Venezuela: Wie eine Genossenschaft mitten in der Krise zehntausende Menschen satt bekommt

Der Genossenschaftsverband Cecosesola versorgt die Menschen in Venezuelas viertgrößte Stadt Barquisimeto mit erschwinglichen Lebensmitteln. Dafür hat er den „alternativen Nobelpreis“ der Right Livelihood Foundation erhalten. Im Interview erklärt Genossenschaftspionierin Teresa Correa das Erfolgsgeheimnis.

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Frau, 70 Jahre alt, kurzes graues Haar, Brille, kurzärmliges orangene Bluse, sitzt an einem Tisch und spricht.

Wer noch mit Religionsunterricht groß geworden ist, mag sich an die Bibelstelle von der Armenspeisung erinnern: Jesus nimmt fünf Brote und zwei Fische, die sich auf wundersame Weise vermehren, bis Tausende von Menschen gesättigt sind.

Eine moderne Version dieser Parabel findet sich ausgerechnet im krisengeschüttelten, verelendeten Venezuela. In Barquisimeto, der viertgrößten Stadt Venezuelas, versorgt der selbstverwalteter Genossenschaftsverband Cecosesola ein gutes Viertel der fast 1 Million Einwohnerïnnen mit billigen Lebensmitteln. Zu Cecosesola gehören mehrere Großmärkte, Gesundheitszentren, Kreditinstitute und ein Bestattungsunternehmen. 50 Organisationen und 23.000 Menschen sind in Cecosesola zusammengeschlossen.

Bereits morgens um 7 Uhr stehen Menschen mit großen Taschen Schlange, um Einlass in die Markthalle zu erlangen. Die hat den Charme einer Maschinenhalle; hier gibt es keinen überflüssigen Schnickschnack. Die einzigen Farben sind die roten Paprikaschoten, giftgrünen Chayotes, lila Auberginen und dunkelgelben Papayas, die auf ausladenden Holztischen in ihrer ganzen Frische leuchten. Aus einem alten Lautsprecher schnarrt eine Stimme die Angebote des Tages. Danach erzählt eine Frau, worauf man bei der Impfung von Kindern achten muss.

Die Kundïnnen füllen ihre mitgebrachten Säcke an den Gemüse- und Früchte-Wühltischen. Auf der anderen Seite der Halle kann man Bohnen, Reis, Zucker und das in Venezuela unentbehrliche Maismehl für die Arepas (Maisküchlein) und anderes Abgepacktes kaufen. An der Kasse wird die Einkaufstasche gewogen, der Preis – ein Einheitspreis für Gemüse – errechnet und beglichen.

Maschinenhalle mit einem grossen Stand voller grüner Chili-Schoten. Zwei Frauen mit Covid-Mundschutz suchen Ware aus.
Die Markthalle von Cecosesola ist im armen Ostteil der Stadt Barquisimeto. Hier kaufen vor allem Menschen mit geringem Einkommen.

Mehr als eine Genossenschaft

Cecosesola gibt es seit 55 Jahren. Das ist an sich noch nichts Besonderes. Auch in anderen Ländern gibt es erfolgreiche Genossenschaften, die seit Jahren überdauern, wie die Migros-Supermärkte in der Schweiz oder die Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland.

Doch Cecosesola ist viel mehr als eine geschäftlich erfolgreiche Genossenschaft: Alle mitarbeitenden Genossenschafter:innen erhalten einen Einheitslohn und rotieren in ihren Aufgaben. Entscheidungen werden gemeinschaftlich gefällt.

Hildegard Willer hat die Genossenschaft in Barquisimeto besucht und mit einer ihrer Pionierinnen geredet.

Teresa Correa ist 70 Jahre alt, fünffache Mutter und mehrfache Großmutter. Sie ist gelernte Journalistin, hat aber, wie alle bei Cecosesola, auch an der Kasse gestanden, Lebensmittel angenommen, gekocht oder Gäste empfangen. Bis heute ist sie aktiv in der täglichen Radiosendung des Genossenschaftsverbandes.

70-jährige Frau mit kurzen grauen Haaren, orangener Bluse, Kopfhörer vor einem PC sitzend, lacht in die Kamera.
Teresa Correa, 70, ist eine der ersten Genossenschafterinnen von Cecosesola. Sie hat fünf Kinder großgezogen, daneben in Cecosesola gearbeitet und erst spät studiert. Ihr Studium als Journalistin hat sie gleichzeitig mit dem Studium ihrer jüngsten Tochter abgeschlossen. Heute ist sie vor allem im Radioprogramm von Cecosesola aktiv.
Markthalle mit Gemüseständen. Ein rund 70-jähriger Mann mit Cowboy-Hut und gelbem T-Shirt hält einen Weisskohl in der Hand und blickt in die Kamera.
Manuel Gonzalez aus Trujillo baut mit seiner Familie auf 2 Hektar Gemüse an und beliefert damit den Lebensmittelmarkt von Cecosesola in Barquisimeto. Gonzalez ist seit 32 Jahren Genossenschafter. Die Genossenschaft, so sagt er, sei keine Maschine, um Geld zu machen, sondern um menschlich zu wachsen. „Bei uns gilt: 'wir sind', nicht 'ich bin'. Hier geht es nicht um Politik oder Religion, sondern wir sind, wer wir sind.“
Hagere Frau mit zurückgekämmten grauen Haaren, Mundschutz, olivgrünem T-Shirt, in der einen Hand ein paar Maracuyas, in der anderen Hand ein Bündel Lauchzwiebeln.
Elsabe Sanchez kauft seit Jahrzehnten ihre Lebensmittel bei Cecosesola. „Ich bin Hausfrau, bekomme eine kleine staatliche Rente von ein paar Dollar. Das reicht vorne und hinten nicht. Deswegen sind wir alle schlecht ernährt. Hier in Cecosesola bekomme ich für mein Geld etwas mehr, Gott sei Dank.“
Markthalle mit Ständen, an denen Menschen Ware prüfen, bevor sie sie kaufen. Im Vordergrund auf dem Boden Säcke mit Karotten, Weisskohl und Bündel mit Lauch
Die Markthallen des Genossenschaftsverbandes Cecosesola in Barquisimeto,
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