Abschluss der COP29 in Baku: Das fossile Imperium schlägt zurück

Die globale Klimaschutz-Revolution ist mit dem Klimagipfel von Baku nicht vorangekommen, sondern in eine Phase eingetreten, in der eine Niederlage nur mit äußerster Kraftanstrengung verhindert werden kann

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Demonstranten mit Slogans wie „Who pays“, „End fossil finance“ und „Stand up, fight back“

Als Austragungsort einer Weltklimakonferenz hätte die aserbaidschanische Hauptstadt Baku symbolträchtiger kaum sein können. Schließlich hat dort der weltweite Ölboom begonnen, als in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts am Schwarzen Meer erste industrielle Bohrlöcher und Raffinerien entstanden. Was wäre es für ein Signal gewesen, am selben Ort die entgegengesetzten Hebel in Bewegung zu setzen und so viel Geld zu mobilisieren, dass ein weltweiter Ausstieg aus der Fossilwirtschaft in greifbare Nähe rückt.

Auf 1000 Milliarden Dollar pro Jahr – zehnmal so viel wie bisher – hatten Experten und internationale Agenturen den Geldbedarf dafür taxiert, damit alle Länder der Erde es schaffen, ihre Energieversorgung rechtzeitig aus erneuerbaren Quellen zu decken, um einen gefährlichen Klimawandel zu vermeiden, und um sich gegen die zunehmenden Wetterextreme zu schützen. Herausgekommen ist ein Formelkompromiss auf 300 Milliarden Dollar, aber weitgehend in Form eines ungedeckten Schecks. Wer genau das Geld wie aufbringt, bleibt unklar.

Menschentraube
Multilateralismus live bei der COP29

Erdöl und Erdgas als „Geschenk Gottes“

Baku wird deshalb in der Klimapolitik für das Gegenteil in Erinnerung bleiben: Als der Moment, in dem das weltweite fossile Imperium damit begann, kraftvoll zurückzuschlagen. Saudi-Arabien wurde dabei ertappt, Verhandlungstexte zu manipulieren. Die US-Delegation aus der Biden-Administration war nur noch als „lahme Ente“ anwesend, weil bald Donald Trump mit seinem Slogan „Drill, baby, drill“ an die Macht kommt. Der Präsident von Aserbaidschan setzte seine eigene Note, als er auf der Konferenz Erdöl und Erdgas als „Geschenk Gottes“ bezeichnete. Und über allem schwebte als dunkler Geist Wladimir Putin, dessen Kriegswirtschaft auf dem Verkauf fossiler Energie beruht. Diese Akteure bildeten eine informelle Allianz, die sich als mächtiger erwies als andere Länderbündnisse, vor allem das der ärmsten und verletzlichsten Staaten.

Wie wenig Zeit die Menschheit eigentlich zu verlieren hat, zeigten die zahlreichen wissenschaftlichen Reports, die Forscherinnen und Forscher vor und während der COP29 vorgelegt haben: Die Emissionen, die beim Verbrennen von Kohle, Öl und Erdgas entstehen, erreichten demnach 2023 neue Rekordwerte. Hinzu kommt das CO₂ aus brennenden Wäldern und Feuchtgebieten, wie etwa dem brasilianischen Pantanal. Der Kohlendioxid-Gehalt der Atmosphäre ist mit rund 420 parts per million parts (ppm) auf einen neuen Höchstwert geklettert – und beunruhigender noch, die Zuwachsrate nimmt selbst zu. Lag sie bis in die 1990er Jahren unter 1,5 ppm pro Jahr, waren es in den frühen 2000er Jahren schon 2 ppm pro Jahr und zuletzt mehr als 3 ppm.

Dieser Trend spiegelt wider, dass die Fähigkeit von Ozean, Wäldern und anderen Ökosystemen, zusätzliches Kohlendioxid entweder aufzunehmen oder in Biomasse umzuwandeln, zunehmend erschöpft ist. Nicht nur in Deutschland setzen Wälder im Saldo inzwischen mehr CO₂ frei, als sie aufnehmen. Auch andere natürliche Puffer und Speicher rund um den Globus machen schlapp oder kippen sogar um und werden zu zusätzlichen CO₂-Quellen.

