Gefahr für Europas Geier durch moderne Mythen und Falschnachrichten

Geier und Menschen lebten über Jahrtausende einträchtig nebeneinander. Nun gefährden mangelnde Kenntnisse und die Verbreitung falscher Nachrichten dieses Miteinander – zulasten der Wildtiere.

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
12 Minuten
Ein Gänsegeier in Nahaufnahme im Flug

Eigentlich haben Geier kein wirkliches Image-Problem. Sie wurden schon in der Antike verehrt und in vielen ländlichen Gegenden hat sich vielerorts bis heute eine positive Haltung gegenüber diesen Riesen der Lüfte erhalten. Der Vernichtungsfeldzug im 19. Jahrhundert war damit eigentlich eine Ausnahme. Nun drohen in Frankreich und Spanien übertriebene und wissenschaftlich unhaltbare Schauergeschichten über blutrünstige Übergriffe von Geiern auf Schafe, Kühe und Pferde den Aufschwung vieler Populationen aber erneut zu gefährden. Gegen diese „Fake News“ setzen Wissenschaftler und Geierschützer auf Aufklärung.

Panorama  eines alpinen Hochgebirges
Die Hochgebirge der Alpen und Pyrenäen sind die wichtigsten Lebensräume für einige der vier europäischen Geierarten.
Panoramablick über eine Dehesa in der Extremadura
Daneben sind die weiten, von Mittelgebirgen durchzogenen Landstriche der Iberischen Halbinsel die wichtigsten Refugien für Angehörige der Geierfamilie.

Geier und Menschen – das ist seit Zehntausenden von Jahren ein enges Miteinander. Die Inkas verehrten den Kondor als Symbol für das Reich, in dem sich höhere Wesen aufhielten. In der ägyptischen Mythologie trug Ma'at, die Göttin der Wahrheit und Gerechtigkeit, Geierflügel und die gefiederten Aasfresser symbolisierten den natürlichen Zyklus von Leben und Tod.

In neuerer Zeit kommen in den stärker von der Natur entfremdeten Gesellschaften vor allem negative Assoziationen hinzu, die ihren Ausdruck etwa in Metaphern wie der vom „Pleitegeier“ oder dem gierigen „Aasgeier“ finden. Im 19. Jahrhundert wurde in ganz Europa Jagd auf Geier gemacht, weil man sie für Schädlinge hielt. Geier verschwanden damals aus den deutschen Alpen, und auch in Frankreich und Spanien wurden sie so stark dezimiert, dass sie kurz vor dem Aussterben waren. Das Image der Geier hat sich dann aber verbessert. In vielen ländlichen Regionen Europas ist das Verhältnis zwischen Menschen und Geiern wieder weitgehend intakt, beruht es doch auf gegenseitigem Vorteil. Die Geier profitieren von menschlicher Viehhaltung und revanchieren sich durch den Verzehr toter Tiere mit einem wichtigen Beitrag auch zur menschlichen Gesundheit.

Ein Bartgeier auf Augenhöhe im Flug
Die vier europäischen Geierarten: Bartgeier kehren dank umfangreicher WIedereinbürgerungsprojekte wieder in die Alpen zurück.
Ein Gänsegeier segelt vor dem Hintergrund einer Felsschlucht
Gänsegeier sind die häufigsten unter den europäischen Geiern. In Deutschland waren sie früher in einigen Mittelgebirgsregionen regelmäßige Brutvögel, nicht aber in den Alpen.
Zwei Mönchsgeier nebeneinander auf einer Wiese
Mönchsgeier sind die größten Geier in Europa. Spanien ist bei weitem das wichtigste Land für diese Art.
Ein Schmutzgeier auf einer Wiese
Der Schmutzgeier ist der kleinste und am stärksten gefährdete unter den europäischen Geiern. Als einzige Geierart ist er ein Langstreckenzieher.
Zwei Männer laden ein totes Schaf für Geier aus einem Auto in eine Plastikwanne.
Seit einigen Jahren dürfen Tierhalter in Spanien die Kadaver verendeter Tiere wieder für Geier auslegen. Eine wichtige Entwicklung, die aber auch das Risiko birgt, dass Tierarzneien wie Diclofenac in den natürlichen Kreislauf geraten.
Porträt eines Mönchsgeiers
Geier sind mit ihrem mächtigen Schnabel und dem unbefiederten Hals bestens an ihre Nahrungsvorlieben angepasst.
Mönchsgeier im schnellen Lauf
Angriffslustig, aber nur gegen Rivalen um ein totes Tier: Ein Mönchsgeier im Anmarsch auf einen Kadaver.
Zwei Mönchsgeier schnäbeln
Freundliche Riesen: Mönchsgeier sind hochsoziale Tiere.
Ein Gänsegeier streitet sich mit einem Mönchsgeier um einen Kadaver.
Nicht eben zimperlich sind Geier, wenn es darum geht, sich gegen Artgenossen oder andere Geier durchzusetzen.
Eine Gruppe Gänsegeier
Geier tauchen selten alleine am Kadaver. auf. Auch sie sind durch Blei gefährdet
Ein Wolf vor einem Heuballen
Auch die Rückkehr der Wölfe nach ihrer Ausrottung wird von einer massiven Welle des Widerstands begleitet, die oft auf falschen Informationen beruht.
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