„Wir diskutieren theoretisch, die machen einfach“

Der asiatische Markt könnte die Rettung für die Virtuelle Realität sein: Deutsche Startups blühen in Tokio und Peking auf, und amerikanische Unternehmen nutzen die technikverliebten und einfach zufriedenzustellenden Chinesen als Versuchskaninchen für den Rest der Welt.

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Symbolbild: Chinesische Flagge mit dem weißen Umriss eines Kopfes im Profil, der eine Virtual-Reality-Brille trägt.

Die Menschen mit den Virtual-Reality-Headsets auf ihren Köpfen gehen weite Strecken, aber sie brauchen wenig Raum. Letztlich gehen sie im Kreis, in einem unordentlichen zwar, aber sie kommen immer wieder dort an, wo sie losgegangen sind. Doch für sie fühlt es sich an, als hätten sie weite Wege zurückgelegt – hinter ihren Headsets merken sie nicht, dass sich die Route immer wiederholt, denn sie haben einen deutlich größeren Raum vor Augen. „Wir brauchen für die Virtuelle Realität der Zukunft eine Möglichkeit, Raum zu sparen“, sagt Yun Suen Pai, Doktorand an der japanischen KEIO-University in Tokio, der diese Szenen eines Experiments in einem kleinen Büro voller Kabel, Headsets und Sensoren in einem Film vorführt.

Das Konzept geht auf, weil die Nutzer in der materiellen Welt etwas kleineren Radien gehen als in der virtuellen. Wenn man es nicht übertreibt, lässt sich das Gehirn auf diese Weise täuschen. Doch das ist das, was die europäischen Forscher machen, sagt Pai: ein bisschen Platz sparen. Aber das reicht nicht, findet er. „Die künftigen VR-Headsets werden ohne Kabel sein, völlig autonom, wir können sie nutzen, wo immer wir wollen“, sagt er, „beispielsweise im Flugzeug, aber da haben wir ein Platzproblem.“ Deshalb forscht er an Methoden, wie sich Menschen in der Virtuellen Realität fortbewegen können, ohne im echten Leben zu laufen, und ohne dass die Immersion leidet (was sie tun würde etwa bei der Steuerung per Buttons oder Stimme) – und ohne dass sie ihrem Nachbarn im Flugzeug auf die Nase hauen. Einfach ist das nicht, denn die neuen Methoden der Interaktion müssen intuitiv sein und dürfen keine Übelkeit auslösen – was schnell geschieht, wenn die Aktivitäten in der realen und der virtuellen Welt nicht zusammenpassen. Er nennt seine Forschungsrichtung „Convex Interactions“, und denkt beispielsweise an die Möglichkeit, sich mittels kleiner Gesten durch eine virtuelle Welt zu ‚ziehen‘, oder auch, Bewegungen mit dem Blick zu steuern. „Wir müssen unaufdringliche Interaktionen entwickeln.“

Aber Moment mal, VR im Flugzeug?? Es gibt einen Grund, weshalb europäische Forscher in größeren Bewegungsradien forschen: weil ihnen der Anwendungsfall Flugzeug reichlich weit entfernt vorkommt. Doch was uns futuristisch erscheint, gilt in Tokio schon als selbstverständliche nahe Zukunft: Virtuelle Realität wird überall angewandt werden, da sind Pai und seine Kollegen überzeugt. Und das ist ein Phänomen, das im VR-Bereich in ganz Asien gilt: die Virtuelle Realität ist weiter als hierzulande oder den USA, in der Forschung und auch auf dem Markt. Während immer wieder geklagt wird, dass der Markt nicht den Erwartungen entspricht, während in Europa schon Abgesänge auf die Virtuelle Realität an sich gesungen werden, boomt die Technologie in Asien.

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