Von balztollen Birkhähnen und starken Schwingern

Der Film „Welcome to Zwitscherland“ zeigt die Schönheit der Schweizer Vogelwelt

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter: Markus Hofmann
4 Minuten
ein Vogel, der auf einem Felsen steht [AI]

Im Dachstock eines Schlosses zieht ein Gänsesägerweibchen seine Jungen gross. 13 Stück sind es. Doch wie werden diese flauschigen Vögelchen mit den von Daunen bedeckten Stummelflügeln dorthin kommen, wo sie eigentlich hingehören? Gänsesäger sind Entenvögel und ernähren sich von Fischen. Um aber zum nahegelegenen Gewässer zu gelangen, muss sich der Gänsesänger-Nachwuchs erst vom Schlossdach viele Meter hinab in die Tiefe stürzen.

Dem Schweizer Filmjournalisten und Biologen Marc Tschudin ist es gelungen, diesen Sprung zu dokumentieren. Die Mutter macht den Anfang und verlässt fliegend das Nest, dann folgt ein Gänsesäger-Kind nach dem anderen und plumpst aus dem Schloss. Die Kleinen breiten zwar ihre Flügelchen aus, doch fliegen können sie mit diesen noch nicht. Dank geringem Gewicht und guter Polsterung landen aber alle unbeschadet auf der Schlosswiese und folgen der Mutter zum Fluss.

Diese Szene aus dem Leben von Gänsesägern ist eine von vielen, die Marc Tschudin von der Schweizer Vogelwelt gedreht hat. Tschudin reiste drei Jahre lang mit Kamera und viel Geduld kreuz und quer durch die Schweiz, um die Vielfalt der hier lebenden Vögel abzubilden.

Entstanden ist dabei „Welcome to Zwitscherland: Wie das Land, so die Vögel“, ein von der Schweizer Vogelwarte unterstützter Dokumentarfilm mit fantastischen Bilder. Zum Beispiel von einem Bartgeier, der um eine Felskante segelt und dabei im letzten Moment lässig die Handschwinge anwinkelt, um den Stein nicht zu berühren. Oder von einem am Boden hockenden Ziegenmelker, den man wegen seiner Tarnung kaum wahrnimmt. Oder von Buchfinken, die je nach Lebensort in der Schweiz in einem anderen Dialekt singen.

Leider verknüpft Tschudin die hinreissenden Vogelszenen mit einer wenig geglückten Rahmenerzählung. Diese handelt von einer Frau, welche die Wohnung eines nahestehenden Verstorbenen räumt. Der Tote war ein Hobby-Ornithologe und muss der Frau, als diese noch ein Kind war, oft von seinen Beobachtungen berichtet haben. Zwischen den Vögeln und den Menschen der Schweiz zog er ständig Parallelen, an die sich die Frau nun erinnert.

So wird etwa die Balz der Birkhähne mit einem Schwingfest verglichen (Schwingen ist die Schweizer Form des Freistilringens), das Hämmern der Spechte mit dem Trommeln einer Trachtengruppe oder das Baden der Menschen in einer Schwimmanstalt mit dem Sandbad der Haussperlinge.

ein Mann, der eine Kamera betrachtet [AI]
Drei Jahre lang reiste der Naturfilmer Marc Tschudin durch die Schweiz, um dem Leben der Vögel nachzuspüren.

Das ist stellenweise durchaus witzig. Doch Tschudin hätte auf die Kraft seiner Bilder vertrauen können. Die biedere Geschichte eines etwas besserwisserischen Ornithologen ist nicht nötig.

Wenn Meisen im Briefkasten oder Aschenbecher brüten, wenn eine Amsel ihr Nest in einem Fahrradkorb baut, wenn ein Flussseeschwalbenpaar inmitten der Stadt Zürich balzt oder wenn ein Flussregenpfeifer am steinigen Boden vor hoch aufragenden Baukränen nervös umherhascht, wird mehr als augenfällig, wie Vogel- und Menschenwelt ineinander verwoben sind.

Es sind diese und viele weitere Bilder, die von Tschudins Dokumentarfilm bleiben, einem Film, der die Schönheit der Vögel inmitten eines so dicht besiedelten Landes wie der Schweiz feiert.

Der rund 80-minütige Dokumentarfilm „Welcome to Zwitscherland: Wie das Land, so die Vögel“ von Marc Tschudin läuft derzeit in Schweizer Kinos. Ob und wann der Film in deutsche Kinos kommt, ist noch offen.

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