Sensoren als Whistleblower

Wie vernetzte Gegenstände Informationen dort sammeln, wo keine Reporterin hingelangt

8 Minuten
Businessmen talking in secrecy.

Der Informant trägt Sonnenbrille und übergibt an der Autobahnraststätte oder im abgedunkelten Hotelzimmer einen USB-Stick mit wertvollen Daten. So erzählen es Whistleblower wie Edward Snowden oder Herve Falciani. Whistleblower, das sind Menschen, die Zugang zu einem Geheimnis haben. Und keine Skrupel, es zu teilen. Eine Rolle, die wie gemacht ist für vernetzte Dinge. Sie umgeben uns unauffällig und wissen alles: Alexa im Wohnzimmer, der vernetzte Mixer in der Küche, das Smartphone auf dem Nachttisch. Hoffentlich läuft Ihnen bei diesem Gedanken ein Schauer über den Rücken. Damit Sie beim Lesen dieses Kapitels nicht unruhig werden, ziehen Sie bitte jetzt den Stecker Ihres Sprachassistenten, versetzen Ihr Smartphone in den Flugmodus, und schalten Sie das smarte Licht aus. Sensoren haben kein schlechtes Gewissen. Sie sind die idealen Whistleblower.

Der Journalismus der Dinge lässt sich nicht nur deskriptiv einsetzen. In den Daten steckt auch verborgenes Wissen, etwa über die Bewegung von internationalen Regierungsangehörigen oder über geheime Militärbasen. Hier habe ich den GVA Dictator Alert vorgestellt, der die Landung von Diktatoren-Flugzeugen auf dem Flughafen Genf dokumentiert. In meinem Beitrag zu Sensoren in der Stadt habe ich beschrieben, wie ein Journalistenteam von „Reveal“ die Wasserprinzen von Bel Air mit Satellitenaufnahmen jagt. Im Folgenden möchte ich an vier Recherchen zeigen, wie Sensordaten für investigative Recherchen genutzt werden können: Die „Washington Post“ kam Schießereien auf die Spur, das Team von „Follow the Money“ dem zweiten Leben unseres Elektroschrotts, „De Correspondent“ konnte geheime Militärbasen kartieren und die „Sun Sentinel“ Verkehrsverstöße von Polizisten nachweisen.

Man sieht eine Karte einer niederländischen Airforce-Base
Mithilfe der Fitnesstracker Wege ins Sperrgebiet zeigen (Screenshot DeCorrespondent).

Ich finde es bemerkenswert, wie einfach der Zugang zu solch sensiblen Daten letztlich war. Und vorbildlich, wie die Reporter ihre Methode dargestellt haben. Die Journalisten legen ihren Rechercheweg detailliert offen. Bekannt ist, dass auch andere Tracker ähnliche Sicherheitslücken haben.

In der Grafik sieht man die Geschwindigkeitsüberschreitungen eines einzelnen Polizisten
Das Projekt „Speeding Cops“ ist ein Klassiker des Sensorjournalismus. In der Grafik sieht man die Geschwindigkeitsüberschreitungen eines einzelnen Polizisten

Wie man mit Sensorjournalismus den Pulitzer-Preis gewinnt

Die „Sun Sentinel“ zeigt, wie man mit Sensorjournalismus den Pulitzer-Preis gewinnt. Die Annahme der Reporter: Polizisten halten sich in Sachen Geschwindigkeit selbst nicht immer an das Gesetz. Denn wer sollte sie anzeigen? Das Blatt wertete Funkfrequenzen aus, die von Tags an Polizeifahrzeugen ausgestrahlt werden. Diese Tags dienen vor allem dem Maut-System SunPass. Polizeifahrzeuge sind mit einem speziellen Transpondertyp ausgestattet, der es ihnen erlaubt, die Mautstraßen kostenfrei zu nutzen.

eine Karte mit roten Punkten [AI]
Sensoren für Schüsse. Jeder Punkt eine Schießerei.
Ein Bild von einem Mann, der einen alten Fernseher in die Luft hält. Auf dem Bild steht geschrieben: Die GPS Jagd! Was passiert mit unserem Schrott?
Sperrmüll und dann? Die Recherche verfolgt den Schrottfernseher von der Straße bis nach Afrika
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