Überschwemmungen, Dürren, Verschwendung – der globale Wasser-Überblick
Unser wichtigster Rohstoff wird immer knapper, auf der ganzen Welt kämpfen die Menschen mit Wasserproblemen. Neun Beispiele aus vier Kontinenten.
Wasser ist unser wichtigster Rohstoff. Wir trinken es, wir bewässern unsere Felder damit und wir nutzen es, um Energie zu gewinnen. Doch die scheinbar unerschöpfliche Ressource wird immer knapper: Laut Vereinten Nationen haben mehr als zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Mehr als 40 Prozent der Erdbevölkerung leben in Regionen, in denen mindestens einen Monat im Jahr Wassermangel herrscht, mehr als die Hälfte hat keinen Zugang zu sauberen Toiletten. Ein globaler Wasser-Überblick des Netzwerks Weltreporter.
Dürre am Horn von Afrika: Nur ein paar Tropfen am Tag
In Kenia, Somalia und Äthiopien stellt man sich derzeit nicht die Frage, ob das Trinkwasser sauber ist – sondern, ob es überhaupt Wasser gibt. Viele Gebiete am Horn von Afrika durchleiden die schlimmste Dürre seit vier Jahrzehnten. Der Wassermangel führt zu Hunger, laut den Vereinten Nationen wissen 22 Millionen Menschen in den betroffenen Gebieten nicht, woher ihre nächste Mahlzeit kommen soll. Mehr als fünf Millionen Kinder unter fünf Jahren sind unter- oder mangelernährt. Denn die meisten Menschen in der Region leben von Viehzucht. Die Tiere ersetzen ein Bankkonto, sind die Lebensversicherung der Halbnomaden. Wegen der schweren Trockenheit sind schon zehntausende Ziege, Schafe, Rinder und Kamele verendet. Deren Besitzer stehen nun vor dem Nichts – und können sich glücklich preisen, wenn sie für sich und ihre Familien Tag für Tag genug Wasser finden.
Wassermangel in Peking: Strafe bei Verschwendung
Am 1. März ist in Peking ein neues Gesetz zur Regulierung von Wasser in Kraft getreten –inklusive Strafen für die Verschwendung der kostbaren Ressource. Die Maßnahme war längst überfällig: Die chinesische Hauptstadt gehört zu den trockensten Metropolen der Welt. Niederschlag fällt fast ausschließlich in den Sommermonaten, und das zu wenig. Der Grundwasserpegel in der Region ist auf ein bedrohliches Niveau abgesunken. Längst muss ein Großteil des Leitungswassers aufwendig aus dem humiden Süden des Landes in Pipelines durch mehrere Provinzen transportiert werden. Nachhaltig ist das natürlich nicht. Doch den meisten Bewohnerïnnen fehlt weiterhin das Problembewusstsein. Ende Februar schickte die Stadtregierung eine Warn-SMS: „Peking ist eine Stadt mit ernsthafter Wasserknappheit. Jeder von uns hat die Pflicht, Wasser zu sparen. Bitte schätzen Sie jeden Tropfen Wasser.“
Kalifornien: Landwirtschaft geht vor
Der US-Bundesstaat Kalifornien erlebte in den vergangenen drei Monaten die heftigsten Regenfälle seit Menschengedenken. Aber trotzdem herrscht in weiten Teilen des Staates noch eine „schwere Dürre“ (siehe Karte). Zwar sind die Stauseen im Moment einigermaßen gut gefüllt, doch in den tiefer gelegenen Teilen des Staates fließt das Wasser zum großen Teil ungenutzt ins Meer. Dabei könnten die Wassermassen dazu beitragen, den Grundwasserspiegel ein wenig zu erhöhen, der aufgrund der extensiven Landwirtschaft dramatisch gesunken ist. Während die Bauern noch immer fast ungehindert Wasser aus der Tiefe hochpumpen dürfen, verhindern komplizierte Gesetze die Entnahme aus den Flüssen. Die Wasserbehörde bewilligte ein paar Ausnahmegenehmigungen – doch sie stellte sie erst aus, als die Wassermassen bereits abgeflossen waren.
Wasserturm Lesotho: Exporte auf Kosten der Einwohner
Südafrika ist für seine Wasserversorgung auf das kleine Königreich Lesotho angewiesen. In den Bergen des Landes entspringen Flüsse wie der Orange-Senqu, auf den die ganze Region angewiesen ist. Seit Jahrzehnten wird Wasser aus mehreren Stauseen von Lesotho ins Wirtschaftszentrum Johannesburg geleitet. Neue Staudammprojekte sind im Bau, um auch das trockene Botswana mit Trinkwasser zu versorgen. Doch diese Exporte gingen auf Kosten der eigenen Bevölkerung, kritisieren zivilgesellschaftliche Organisationen in Lesotho. Denn dort haben längst nicht alle Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Zudem müssen Einwohnerïnnen für den Bau der großen Talsperren umgesiedelt und entschädigt werden. Und auch die Auswirkungen des Klimawandels sind in Lesotho bereits spürbar.