Immer neue Rekordtemperaturen

Der Ausstoß des potenten Treibhausgases Methan nimmt ebenfalls zu. Das International Methane Emissions Observatory, das zum 26. Weltklimagipfel in Glasgow 2021 initiiert worden war, hat seither Unternehmen und Regierungen 1100 riesige Leckagen des Gases zum Beispiel in Pipelines und Bohrlöchern gemeldet, die aus dem Weltraum detektiert worden sind. Dem Leiter des Programms zufolge wurde nur in fünf bis zehn Fällen etwas gegen das Ausströmen von Methan unternommen.

Schwarzes Öl fließt aus Leitung in schwarze Pfütze.
Erdöl – der Treibstoffe der Fossilwirtschaft

Die Zunahme der Treibhausgase hat messbare Folgen auch bei den Temperaturen. Sowohl im Meer als auch an Land registrieren Klimaforscher immer neue Rekordwerte. Wie die UN-Umweltagentur (UNEP) im Oktober in ihrem sogenannten „Lücken-Report“ bekanntgab, befindet sich die Menschheit trotz aller klimapolitischer Bemühungen seit der COP1 im Jahr 1995 in Berlin weiter auf dem Kurs, die Durchschnittstemperatur bis zum Ende des Jahrhunderts um 2,6 Grad bis 3,1 Grad Celsius zu erhöhen. Der EU-Klimadienst Copernicus gab bekannt, dass 2024 mit großer Wahrscheinlichkeit das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen wird und erstmals ein Jahr die Marke von 1,5 Grad Erwärmung überschreitet.

Widriges Klima für die menschliche Zivilisation

Die Wetterextreme von heute – wie die katastrophalen Überschwemmungen im Südosten der USA, in Westafrika, Tschechien und Spanien allein in den vergangenen Wochen – sind den wissenschaftlichen Analysen zufolge nur ein harmloser Vorgeschmack auf das, was Mensch und Natur in einer solchen „Heißzeit“ droht. Der Klimavertrag von Paris besagt deshalb, dass die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad und maximal auf 2 Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit begrenzt werden muss.

Eine zur COP29 im Journal BioScience veröffentlichte Übersichtsstudie von Klimaforschern beginnt vor diesem Hintergrund in einem Telegrammstil, der so gar nicht nach nüchterner Wissenschaft klingt: „Wir befinden uns am Rande einer unumkehrbaren Klimakatastrophe. Es handelt sich zweifellos um einen globalen Notfall. Ein Großteil der Lebensgrundlagen auf der Erde ist gefährdet. Wir treten in eine kritische und unvorhersehbare neue Phase der Klimakrise ein“, schreiben die Autoren, zu denen auch Johan Rockström, der Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) gehört.

In einer anderen aktuellen Studie legten Forscher im Journal „Global and Planetary Change“ dar, dass selbst bei der erdgeschichtlichen Rekorderwärmung an der Grenze von Paläozän und Eozän vor 56 Millionen Jahren, die Geologen als PETM abkürzen, nicht so viel erwärmendes CO₂ in so kurzer Zeit in die Atmosphäre gelangt sei wie jetzt: „Die Rate an Kohlenstofffreisetzung während des PETM war die höchste in den vergangenen 66 Millionen Jahren, betrug aber nur ein Zehntel der heutigen Rate“, schreiben sie. Selbst wenn die Menschheit ihre CO₂-Emissionen auf null bringe, werde „die Erwärmung, die Eisschmelze und der Anstieg des Meeresspiegels für mindestens 100.000 Jahre anhalten“.

