Aas im Sack an Wiese
Fieldwriter Gerhard Richter überwindet seinen Brechreiz und erlebt ein Wunder

Im Vorbeifahren ist der Plastiksack nicht mehr als ein kurzes blaues Aufblitzen. Ein Stück Müll in einer Brandenburger Wiese. Beim Näherkommen ist er ein Kotzgrund. Zum Glück weht Wind.
Seit Tagen fällt mir dieser Sack auf, wenn ich mit dem Auto oder dem Fahrrad von Goldbeck nach Scharfenberg fahre. Der Sack liegt etwa 20 Meter hinter einem Schild „Achtung Linkskurve“ in Wurfweite vom Straßenrand entfernt. Seine Lage erweckt den Eindruck, als habe ihn jemand aus dem fahrenden Auto herausgeschleudert. Zwischen der verwitterten weißen Seitenlinie der Fahrbahn und dem Sack liegen nur fünf oder sechs Schritte. Und bei jedem Schritt wird’s ekliger. Der Sack verströmt einen brechreizerregenden Aasgeruch. Wie soll ich über diesen Sack schreiben, wenn ich seine Nähe nicht aushalte? Zum Glück weht Wind.
Ich halte den Atem an, schleppe meinen Klappschreibtisch um den blauen Sack herum, so dass der Wind den Gestank von mir wegtreibt. In meiner Nase nun der Duft von warmer trockener Erde und Sommergras. Vom Bahndamm, welcher diese Wiese auf der anderen Seite begrenzt, zirpt eine Grille. Dieses schmale Stück Land zwischen Gleis und Straße lohnt sich offensichtlich nicht, beackert zu werden, vermutlich deshalb liegt es brach. Ein Hauch von Wildwuchs. Und darin der Sack. Nun liegt er direkt vor mir, blau und blickdicht – eine Stinkbombe groß wie eine Aktentasche. So sehr ich den Sack anstarre, mir fällt dazu nichts ein. Zum Glück weht Wind.
Ein Mobile aus Windhauch und Federkraft
Die Grashalme um mich herum fesseln meine Aufmerksamkeit. Sie sind besonders lang und zart, einzelne Halme reichen mir bis an die Nasenspitze. Es ist ein Wunder, mit welcher Eleganz und Gelassenheit sie die Attacken des Windes parieren. Ein weiches Nachgeben und Aufrichten und schon stehen sie wieder senkrecht, nicken sanft und weisen hoch zum Himmel. Die jungen Ähren spitz emporgereckt, die reiferen Ähren vom Gewicht der Samen leicht geneigt. Es ist gar nicht leicht Grashalme im Wind zu beschreiben, ohne dass ein Gedicht daraus wird. So waghalsig ist deren schlanker Wuchs, so poetisch deren Pendeln. Ein Wettbewerb um Balance und Höhe.
Seit Millionen von Jahren stellt der Wind die gleiche Frage. Wer behält das Gleichgewicht? Und der Wind ist selbst der unnachgiebigste Prüfer. Schon winzige Konstruktionsfehler bestraft er mit einem Knick.
Was sich da also vor meinen Augen hin und her wiegt, was ich mit meinen Fingerspitzen berühren kann, was ich ganz plötzlich und beinahe erschrocken erfasse: Die Grashalme um mich herum sind die Millionen Jahre alte Antwort auf die ebenso alte Frage des Windes. Ich sitze quasi im aktuellsten Ergebnis eines Prozesses, dessen Dauer meine Auffassungsgabe weit übersteigt. Natürlich steckt ein Mechanismus der Evolution dahinter. Wessen Halm die anderen überragt, dessen Samen trägt der Wind weiter. Das hat die Halme in die Höhe gelockt. Ein Wettstreit mit Siegern und Verlierern. Solche rationalen Betrachtungen mindern gleich wieder diesen Eindruck umwerfender Schönheit, der mir da ganz beiläufig zuwinkt. Je länger ich mich dem Bild der Grashalme im Wind hingebe, desto sicherer bin ich mir: Es ist reinste Kunst. Ein Video davon könnte im Museum of timeless Art laufen. Als Endlosschleife, aber es wäre nur eine Wiedergabe des echten Kunstwerks. Diese schwankenden Halme erscheinen mir wahrhaftiger und reiner als die herausragendsten Werke Van Goghs oder die ausgewogensten Kompositionen Raffaels. Schönheit liegt nicht nur im Auge des Betrachters. Schönheit existiert auch ohne uns. Schönheit steht auf der Wiese und winkt.
Ich versinke förmlich in der Bewegung der Halme im Wind. Zarte Kräfte im vollständig ausbalancierten Spiel. Jeder Halm findet seine eigene Antwort in diesem Mobile aus Windhauch und Federkraft. Auf diesem unscheinbaren Stück Wiese zwischen Straße und Bahngleis wohne ich einem Wunder bei. Ein herrliches Gefühl, das mich komplett erfüllt und lange nachwirkt.
Was die Wiese sonst noch birgt
Die sommerliche Wiese ist tatsächlich ein Idyll: Ungemähtes hohes Gras, kantige Disteln, Löwenzahn in allen Reifegraden: als gelbe Blüte und als Pusteblume, schlanker Sauerampfer, tiefgrüne Nesseln und kriechende Mieren verrichten ihr tägliches Wachswerk und reifen vor sich hin. Dazwischen liegt eine Schachtel R1. Die Schachtel ist leer, der Rauch der Zigaretten hat längst verursacht, wovor die fettgedruckte Aufschrift warnt: Mund-, Rachen- und Kehlkopfkrebs. Das Foto eines Tumors ist in der Sonne gebleicht und hat seinen Schrecken verloren. An die weggeworfenen Verpackungen gesundheitsschädlicher Substanzen entlang dieser Straße habe ich mich gewöhnt. Alle 30 m findet man eine leere Schnapsflasche, knallbunte Schalen von Mac-Donalds-Menus und eben Zigarettenschachteln.
Was ich jedoch entlang der Straße noch nie sah, und was mich hergeführt hat, ist dieser blaue Plastiksack. Der Sack liegt mit der Vorderseite nach unten im Gras, der Name dieses Produkts bleibt also im Dunkeln. Der Sack ist groß wie eine Aktentasche und am oberen Ende mit einer dünnen Schnur zugebunden. Dennoch entströmt ihm ein deutlicher Aasgeruch. Verschiedene Arten von Fliegen fühlen sich angelockt und krabbeln über die Buchstaben der Produkthinweise. Es ist eine zehn Kilo Tüte Hunde Alleinfutter. Hergestellt für Kaufland. Eine besonders dicke, samtschwarze Fliege summt über dem Sack und landet auf dem Aufdruck der Inhaltsstoffe: „Getreide, unter anderem 4 % Reis, Fleisch und tierische Nebenerzeugnisse, unter anderem 4 % Lamm, pflanzliche Nebenerzeugnisse, Öle und Fette, Mineralstoff“. Desweitern lese ich: „550 Gramm täglich genügen, um einen 50 kg schweren Hund zu ernähren.“ Bei vorschriftsgemäßer Dosierung hätte ein 50 Kilo schwerer Hund das Alleinfutter nach neun Tagen aufgefressen und der Sack könnte, so wie jetzt – mit etwas anderem befüllt – in die Wiese geworfen werden.
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