Südamerika: Streit um wasserintensiven Lithium-Abbau
Die weltweit größten Lithiumreserven liegen in Salzseen im Dreieck Bolivien, Argentinien und Chile. Zur Gewinnung wird Salzlake hochgepumpt, dabei verdunsten die Wasseranteile in offenen Becken. Ein klimaneutraler Abbau mit Hilfe von Sonnenenergie, behaupten die Unternehmen. Es fehle an unabhängigen Studien, entgegnen Kritikerïnnen, E-Mobilität sei nicht grün. Das Abpumpen der Salzlake könnte den Grundwasserpegel beeinflussen, für eine durchschnittliche Autobatterie verdunsteten bis zu 20.000 Liter Wasser. In Chile steht auch der Staat in der Kritik: Dieser kontrolliere nicht genug, Grenzwerte seien zu lasch. Ingenieurin Ingrid Garcés von der Universität Antofagasta gibt Umweltschützerïnnen Recht: „Oft wird gesagt: Der CO2-Abdruck beim Lithiumabbau ist gering, das ist gut gegen den Klimawandel. Aber: was ist mit dem Wasserverbrauch?“
Großbritannien: Verschwendung von Trinkwasser
Während der Hitzewelle im vergangenen Sommer trendeten Videos in den sozialen Medien, die zeigen, wie Wasserkonzerne die Strände an der englischen Küste verschmutzen: Weil ihre Auffangbecken voll sind, spülen sie tonnenweise ungereinigtes Abwasser ins Meer. Nirgendwo in Europa sind die Badegewässer so schmutzig wie hier. Austernfischer in Kent müssen ganze Ladungen ihres Fangs wegwerfen, weil die Muscheln vergiftet sind. Dafür wird nicht zuletzt das privatisierte englische Wassersystem verantwortlich gemacht. Während die Konzerne die Umwelt verschmutzen und Unmengen von Trinkwasser verschwenden, berechnen sie den Verbraucherïnnen hohe Preise und schreiben satte Profite. Kaum verwunderlich, dass eine große Mehrheit der britischen Bevölkerung eine Wiederverstaatlichung des Wasserversorgungssystems begrüßen würde.
Mosambik: Überschwemmungen verseuchen Brunnen
Mindestens 160.000 Menschen leiden in Mosambik unter den Folgen des Tropensturms „Freddy“. Die Überschwemmungen bringen Latrinen zum Überlaufen und verseuchen die Brunnen. Die Folge ist ein Cholera-Ausbruch. Chris Ball, Experte der Diakonie-Katastrophenhilfe, fordert, dass mehr in die Vorsorge investiert wird. Der Klimawandel lasse die Zahl der extremen Wetterereignisse steigen. Umso wichtiger sei es, den Gemeinden präventiv Produkte zur Trinkwasseraufbereitung zur Verfügung zu stellen. Wegen des Erdbebens in der Türkei und in Syrien drang die Katastrophe im südöstlichen Afrika medial kaum bis Europa durch. Weltreporter Stefan Ehlert hat recherchiert und stieß in Jangoma (Provinz Inhambane) auf Distriktverwalter José Jeremias, der dringend um Zuschüsse für neues Saatgut bietet.
Aus den Alpen nach Wien: Frisches Wasser ohne Pumpe
Auf ihr Wasser sind die Wiener stolz – zu Recht: Es ist wohlschmeckend und rinnt auch im Sommer reichlich und erfrischend kühl aus der Leitung. Das Wiener Trinkwasser stammt aus den bis zu 150 Kilometer entfernten Wiener Alpen südlich der Stadt. Zwei Hochquellenleitungen versorgen die österreichische Hauptstadt mit bis zu 437 Millionen Litern Wasser täglich. Das Wasser findet seinen Weg ohne eine einzige Pumpe, allein über das natürliche Gefälle aus den Bergen ins Wiener Becken. Dabei wird sogar noch Strom aus der Wasserkraft erzeugt. In einer so privilegierte Situation sind allerdings nicht alle Landesteile. Versiegelung, intensive Landwirtschaft und mangelnder Niederschlag sorgen dafür, dass auch in Österreich der Verteilungskampf ums Grundwasser härter wird.
Tunesien: Jedes Jahr ein neuer Negativrekord
Viel schlimmer kann es eigentlich nicht kommen, sagten sich die Menschen in Tunesien in den letzten Jahren jeden Sommer. Doch 2023 kündigt sich eine Wasserkrise an, die noch verheerender zu werden droht als die der letzten Jahre, als in ganz Nordafrika das Trinkwasser knapp wurde. Jetzt, zum Ende des eigentlich regenreichen Winters, sind die Stauseen nicht einmal zu einem Drittel gefüllt. Tunesien zählt zu den 25 Ländern der Welt mit den geringsten Trinkwasservorkommen pro Kopf. Um die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, hatte die Regierung in den vergangenen Jahren das Wasser für die Landwirtschaft rationiert. Das führte zu Ernteeinbußen. Angesichts der sowieso schon angespannten Versorgungslage könnte es in diesem Jahr dramatische Folgen geben.