Riesige Investitionen in Erneuerbare Energien nötig

Es gibt natürlich auch positive Trends: Bei dem Ziel, erneuerbare Energiequellen auszubauen, gibt es weltweit durchaus Fortschritte. Die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA), hat im Oktober in einem umfassenden Report bekanntgegeben, dass 2023 weltweit ein wahrer Boom eingesetzt hat. Mit 473 Gigawatt wurde fast doppelt so viel Kapazität installiert wie noch im Vorjahr. 83 Prozent aller neuer Kraftwerkskapazitäten kamen dabei aus erneuerbaren Energiequellen – allen voran Photovoltaik.

Mann auf Podium
Mukhtar Babayev, Präsident der COP29 in Baku.

China führt die Liste der Länder mit dem größten Zuwachs an. In Deutschland stammen inzwischen mehr als 60 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Quellen. IRENA machte aber zugleich klar, wie viel noch zu tun ist: Um die globalen Ziele zu erreichen, müssten weltweit pro Jahr 1,5 Billionen US-Dollar in Erneuerbare Energien, 717 Milliarden Dollar in den Netzausbau und satte 2,3 Billionen Dollar in mehr Energieeffizienz investiert werden. Der gesamte Investitionsbedarf bis 2030 beläuft sich demnach auf 31.000 Milliarden Dollar.

Doch gegen die Allianz der Fossilimperien USA, Russland und Arabiens wird dies kaum machbar sein.

2025 kommt es in Brasilien zum Offenbarungseid

Schon richten sich die Augen auf die nächste Vertragsstaatenkonferenz 2025 im brasilianischen Belém, am Rand des derzeit austrocknenden Amazonas. Dort steht eine Generalrevision der Klimaziele und -maßnahmen auf dem Programm.

Nachdem Trump in seiner ersten Amtszeit aus dem Paris-Vertrag ausgestiegen war, hat das Kiel Institut für Weltwirtschaft errechnet, dass dies auf Dauer die globale CO₂-Reduktion um mehr als ein Drittel schmälern könnte. Ein wichtiger Faktor dabei war es, dass die globalen Klimaschutzbemühungen insgesamt an Schwung verlieren, wenn die USA als westliche Führungsmacht dabei ausfallen.

Mit rund fünf Milliarden Tonnen jährlich sind die USA der zweitgrößte Verursacher von CO₂-Emissionen weltweit nach China. Diesen enormen Beitrag zur globalen Erwärmung wollte die Regierung Biden sukzessive schrumpfen. Doch mit dem Wahlsieg Trumps sind die Chancen dafür selbst massiv geschrumpft. Der alte und neue US-Präsident Donald Trump rühmte Erdöl und Erdgas gleich in seiner Siegesrede von West Palm Beach in Florida aus als „flüssiges Gold“.

Droht durch Trump ein Domino-Effekt?

Um das unbegrenzte Bohren durchzusetzen, hat Trump angekündigt, zu Beginn seiner Präsidentschaft „für einen Tag Diktator“ zu sein und handstreichartig Beschränkungen dafür aufzuheben, fossile Brennstoffe zum Beispiel in Naturschutzgebieten zu gewinnen. Zudem will Trump das viele hundert Milliarden US-Dollar schwere Förderprogramm Bidens für grüne Technologien streichen. Und vielleicht wird er mehr tun als die Mitwirkung seines Landes am Klimavertrag von Paris aufkündigen, wie er es schon 2019 getan hatte. Die USA könnten auch aus der ganzen UN-Klimakonvention von 1992 aussteigen.

Die große Frage ist nun, ob Trumps Kurs gegen jegliche Klimapolitik auf die USA beschränkt bleibt und sich der Multilateralismus in der Umweltpolitik durchsetzt, oder ob es zu einem Dominoeffekt kommt. Die fossilen Imperien fühlen sich derzeit so stark wie lange nicht. Die globale Klimaschutz-Revolution ist mit dem UN-Gipfel von Baku nicht vorangekommen, sondern in eine Phase eingetreten, in der eine Niederlage nur mit äußerster Kraftanstrengung verhindert werden kann.

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