, die ich jeden Tag spüre. Und dann will ich, dass ihr handelt.« So machen es die Klimakämpferinnen und Klimakämpfer aus 25 Ländern, die wir in unserem Buch vorstellen.
Pablo López Alavez aus Mexiko sitzt im Gefängnis, weil er sich gegen die Abholzung seiner Heimat, der Sierra Norte im mexikanischen Bundesstaat Oaxaca, zur Wehr gesetzt hat. Dreißig Jahre soll er in Haft bleiben, wegen eines angeblichen Mords, für den es keine Beweise gibt – und den er nach seiner Aussage gar nicht begangen haben kann. In Mexiko leben Klimaschützerinnen und Klimaschützer generell gefährlich: 21 wurden alleine 2019 ermordet. Einschüchtern lassen López und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter dennoch nicht.
Mireia Barba aus Katalonien erntet auf den Feldern Obst und Gemüse, dass für Supermärkte als 'nicht ansehnlich genug' gilt. 7,7 Millionen Tonnen Lebensmittel landen alleine in Spanien deshalb jährlich im Müll. Ein Unding, findet Barba – und hat mittlerweile mehr als 2.000 Mitstreiterinnen und Mitstreiter zum kollektiven Ernten und Verwerten bewegt. Gemeinsam wollen sie der Verschwendung ein Ende machen und erreichen, dass die vorhandenen Ressourcen besser genutzt und verteilt werden – vor allem an die, die wenig haben.
Lincoln Wamae aus Kenia baut aus Schrott E-Bikes und elektrische Rollstühle, die Energie wird in recycelten Laptop-Batterien gespeichert. Damit behebt Wamae in seiner Heimat einen Mangel und zeigt Alternativen zu Verbrennerautos auf, die auch in Ostafrika die Luft verpesten und das Klima ruinieren. Was er für seine Fahrezugproduktion wissen muss, hat er sich selbst beigebracht. Sein Ziel ist es, die Produktion weiter auszubauen. Dann könnte er mehr Menschen beschäftigen und die Autoabgase mindern helfen.
Felix Keller aus der Schweiz will mit von ihm erfundenen Schneiseilen die Gletscher vor dem Schmelzen retten: Erst in der Schweiz, dann auch im Himalaya. Denn im indischen Ladakh werden schon jetzt Dörfer verlassen, weil die Gletscher und damit langsam abschmelzende Trinkwasserreservoirs verschwunden sind. Im Austausch bringt ein Erfinder aus Ladakh die von ihm entwickelten Eis-Stupas zur nachhaltigen Speicherung von Wasser für die Landwirtschaft ins Engadin: So helfen sich beide Seiten beim Klimaschutz gegenseitig.
Camilla van Deurs aus Dänemark hat früher den grünen Lebensstil ihrer Heimat in die Welt exportiert, Fahrrad-Programme für New York und Sydney entworfen. Jetzt will die Architektin Kopenhagen helfen, eine neue »Verkehrsrevolution« hinzukriegen – mit autofreien Wohnvierteln, noch mehr Fahrradbrücken übers Wasser und weniger Parkplätzen. So soll die Stadt die erste klimaneutrale Hauptstadt der Welt werden.
Was wir bei unseren Recherchen herausgefunden haben: Wer handelt, der wird trotz Angst nicht trübsinnig. Ganz im Gegenteil: Etwas gegen die Klimakatastrophe zu tun, kann Spaß, Freude und Erfüllung bringen. Und so sollen die von uns gesammelten Geschichten nicht zuletzt auch Hoffnung machen. Hoffnung, dass es sich lohnt, selbst aktiv zu werden und zumindest einen kleinen Teil zur Rettung des Klimas beizutragen. Schließlich haben wir weder in Papua-Neuguinea, der Schweiz oder Sibirien noch in Tasmanien, Jordanien oder Mosambik Superheldinnen kennengelernt, die über den Dingen stehen und mit dem normalen Leben nichts zu schaffen haben. Die Klimakämpferinnen und Klimakämpfer sind ganz normale Menschen. Es gibt also keine Ausrede, es ihnen nicht nachzumachen. Wenn wir jetzt noch die Welt retten wollen, dann sollten, dann müssen wir alle aktiv werden. Dazu haben wir Tipps von denen eingeholt, die es wissen müssen: den Klimakämpferinnen und Klimakämpfern.
Marc Engelhardt (Hg.): Die Klimakämpfer ist erschienen im Penguin Verlag. Das Paperback mit Klappenbroschur (336 Seiten) kostet 16 Euro.