„Ohne Sepp kein Siri“: Warum den Professor, der den KI-Boom auslöste, kaum jemand kennt

Seine Leidenschaft für Mathematik hat Sepp Hochreiter zur KI-Forschung geführt, die der gebürtige Bayer revolutionierte. Dann stahl ihm ChatGPT die Show. Doch das will sich Hochreiter nicht gefallen lassen.

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Der KI-Pionier Sepp Hochreiter in seinem Büro an der Universität Linz, vor einem Regal mit Auszeichnungen stehen.

In einem schmalen Büro an der Universität Linz – kahle Wände, Schreibtisch, Regal, Sitzgruppe, eine Tafel voller Formeln – telefoniert ein Mann, ohne den der KI-Boom kaum stattgefunden hätte. „Ohne Sepp kein Siri“ steht auf einem Zettel an der Wand. Sepp Hochreiter redet schnell, fast atemlos. Dann begrüßt er seinen Besucher freundlich. Der Professor für maschinelles Lernen trägt Jeans, ein gestreiftes Hemd, dessen Kragenflügel schlampig unter dem Ausschnitt eines grauen Pullovers steckt. Von jemandem, dessen Software mal in jedem Smartphone steckte, erwartet man vielleicht mehr Glamour – doch das passt nicht zum Vollblutforscher Hochreiter. Sein Erfolg beruht nicht auf Gewinnstreben, sondern auf Leidenschaft für Mathematik. Damit fordert er nun ChatGPT & Co. heraus.

Weit in die Welt hat es Sepp Hochreiter nie gezogen: Seit fast 20 Jahren forscht er in Linz, rund 170 Kilometer von seinem Geburtsort Mühldorf am Inn in Oberbayern entfernt. „Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen“, erzählt er. „Den hätte ich übernehmen sollen.“ Doch ihn reizte die Welt des logischen Denkens weit mehr. „Mit den Gymnasiasten“ spielte der Realschüler Schach. Realschulen bereiten eher auf eine berufliche Ausbildung als auf ein Studium vor, was für seine bodenständigen Eltern gerade noch „vorstellbar“ gewesen sei, sagt Hochreiter.

Faszination für Schach und Mathe

Doch die provinzielle Enge hinderte Hochreiter nicht daran, zu lernen. Mit seinen Schachfreunden saß er oft in der Stadtbibliothek, vertiefte sich in Mathe- und Physikbücher, diskutierte darüber. „Diese Fächer faszinierten uns extrem“, sagt er. Er half den Gymnasiasten bei Wettbewerbsaufgaben, an denen er selbst nicht teilnehmen durfte. Schach lehrte ihn, sich konzentriert in etwas hineinzudenken. Zwei Stunden Spiel erschienen ihm oft wie drei Minuten.

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