„Pandora Papers“ und die geheimen Geschäfte der Präsidenten in Lateinamerika
Auf keinem Kontinent sind so viele hochrangige Politikerïnnen in den Dokumenten zu Steuerbetrug gelistet. In Chile, Ecuador und der Dominikanischen Republik sind sie immer noch an der Macht.
35 ehemalige und amtierende Staats- und Regierungschefs und ihre fragwürdigen Geschäfte tauchen in den „Pandora Papers“ auf. 14 von ihnen kommen aus Lateinamerika, der Region mit der größten sozialen Ungleichheit der Welt. Und drei von ihnen sind immer noch an der Macht.
Geldwäsche, Steuerhinterziehung, Korruption – das sind einige der Straftaten, in die möglicherweise die Eigentümerïnnen von mehr als 27.000 Offshore-Firmen verwickelt sind, die in den „Pandora Papers“ auftauchen. In den fast 12 Millionen Dokumenten befinden sich die Namen von Milliardärïnnen, Oligarchïnnen, Prominenten, Politikerïnnen – und auch von ehemaligen und aktuellen Staats- und Regierungschefs.
In Lateinamerika sind gleich drei amtierende Präsidenten betroffen: der chilenische Präsident Sebastián Piñera, der ecuadorianische Präsident Guillermo Lasso und der Präsident der Dominikanischen Republik Luis Abinader. Was sie alle gemeinsam haben: Sie sind Unternehmer, Milliardäre und Männer.
„Die große Ungleichheit in Lateinamerika hat dazu geführt, dass es kaum demokratische Kontrolle der wirtschaftlichen Macht gibt“, sagt Claudia Heiss, Politikwissenschaftlerin der Universidad de Chile. „Das erzeugt eine gefährliche Verbindung zwischen Wirtschaft und Politik.“
Chile: Milliardär an der Macht
Der chilenische Präsident Sebastián Piñera gehört mit 2,7 Milliarden Dollar Vermögen zu den fünf reichsten Chilenïnnen und zu den reichsten aktiven Politikerïnnen der Welt. Bis heute verfolgt ihn der Vorwurf des Bankbetrugs aus seiner Zeit als Geschäftsführer der Bank von Talca, weshalb 1982 ein Haftbefehl gegen ihn erlassen wurde und er für zwei Wochen untertauchte.
Nach seinem Freispruch wurde er Geschäftsführer der Bank Citicorp und anschließend mit dem Unternehmen Bancard S.A. und der Vermarktung von Kreditkarten reich. Zwischenzeitlich zählten auch eine Fluggesellschaft, ein Fernsehsender und ein Fußballverein zu seinem Besitz.
Für die „Pandora Papers“ werteten mehr als 600 Journalistïnnen aus 117 Ländern in einer gemeinsamen Recherche fast 12 Millionen Dokumente aus. Die Daten wurde dem Internationalen Konsortium für Investigative Journalistinnen und Journalisten (ICIJ) von einer anonymen Quelle zugespielt. In Chile deckten Journalistïnnen der Medien CIPER und LaBot Off-Shore Geschäfte des Präsidenten im Zusammenhang mit dem umstrittenen Bergbau-Projekt „Minera Dominga“ auf.
Profit statt Pinguine
Zu Beginn seiner ersten Amtszeit 2010 war Piñera Hauptaktionär des Projekts. Im Dezember 2010 verkaufte er seine Aktien an seinen Schulfreund Carlos Alberto Délano für 152 Millionen US-Dollar. Die Zahlung von 14 Millionen US-Dollar wurde in Chile unterschrieben, die Zahlung der restlichen 138 Millionen wurde auf den Britischen Jungferninseln abgewickelt, einer Steueroase in der Karibik. Der Betrag sollte in drei Raten bezahlt werden. Die letzte Ratenzahlung war an die Bedingung geknüpft, dass keine Umweltregulierungen die Durchführung des Projekts behindert sollten.
Umweltorganisationen fordern bereits seit 2004, die Region rund um die Gemeinde La Higuera, in der die Eisen- und Kupfermine errichtet werden soll, als Naturschutzgebiet zu erklären. Denn sie gilt als einer der 35 Biodiversitäts-Hotspots der Welt: Wale, Delfine und Pinguine sind dort zu Hause. Die Küstenregion, wo ein eigener Hafen für den Export der Bergbauprodukte gebaut werden soll, ist Brutgebiet für rund 80 Prozent der weltweiten Population der vom Aussterben bedrohten Humboldt-Pinguine.
Die Regierung von Piñera ignorierte die Umweltschützerïnnen. Die letzte Rate wurde bezahlt und im August diesen Jahres gab die staatliche Umweltbehörde grünes Licht für das Bergbauprojekt. Der Präsident bestreitet einen Interessenkonflikt und sagt, er habe von dem Verkauf seiner Aktien nichts gewusst. Oppositionspolitikerïnnen wollen ein Amtsenthebungsverfahren einleiten.
Ecuador: Ex-Banker soll in Steuerparadies spekuliert haben
Ein weiterer Milliardär, der ein Präsidentenamt innehat, ist Guillermo Lasso, ehemaliger Banker und seit Mai diesen Jahres Staatsoberhaupt von Ecuador. Dort untersuchte das Medium El Universo die Dokumente der „Pandora Papers“. Der Recherche zufolge war Lasso im Besitz von 14 Offshore-Firmen, der Großteil davon in Panama.
Er war unter anderem Kunde von Trident Trust, einem Schweizer Unternehmen, das weltweit Offshore-Unternehmen verwaltet. Lasso überschrieb seine Aktien zwar 2017 an Treuhandfonds in den USA, aber unklar ist, wer die Begünstigten dieser Fonds sind.
Auch Lasso streitet die Vorwürfe des Steuerbetrugs ab und beteuert, im Rahmen des ecuadorianischen Rechts gehandelt zu haben. In Ecuador gilt seit 2017 ein von Ex-Präsident Rafael Correa angestoßenes Gesetz, das Politikerïnnen den Besitz von Unternehmen in Steuerparadiesen verbietet. Wer dagegen verstößt, dem drohen Sanktionen.
Dominikanische Republik: Kampf gegen Korruption?
Auch Luis Abinader, seit August 2020 Präsident der Dominikanischen Republik, ist Unternehmer und war bis zu seinem Amtsantritt Geschäftsführer der von seinem Vater gegründeten Abicor Gruppe. Zu dieser gehören eine Universität, eine Zementfabrik und mehrere Hotels. In den „Pandora Papers“ tauchen Luis Abinader, einer seiner Brüder und eine Schwester als Eigentümer von zwei Offshore-Firmen in Panama auf. Der Besitz von Offshore-Firmen ist zwar nicht illegal, aber häufig dienen sie der Geldwäsche und der Steuerhinterziehung. Abinader war mit dem Wahlversprechen angetreten, Korruption zu bekämpfen.
Neben den drei amtierenden Präsidenten tauchen elf ehemalige lateinamerikanische Regierungschefs in den „Pandora Papers“ mit Offshore-Unternehmen in Steueroasen auf: Pablo Kuczynski aus Peru, Porfirio Lobo aus Honduras, Horacio Cartes aus Paraguay, Juan Carlos Varela, Ricardo Martinelli und Ernesto Pérez Balladares aus Panama sowie César Gaviria und Andrés Pastrana aus Kolumbien. Dort stehen insgesamt 588 Namen auf der Liste der potenziellen Steueroasen-Nutzerïnnen – darunter der Chef der Steuerbehörde DIAN.