Die Haken des bargeldlosen Zahlens und wie sie eine neue Form des Bargelds lösen könnte

Die Wirtschaftssoziologin Barbara Brandl erforscht den Zahlungsverkehr mit Kredit- oder Debitkarten und warnt: Bargeldloses Zahlen verstärkt die soziale Ungleichheit. Die altmodische Alternative, bar zu zahlen, könnte indessen auch mit digitaler Technik funktionieren – etwa in Form eines E-Euros. Im Interview erklärt Barbara Brandl, wie.

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Eurosymbol, eingebettet in digitaler Ästhetik

Frau Brandl, bargeldloses Zahlen wird inzwischen auch im eher renitenten Deutschland immer populärer. Es ist bequemer und schneller. Sie beschäftigen sich in Ihrer Forschung aus soziologischer Perspektive mit dem bargeldlosen Zahlungsverkehr. Zunächst würde mich interessieren: Wie zahlen Sie selbst?

Ich zahle alles mit Karte. Doch je mehr ich mich mit dem Thema beschäftige, desto mehr verstehe ich die Leute, die Bargeld behalten wollen.

Interessant! Dem wollen wir auf den Grund gehen. Was ist denn außer der Bequemlichkeit bargeldlosen Zahlens der wichtigste Unterschied zum Bargeld?

Dass Bargeld eine öffentliche Infrastruktur ist. Der Staat druckt die Banknoten und prägt die Münzen, verteilt sie und trägt den Großteil der Kosten. Bargeldlose Zahlungen hingegen laufen über die Netze von privaten Unternehmen, also Banken, Kreditkartenfirmen und so weiter.

Was spricht dagegen, eine private Infrastruktur für den Zahlungsverkehr zu nutzen?

Im Gegensatz zur staatlichen Infrastruktur müssen private Unternehmen Gewinn erzielen, und das geschieht auf zwei Arten. Erstens wird die Zahlungsfunktion oft mit Konsumkrediten verknüpft, wie etwa durch die klassische Kredit- oder Debitkarte, aber auch durch neuere Angebote wie „buy now, pay later“. Aus der Forschung wissen wir, dass Konsumkredite mit schlechten Konditionen verbunden sind. In den USA liegt der Zinssatz im Durchschnitt bei 20 Prozent, in der EU bei 10 Prozent. Zweitens generieren Unternehmen aus Zahlungsakten Daten, was Kreditkartenfirmen seit Jahrzehnten tun, um die Kreditwürdigkeit der Kunden zu bewerten. Beispielsweise kann eine Zahlung an eine Spielbank die Bonität verschlechtern. Durch die Online-Käufe sowie die Verwendung von Smartphones werden darüber hinaus alternative Daten generiert.

Die Frankfurter Soziologin Barbara Brandl
Die Frankfurter Soziologin Barbara Brandl