Pionier der deutschen Amazonasforschung und Sammler: Zum 100. Todestag von Theodor Koch-Grünberg

Sein Traum, die Quellen des Orinoco zu entdecken, ging nicht in Erfüllung. Doch die Indigenen in Amazonien beobachtete und beschrieb er so mitreißend wie niemand vor ihm. Dank moderner Technik macht der avantgardistische Forscher bis heute ihr Leben lebendig. Auch wenn er manchmal unlautere Tricks anwendete.

vom Recherche-Kollektiv Südamerika+Reporterinnen:
13 Minuten
Vor einem Großhaus haben sich mehrere Indigene aufgebaut, einer steht hinter einem großen Bausmstamm, der als Trommel dient.

„Auskunft Expedition Koch erbeten“ – so fahndet am 31. Januar 1913 das Königliche Museum für Völkerkunde in Berlin per Telegramm an das Deutsche Konsulat in Manaus nach dem vermissten Forscher. Seit fast einem Jahr ist man ohne Nachrichten über den Verbleib von Theodor Koch-Grünberg.

Nicht nur seine Familie, sondern auch seine Auftraggeber machen sich Sorgen. In seinem letzten Brief hatte der Ethnologe angekündigt, dass er mit einem deutschen und mehreren indigenen Begleitern den Rio Uraricuera flussaufwärts fahren werde. Er will die Orinoco-Quellen entdecken.

Die Antwort aus Brasilien kam postwendend: „Keinerlei Nachricht.“

Ein Pfarrerssohn träumt von Südamerika

Als Theodor Koch am 9. April 1872 im verschlafenen hessischen Grünberg in einer evangelischen Pfarrersfamilie zur Welt kam, ahnte keiner, dass er ein Vorreiter der ethnologischen Feldforschung werden würde. Den Ortsnamen macht er zu seinem zweiten Nachnamen. An den Universitäten in Gießen und Tübingen studiert er Latein, Altgriechisch, Deutsch und Geschichte. Er wollte Lehrer werden.

Doch mehr als für die alten Sprachen interessiert er sich für die lebendigen Kulturen Südamerikas. Zahlreiche Berichte über diesen Kontinent hatte er verschlungen. Auch den von Carl Friedrich Philipp Martius, der zwischen 1817 und 1820 Brasilien im Auftrag des bayerischen Königs Maximilian I. Joseph bereist hatte.

Auf einem sandigen Platz steht ein Großhaus, mit Palmblättern gedeckt. Diese Malokas sind bis zu 30 Meter breit.
Ein Großhaus der Cubeo-Indigenen, eine sog. Maloka, während Koch-Grünbergs ersten eigenen Expedition zum oberen Rio Negro (Brasilien/Kolumbien, 1903–1905). In diesen Großhäusern kommt die ganze Familiie unter. Sie dienen auch als Ort für Rituale. Archiv Linden-Museum Stuttgart.
eine Gruppe von Menschen in traditioneller Kleidung, die Instrumente spielt.
Theodor Koch-Grünberg benutze die damals neueste Technik, um möglichst genau über das Leben der Indigenen berichten zu können. Hier zeigt er den Umzug der Maskentänzer am Rio Aiary, Kolumbien. Museum Fünf Kontinente, Sammlung Fotografie
An einer Schnur sind die getrockneten Schalen der Pequi-Frucht aufgefädelt.
Der Forscher interessierte sich für Kunst- und Alltagsgegenstände und bezahlte meist zur Zufriedenheit der Indigenen. Die Schnurrassel, die um das Fußgelenk getragen wird und den Takt zum Tanz vorgibt, befindet sich in der ethnologischen Sammlung des Museums Natur und Mensch, Freiburg.
Ein bärtiger Mann mit Flinte umringt von Indigenen, die mit Blasrohren und Pfeil und Bogen posieren.
Auf seiner Expedition ins kolumbianisch-brasilianische Grenzgebiet setzte Koch-Grünberg auf einen kleinen Trupp, bestehend aus einem deutschstämmigen brasilianischen Begleiter und vor allem auf seine indigenen Begleiter. Hier mit seiner Makúna-Mannschaft am unteren Apaporis-Fluss. Ethnographische Sammlung der Marburger Philipps-Universität
Zeichnungen der verschiedenen Pfeile und Bogen
Zeichnung der verschiedenen Pfeilsorten und Bögen der Pemón-Indigenen, die Koch-Grünberg Arekuna und Taulipang nannte.
Der Forscher sitzt zwischen seinen Reisekisten, dahinter sind die Hängematten gespannt.
„Unser Lager am Katarakt Arukaima, Rio Uraricuera“ auf dem Weg zu den Quellen des Orinokos. Museum Fünf Kontinente, Sammlung Fotografie.
Ein Kanu mit einem Indigenenan einer Flussschleife, im Hintergrund der Forscher
Die Reise den Uraricuera-Fluss hinauf wird immer schwerer werden. Später sollten die indigenen Begleiter die Kanus teils über ausgetrocknete Flussbette ziehen, die mehr Steine als Wasser führten. Museum Fünf Kontinente, Sammlung Fotografie.
Ein europäischer Mann sitzt mit gebeugtem Kopf, während seine Haare von einem Indigenen nach Läusen durchforstet werden.
Stereo-Fotografie: Auf seiner Reise vom Roraima zum Orinoko war Koch-Grünberg mit der neusten Technik ausgerüstet. Hier sieht man, wie der Forscher von seiner ersten Laus befreit wird. Museum Fünf Kontinente, Sammlung Fotografie.
Indigener nur mit Lendenschurz bekleidet, sitzt beim Herstellen eines Pfeiles auf dem Boden.
Koch-Grünberg dokumentierte das Leben der Indigenen. Wie seine Tagebuchaufzeichnungen zeigen, blendete er dabei die bereits sichtbaren westlichen Einflüsse aus. Museum Fünf Kontinente, Sammlung Fotografie.
Strichzeichnungen zeigen die fremden Menschen, eingerahmt vom Umriss eines Großhauses
Der Forscher sammelte indigene Zeichnungen, die er als „Anfänge der Kunst im Urwald“ bezeichnete und 1905 herausgab. Hier sieht man in der Mitte eine Hausfront mit Leuten, links oben Otto Schmidt, den Begleiter des Forschers und rechts Theodor Koch-Grünberg.
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