Synthetische Biologie: Wie künstliche Intelligenz künstliches Erbgut schafft

Die KI „Evo“ kann die Funktion von Genabschnitten vorhersagen und selbst komplexe Erbinformation entwerfen. Damit können Biologen Krankheiten besser verstehen oder neue Medikamente entwickeln. Auch wenn das Werkzeug bislang nicht perfekt funktioniert, warnen Experten, dass es missbraucht werden könnte.

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Eine digital wirkende Doppelhelix über einer Tastatur mit tippenden Händen als Symbolbild für Bioinformatik

Die Sprache der Menschen und die des Lebens sind sich ähnlicher, als es scheint. Auch das Erbgut von Organismen besteht aus Buchstaben, kleinen als „Nukleotide“ bezeichneten Molekülen, deren Reihenfolge Bedeutung schafft – allerdings beschreibt es die Funktion eines Organismus. Eine weitere Parallele zeigt sich nun. KI-Modelle wie ChatGPT lernen durch Millionen Texte, Sprache zu verstehen und neue Texte zu generieren. Ähnlich hat die KI „Evo“ durch das Training mit dem Erbgut von Millionen Bakterien und Viren die Aussagen des genetischen Codes gelernt. So kann sie die Funktion von Genen vorhersagen und sogar neue DNA-Sequenzen erstellen. Forscher um Eric Nguyen von der kalifornischen Stanford University berichten darüber im Magazin „Science“.

Der Name „Evo“ erinnert an „Evolution“, die allmähliche Veränderung des Erbguts, die zur Entstehung neuer Arten führt. Biologen studieren Evolutionsvorgänge, um die Bedeutung der Abfolge von genetischen Buchstaben zu entschlüsseln. Gene verändern sich durch Anpassung an Umweltbedingungen, doch manche Gensequenzen bleiben erhalten und werden von vielen Organismen geteilt.

Evo lernt von der Evolution der Mikroorganismen

Biologen suchen gezielt nach solchen Übereinstimmungen. „Konservierte Genomabschnitte spielen oft eine wichtige funktionelle Rolle, da sie sonst durch Mutationen verändert worden wären“, erklärt Julien Gagneur von der TU München. Durch den Vergleich solcher Abschnitte hoffen Forscher, ihre Funktion zu verstehen.