Warum Kernfusion mehr ist als nur eine Ausrede für Energiewendeunwillige

Die Energiedebatte in Deutschland ist oft schwarz-weiß: Eine vollständig regenerative Energieversorgung gilt als sofort machbar, Kernfusion hingegen als unrealistische Zukunftsmusik. Beide Optionen sind jedoch unsicher. Um tatsächlich von fossilen Energien loszukommen, sollte Deutschland alle Möglichkeiten entschlossen verfolgen.

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Montage eines Segments des Kernfusionsreaktors ITER im südfranzösischen Caradache. Das Teil des Reaktorgefäßes wiegt fast 1.400 Tonnen.

„Wahre Worte scheinen oft paradox“, schrieb der chinesische Philosoph Laotse vor über 2500 Jahren. Ob Friedrich Merz wohl Laotse gelesen hat, bevor er bei „Illner“ behauptete, Kernfusionskraftwerke könnten irgendwann Windräder überflüssig machen? Das ist zwar ziemlich weit hergeholt. Interessant ist aber, dass sich Merz eine Welt vorstellt, in der beide Energietechniken parallel existieren. Noch klingt dieses Szenario in der deutschen Energiedebatte geradezu paradox.

Denn ein Sowohl-als-Auch gibt es da nicht. Der Aufbau von Gegensätzen scheint wichtiger, damit es bei Illner, Lanz und Co auch ordentlich kracht. Der Protagonist braucht den Antagonisten. Eine Auflösung steht nicht im Drehbuch.

Nun ist das Hauptargument, das Merz seit seinen Äußerungen häufig entgegenschlägt, an sich richtig. Kernfusion funktioniert frühestens in Jahrzehnten, während die Technologien für die Energiewende bereits existiert. Deutschland müsse deshalb schnellstmöglich 100 Prozent seiner Energie aus Erneuerbaren wie Wind und Sonne beziehen, heißt es. Der Klimawandel duldet keinen Aufschub: besser heute klimaneutrale Energie als morgen.

Deutschland ist Fossilland

Aber ist es schon ausgemachte Sache, dass Deutschland das 100-Prozent-Ziel erreicht? Keine Frage der Meinung, sondern nur eine der Physik? Steht hier ein vager Traum vom Nachbau eines Sonnenofens auf der Erde dem fertigen Konzept „regenerative Energiewende“ gegenüber, das nur auf das Umlegen des Hebels wartet?