Botanik und Kolonialismus: „Es ist überfällig, dass wir uns dieser Vergangenheit stellen“

Pflanzenforscher spielten bei der Ausbeutung von Kolonien eine zentrale Rolle. Nun werden erstmals Artnamen mit rassistischen Bezügen systematisch beseitigt. Folgt darauf eine tiefergehende Auseinandersetzung?

11 Minuten
Panoramafoto des Großen Tropenhauses, einer prächtigen Glaskuppel, vor der sich viele Menschen tummeln

Nils Köster ist an diesem Morgen im Südwesten Berlins in besonderer Mission unterwegs. Von seinem Büro im Hauptgebäude des Botanischen Gartens in Dahlem, einer der größten Anlagen dieser Art weltweit, geht er zu den Gewächshäusern, die über der weitläufigen Anlage thronen. Im Haus K, in dem südafrikanische Gewächse präsentiert werden, macht der Botaniker sich an einem Heidestrauch mit weißen Blüten ans Werk. Er zieht das Metallschild, auf dem der Pflanzenname Erica caffra prangt, aus dem Boden und lässt es in seiner Umhängetasche verschwinden. An seine Stelle setzt er ein neues Schild: Erica afra steht darauf. Lesotho ist neben Südafrika als Ursprungsland ergänzt.

In einem für die Öffentlichkeit gesperrten Gewächshaus wenige hundert Meter weiter, in dem größere Pflanzen den Winter überdauern, wiederholt Köster die Übung. Einen mittelgroßen Baum namens Harpephyllum caffrum, zu Deutsch „Kaffern-Sichelblatt“, der zur Familie der Cashew- und Mangogewäche gehört, macht er mit dem neuen Schild zu Harpephyllum afrum, der „Umgwenya-Pflaume“.

Die Blütezeit der Biologie hat eine dunkle Seite

Der Pflanzenforscher benötigt für den Austausch der Schilder nur wenige Handgriffe. Für den Botanischen Garten in Dahlem und für die ganze Botanik als wissenschaftliche Disziplin ist die Aktion aber ein großer Schritt. Sie steht dafür, dass Forscher und Institutionen weltweit beginnen, sich einem dunklen Kapitel ihrer Vergangenheit zu stellen: der Kolonialzeit.

Humboldt beim Beschreiben einer Pflanze, großer Gartenplan mit eingetragener Abteilung Kol. für Kolonialpflanzen.
Bildnis Alexander von Humboldt von Friedrich Georg Weitsch; Plan des Botanischen Gartens Berlin von 1909.
Ein junger Mann im Wollpulli drückt ein neues Schild vor einem Baum in die Erde, daneben das alte Schild.
Der Botaniker Nils Köster beim Austausch der Namensschilder.
Im Vordergrund Schild Harpephyllum afrum, im Hintergrund das alte Schild.
Neuer und alter Pflanzenname.
Ein freundlich lächelnder Mann vor einem Baum.
Der Kulturwissenschaftler Ohiniko Mawussé Toffa.
Frau inmitten tropischer Vegetation mit Banane in der Hand.
Die Ethnologin Rita Trautmann bei der „kolonialen Spurensuche“ im Botanischen Garten Berlin.
Namensschild Ficus preussii in tropischer Vegetation.
Nach dem Kolonialbotaniker Paul Preuss benannter Feigenbaum.
Schild Schweinfurthstraße vor hellblauem Himmel
Dem Botaniker Georg Schweinfurth ist in den Berliner Ortsteilen Schmargendorf und Dahlem eine Straße gewidmet.
Schild mit Titel „Was hat Victoria mit Kolonialismus zu tun?“ vor einem Teich mit Victoria-Schwimmblättern.
Informationstafel im Botanischen Garten Potsdam.
Sie haben Feedback? Schreiben Sie uns an info@riffreporter.de!