Kleine Fische, große Wirkung: Wie Kleinfischer in Namibia zur Ernährungssicherheit beitragen können

Nicht nur Kleinbäuer*innen, auch Kleinfischer*innen spielen eine wichtige Rolle für Ernährungssicherheit und Armutsbekämpfung. Das wird in diesem Jahr erstmals weltweit gewürdigt: Mit dem Internationalen Jahr der artisanalen Fischerei und Aquakultur. Länder wie das südwestafrikanische Namibia wollen Kleinfischer*innen künftig stärker unterstützen. Das ist auch nötig.

vom Recherche-Kollektiv Afrika-Reporter:
10 Minuten
Man sieht Strand und Wellen, im Vordergrund ein Fischer, der einen Köder auf den Haken seiner Angel spießt, im Hintergrund ein weiterer Fischer

Linea Mwahafa kniet auf einem Strand an der namibischen Küste und gräbt mit bloßen Händen im nassen Sand. Sie sucht nach Muscheln, deren Fleisch sie später als Köder auf ihren Angelhaken spießt. Die Fischerei sei eine mühsame Arbeit, sagt sie. In einer guten Woche verdiene sie damit umgerechnet 32 Euro. „Aber in manchen Wochen verdiene ich gar nichts. Dann wird auch mal das Essen knapp. Alles hängt davon ab, wie viele Fische ich fange“, sagt die 48-Jährige. Sie hat drei Kinder und einen Mann, der nur Gelegenheitsjobs ergattern kann.

Noch vor Morgengrauen ist Mwahafa gemeinsam mit anderen Fischern aufgebrochen. Sie alle sind Subsistenz-Fischer, leben also von ihren Fängen. Mit einem Teil ernähren sie ihre Familien, den anderen verkaufen sie. Jetzt ist es Mittag und die Ausbeute gering.

Zwei Fischer stehen breitbeinig auf dem Strand und graben vornübergebeugt im nassen Sand nach Ködern
Die Fischer graben Muscheln als Köder aus
Man sieht die Hände der Kleinfischerin, vom Daumen blättert roter Nagellack ab. Sie bindet den Köder aus Muschelfleisch an  die Angelschnur
Mwahafa befestigt den Köder aus Muschelfleisch
Die Fischerin trägt eine rote Pudelmütze und schaut in ihre kleine Kühlbox, mit einer Hand hält sie ihre Angel
Fischerin Linea Mwahafa

Ein paar Meter weiter am Strand steht auch Samuel Johannes mit seiner Angel und wartet darauf, dass eine Schwarzbrasse oder ein anderer Fisch anbeißt, der an der zweitausend Kilometer langen namibischen Küste heimisch ist. Der alte Mann bezeichnet sich selbst als Veteran der Kleinfischer. Früher, als er noch jung und kräftig gewesen sei, hätte er noch „viele schöne Fische“ gefangen. „Jetzt werde ich alt und meine Einnahmen als Fischer reichen nicht mehr fürs Leben. Die Kosten für Haken und anderes Zubehör sind gestiegen und im Meer schwimmen weniger Fische als damals“, sagt er.

Den Klimawandel bekommen besonders die Kleinfischer zu spüren

Über die Gründe könne er nur spekulieren. Nach mehreren Dürrejahren habe es in Namibia zuletzt viel geregnet. Vielleicht, überlegt er laut, habe das eine Rolle gespielt: „Insgesamt hat sich das Wetter hier verändert, die Temperaturen sind gestiegen und auch das Wasser ist wärmer. Das ist wohl eine Folge des Klimawandels. Und die bekommen vor allem wir kleinen Fischer zu spüren.“ Denn Fische, deren Lebensraum früher in Küstennähe war, wandern nun in tiefere, kühlere Gewässer ab. Dorthin, wo die großen Fischereiflotten unterwegs sind.

Der Fischer steht neben Angel und Kühlbox am Strand, er trägt eine blaue Jacke und hat einen grauen Bart.
Samuel Johannes ist der Veteran unter den Kleinfischern

Die Fischerei und die verarbeitende Industrie zählen zu den wichtigsten Wirtschaftssektoren des südwestafrikanischen Landes. Sie tragen maßgeblich zum Bruttoinlandsprodukt bei, denn Fisch ist ein wichtiges Exportgut. Die Fischgründe Namibias gehören zu den reichsten weltweit. Doch von Wohlstand können Kleinfischer wie Mwahafa und Johannes nur träumen.

Die Fischerei ist ein Spiegel der Gesellschaft: Namibia gehört zu den Ländern der Welt mit einer besonders ausgeprägten sozialen Ungleichheit. Auf deutsche Kolonialherrschaft folgte südafrikanische Verwaltung nach dem Vorbild der Apartheid. Heute, über drei Jahrzehnte nach der politischen Unabhängigkeit sind Armut und Arbeitslosigkeit weiterhin verbreitet. In kleinen Küstenorten wie Henties Bay, in denen Mwahafa und Johannes leben, gibt es kaum Alternativen zum Fischfang.

Kleine teils bunte Häuschen stehen in einer Wüstenlandschaft, Strommasten ragen in den Himmel.
Siedlung in Henties Bay
Die beiden Männer stehen vor dem rot-blauen HAFA-Gebäude. Eine Hand in die Hüfte gestemmt.
Hermann /Honeb (rechts) und Claudius Ikera (links)
In einer Kühltruhe liegen in Plastik verpackte Fische
Im Laden wird der tiefgekühlte Fisch angeboten
Frisch gefangene Fische liegen neben einer Kühlbox auf der Ladeklappe eines Pickups.
Ein Teil des Fangs wird verkauft, der andere selbst gegessen
Mehrere Fischer stehen vor der offenen Ladefläche eines Pickups, holen ihre Angeln und Kühlboxen aus.
Am Nachmittag versuchen es die Kleinfischer an einer anderen Angelstelle
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