Ostern, Pessachfest, Ramadan – Wie die Welt in diesem Jahr die großen religiösen Feste feiert
In Polen feiern Familien mit ukrainischen Flüchtlingen. In Indonesien ist diese Zeit ein Fest der Sinne. In Mexiko treffen christliche Traditionen auf Rituale aus Zeiten vor Ankunft der Eroberer. In diesem Jahr sind die Feste überall auf der Welt auch vom Ukraine-Krieg geprägt.
In Kalifornien zum Beispiel feiern tausende Asylsuchende aus Afghanistan und der Ukraine zum ersten Mal an der US-Westküste. Die, die in Los Angeles Zuflucht gefunden haben, wundern sich dabei vermutlich so wie ich mich kurz nach meiner Ankunft hier über eine ganz eigene Ostersonntags-Tradition: die der offiziellen Tiersegnung durch den jeweils amtierenden Erzbischof. Menschen aus der ganzen Region bringen dafür ihre festlich bunt geschmückten Hunde, Katzen, Esel, Schlangen, Fische, Stachelschweine und alle möglichen anderen Tiere nach Olvera Street, dem ältesten Stadtteil von L.A.. Dort kann dieses Jahr – nach zwei Jahren Corona Pause – endlich wieder diese einzigartige Prozession stattfinden.
Polen – ein Butterlamm und Gastfreundschaft
In Polen, wo viele der 2,5 Millionen ukrainische Flüchtlinge bei Gastfamilien untergekommen sind, ist es völlig undenkbar, diese nicht zum Osterfest einzuladen, erzählt Weltreporter Paul Flückiger aus Warschau. Die Ukrainer feiern Ostern allerdings gemäß dem orthodoxen und griechisch-katholischen Kirchenkalender und in diesem Jahr ist das eine Woche später als die Polen feiern. Also gibt es 2022 in hunderttausenden Familien eben zwei Osterfeste. Am polnischen Ostersonntag, dem 17. April, steht das in Polen traditionelle aus Butter geformte Lamm auf dem Festtags-Tisch. Anschließend wird für den ukrainischen Feiertag eine Woche später das süßliche Brot ‚Paschka‘ gebacken. Beide Länder segnen am Ostersamstag einen Speisekorb und vielleicht wird ja die ukrainische Gründonnerstag-Tradition des Badens in eiskaltem Wasser eine neue grenzübergreifende Feier.
Jerusalem – Terroranschläge, Flüchtlinge und das Heilige Feuer
In Jerusalem, wo Gläubige aller großen monotheistischen Religionen leben, ist die Stimmung auch an den Feiertagen wieder einmal angespannt, berichtet Weltreporterin Tania Krämer aus der heiligen Stadt. Zum einen wegen der Terroranschläge in den letzten Wochen, aber auch wegen des Ukraine-Kriegs. Israel hat mehrere tausend jüdische Flüchtlinge aus der Krisenregion aufgenommen. Laut Tradition entzündet sich das Heilige Feuer in der Grabeskirche in der Altstadt Jerusalems – durch ein Wunder. In den vergangenen Jahren wurde die Flamme anschließend mit Sonderflügen nach Russland und andere osteuropäische Länder gebracht.
Niederlande – am Ostermontag zum Friseur
In den Niederlanden wird auch in diesem Jahr wieder heftig darüber diskutiert, ob die Christen nicht Ostermontag oder Himmelfahrtstag opfern sollten, damit die Muslime im Land – immerhin rund eine Million – das Zuckerfest begehen können, ohne sich einen freien Tag nehmen zu müssen. Elf offizielle Feiertage gibt es in den Niederlanden, acht davon sind christlich, kein einziger jüdisch oder muslimisch, erklärt Weltreporterin Kerstin Schweighöfer aus Den Haag. Mehr als die Hälfte der rund 17 Millionen Niederländer bezeichnet sich inzwischen als nichtreligiös. Sie gehen an Karfreitag und Ostermontag zum Friseur, oder zum Einkaufen in Bauhäusern und Gartenzentren, denn die Geschäfte sind überall im Land offen. In einer Umfrage sagten 45 Prozent der Befragten, dass sie die Feiertage gerne anders aufteilen würden. Ein paar sollten als gemeinsame erhalten bleiben und der Rest individuell bestimmt werden.
