Energie ohne CO₂ und Atommüll: Es wäre gut, wenn die Menschheit die Kernfusion meistern würde

Kommentar: Einmal mehr verzögert sich das internationale Kernfusionsprojekt ITER. Das ist aber noch lange kein Grund, die Forschung an der neuen Energiequelle lächerlich zu machen oder gar vorzeitig zu beenden

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Der Feuerball der Sonne in einer sehr genauen Aufnahme, die das wilde Treiben auf dem Zentralgestirn zeigt.

Der Witz hat einen langen Bart und ist schnell erzählt: „Schon von der Kernfusionskonstante gehört? Die beschreibt, dass der Durchbruch der Technologie immer 30 Jahre entfernt ist.“ So sehen es die Kritiker des großen Plans, den Prozess, der die Sonne befeuert, auf der Erde zu bändigen und zur Stromerzeugung einzusetzen. Ihnen zufolge ist die Fusionsforschung nichts als Geldverschwendung. Der einzig richtige Weg, das Sonnenfeuer zu nutzen, seien Photovoltaik und Solarthermie.

Ihnen gegenüber stehen die Anhänger der Fusionsenergie. In Deutschland hat sich in dieser Rolle in den vergangenen Jahren besonders Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger hervorgetan. Als im Dezember 2022 US-amerikanische Forscher bekanntgaben, dass sie erstmals bei einer Fusionsreaktion mehr Energie gewonnen haben als unmittelbar mit dem Laser aufgewandt wurde, ließ die FDP-Politikerin sich in ihrer Begeisterung zu der Prognose hinreißen, schon in zehn Jahren werde in Deutschland der erste Fusionsstrom ins Netz eingespeist. Stark-Watzinger hat die Förderung der Kernfusion zu einem ihrer Schwerpunkte erklärt und noch mehr Geld als bisher schon locker gemacht, auch dafür, die Aktivitäten von Start-ups in diesem Bereich zu fördern.

Beschreibt der Witz die Wirklichkeit?

Doch nun gibt es für diesen Kurs der Forschungsministerin gleich zwei Rückschläge: Ein Expertengremium der drei großen Wissenschaftsakademien in Deutschland erteilt allen Hoffnungen, dass die Kernfusion vor Mitte des Jahrhunderts nennenswert zur Stromversorgung und zu den Klimazielen beitragen könnte, eine Absage. Zudem haben die Planer des weltgrößten Kernfusionsprojekts, des von 33 Staaten getragenen ITER-Reaktors in Südfrankreich, zerknirscht bekanntgeben, dass sie den allerersten Versuch, mehr Energie zu erzeugen als einzusetzen, auf das Jahr 2039 verschieben müssen.

Trifft vielleicht der Witz mit der Kernfusionskonstante die Wirklichkeit? Und wäre jetzt der richtige Moment, diese Forschungsrichtung einzumotten und die eingeplanten Milliarden Euro lieber in Erneuerbare Energien zu stecken, wie es Kritiker fordern?

Die Antwort lautet beide Male: Nein.