Archäologie: Niède Guidons Funde in der Serra da Capivara und das harte Ringen um Beweise

RiffReporterin Ulrike Prinz reist an einen Sehnsuchtsort ihres Ethnologie-Studiums – und stößt auf unglaubliche Geschichten der Frau, die die Behringstraßen-Theorie ins Wanken brachte und zur Heldin der Serra wurde.

vom Recherche-Kollektiv Südamerika+Reporterinnen:
20 Minuten
Stichfiguren und Tiere in verschiedenen Farben und Stilen überlagern sich auf einer Felswand.

Im Morgengrauen ist die Serra da Capivara ganz Vogelgesang. Er dringt in die Casa Barrerinho, ein Gästehaus nahe am Naturpark Serra da Capivara, wo ich abgestiegen bin, im trockenen und abgelegenen Bundesstaat Piauí. Mein Ziel sind die berühmten Felszeichnungen des Ortes. Die Fotos dieser Malereien hatten mich seit Beginn meines Studiums in ihren Bann gezogen. Ich bedruckte damals T-Shirts damit und hatte sogar eine Visitenkarte mit einer ihrer Strichfiguren. Endlich werde ich sie an ihrem Entstehungsort sehen.

Ein Streifen Straße, rote Erde, ein Zaun aus Stöcken und dahinter zieht sich die Dornbuschsteppe der Caatinga bis zu den Bergen im Hintergrund
Morgendlicher Blick aus der Casa Barrerinho, die sich einem nachhaltigen Tourismus verschrieben hat.
Eine rote Felsenwand mit einem enormen runden Loch in der Mitte erhebt sich hinter grünem Buschwerk
Das Wahrzeichen der Serra da Capivara ist die „Pedra Furada“, der durchlöchterte Felsen.
Ein braun gebrannter Mann mit einem verschmitzten Lächeln und einem T-Shirt mit Motiven der Felszeichnungen vor einer archäologischen Stätte
Antoniel Santana ist mein lokaler Führer. Er kennt die Serra wie seine Hosentasche und kann auch über die Forschungen von Niède Guidon Auskunft geben.
Auf rauer Kalksteinwand mit roten Strichen gemalt: ein fliehendes Reh mit Kitz und Embryo im Bauch
Diese Zeichnung eines fliehenden Rehs mit zwei Linien gemalt, hatte mich schon immer fasziniert.
Sandsteinwände, die wellenförmig geformt steil nach oben gehen und sich zu einer engen Höhle verengen.
Der „Toca do Inferno“ ist eine begehbare Höhle mit beeindruckenden Sandsteinformationen
Eine junge Frau mit schwarzen kurzen Locken und Jeans sitzt in der Hocke unterhalb eines Felsüberhangs
Die Mateiros-Führer, mit denen Guidon Wochen im Wald verbrachte, wussten nicht, ob sie es mit einer Frau zu tun hatten, denn Hosen und kurze Haare waren für Frauen ungewöhnlich.
Zwei Strichfiguren neigen sich zueinander und berühren sich offensichtlich mit den Köpfen. Es wird als der „erste Kuss“ bezeichnet
Die erste Darstellung eines Kusses am „Toca do Boqueirão da Pedra Furada“
In Einbuchtungen von Kalksteinfelsen sind mehrere Tiere und Jagszenen dargestellt
Zwei Jäger stürzen sich mit einem Fangnetz auf ihre Beute.
Rote Strichfiguren in bewegten Szenen mit Tieren
Bewegte Szenen von Jagd und Sex an den Felswänden der Serra da Capivara.
Auf der Felsenzeichnung hängt sich ein Strichmännchen an einen fliehenden Hirsch. Oberhalb sind männliche Figuren mit erigiertem Penis zu sehen.
Ein Jäger hängt sich an den Schweif eines Hirsches. Oberhalb sind männliche Figuren mit erigiertem Penis zu sehen.
Blick von oben auf das Bermassiv der Serra da Capivara, in dem weiße Felsen bizarr in den Himmel ragen
Die Serra da Capivara ist der Ort mit den meisten Felsenzeichnungen weltweit. Doch unter den bemalten Felsüberhängen wurde Holzkohle und Steinwerkzeuge von urzeitlichen Jägern gefunden, die vermutlich nicht über die Behringstraße gekommen waren.
Vor einer Leinwand auf der ausgestorbene Tiere vorüberziehen, sind die archäologischen Funde ihrer Stoßzähne und Überreste ausgestellt
Im Museum des Amerikanischen Menschen kann man die Reste der seit über 10.000 ausgestorbenen Megafauna betrachten.
eine Frau, die in einer Höhle sitzt [AI]
Die Franko-Brasilianerin Niède Guidon fand Ende der 1970er Jahre in der Serra da Capivara Beweise, dass die ersten Siedler nicht über die Beringstraße, sondern auf anderen Wegen nach Amerika einwanderten. Das archäologische Establishment verlachte sie – doch inzwischen geben ihr immer mehr Belege recht. In der Serra da Capivara wird sie als Heldin verehrt.
Ein Mann hockt vor einer Sedimentschicht, aus der er einen Stein isoliert.
Die Funde von Niède Guidon überraschen sogar sie selbst. Sie feuert ihre Leute an, weiterzuforschen und zu arbeiten.
Auf einem Arbeitstisch liegt eine Vitrine mit Steinkeilen dahinter Regale mit Kisten
In Vitrinen und geordnet in Kisten und Regalen liegen hier die Zeugen einer längst vergangenen Zeit. Der Streit um ihre Relevanz dauert bis heute an.
Eine steile Felswand mit Holzstegen unterhalb zur Betrachtung der Felszeichnungen und unterhalb die Grabungen
Unterhalb der steil aufsteigenden Felswände der Serra da Capivara machte Niède Guidon vermutlich die Entdeckung des Jahrhunderts: Feuerstellen und Steinwerkzeuge, die weit älter waren, als es die bis dahin gültige Behring-Straßen-Theorie hergeben würde.
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