Indonesien – ein Fest der Sinne
Deutlich sinnenfreudiger ist diese Zeit in Indonesien. Plakate werben überall für Ramadan-Sonderangebote. Aus den Moscheen dröhnt religiöse Popmusik und an jeder Straßenecke wird Essen zum Fastenbrechen gedünstet und gebraten, beschreibt Weltreporterin Christina Schott das Fest der Sinne. In diesem Jahr ist nicht nur das Essen Hauptgesprächsthema, sondern auch die besonders stark ansteigenden Lebensmittelpreise. Anders als in anderen islamischen Ländern, in denen das Opferfest Idul Adha am wichtigsten ist, wird in Indonesien das Zuckerfest Idul Fitri am größten gefeiert. Millionen reisen aus den Städten zu ihren Familien aufs Land. Sämtliche Tickets sind schon Wochen vorher ausverkauft und die Straßen tagelang verstopft. Wegen der Corona-bedingten Reisebeschränkungen der letzten beiden Jahre wird es dieses Jahr vermutlich noch enger werden. Indonesien hat im April seine strengen Quarantäneregeln aufgehoben.
Mexiko – ein Fest der Gegensätze
Weltreporter Wolf-Dieter Vogel hat schon viele Jahre erlebt, wie im Hauptstadtviertel Ixtapalapa zwei Millionen Menschen dem aufwändig inszenierten Leidensweg Jesu Christi beiwohnen und unweit davon entfernt gleichzeitig indigene Gemeinden die Santa Semana – heilige Woche – ausgelassen mit Tanz, Essen und alkoholischen Getränken feiern. Dabei werden präkolumbianische Kultur und katholischer Glaube gemischt. Das Leben wird als Zyklus gesehen, in dem sich Gut und Böse gegenseitig bedingen. So kennt die ethnische Gruppe der Rarámuris im Norden Mexikos Zeremonien, bei denen Kämpfe von Soldaten Gottes gegen Krieger des Teufels dargestellt werden. Gefeiert wurde in dieser Region übrigens schon vor der Ankunft der christlichen Eroberer. Das Osterfest fällt genau in die Zeit, in der auch den Göttern der Sonne und des Mondes gehuldigt wird.
Serbien – die Kinder stehen im Mittelpunkt
Kinder in Serbien kennen weder Osterhasen noch Ostereiersuchen, erzählt uns Weltreporterin Danja Antonovic. Stattdessen wird am Palm-Samstag das Kinderfest gefeiert. Es geht auf ein Zitat von Jesu zurück: „Lasst die Kinder kommen, denn ihnen gehört das Himmelreich.“ Kinder werden überall im Land für Prozessionen fein herausgeputzt. Im Haar tragen sie Kränze aus frischen Weidenzweigen, in der Hand kleine Metallglöckchen, mit denen sie um die Wette bimmeln. Mit den Prozessionen wird auch der Erweckung von Lazarus gedacht, die laut Bibel an diesem Samstag stattgefunden hat. Am Ostersonntag und Ostermontag messen sich die Serb*innen dann im Eierklopfen. Das Ei, das alle Klopfrunden mit ‚gegnerischen‘ Eiern übersteht, wird zum Sieger gekrönt. Im Städtchen Mokrin ist aus dieser Tradition ein Volksfest mit Trachten und viel Musik geworden.
Kalifornien – Wildblumen-Spaziergang statt Tiersegnung
Ich bringe meinen Hund am Ostersonntag übrigens nicht zur Tiersegnung durch den Erzbischof in die Innenstadt von Los Angeles. Mir ist ein Spaziergang in den Bergen lieber, besonders weil nach heftigem Regen die Wildblumen überall aus dem Boden sprießen. Leider war es der erste Regen seit Anfang Januar und er hat die Stauseen und Reservoirs nicht einmal zur Hälfte gefüllt. Die Schneedecke in den Bergen ist bei nur einem Drittel des Durchschnitts, wir können also auch nicht auf viel Schmelzwasser hoffen. Gouverneur Gavin Newsom hat für den Sommer deshalb schon zusätzliche Einschränkungen beim Wasserverbrauch angekündigt. Kalifornier beten während dieser Feiertage deshalb auch um Regen, vor allem aber – wie vermutlich Millionen überall auf der Welt – um Frieden.