Great Barrier Reef: So heiß war das Korallenmeer seit 400 Jahren nicht mehr

Zunehmende Hitzewellen hindern gebleichte Korallen an der Erholung. Nur schneller Klimaschutz kann das Weltnaturerbe noch retten.

vom Recherche-Kollektiv Klima & Wandel:
6 Minuten
weiße Korallen

Die Sorge um das australische Great Barrier Reef hat einen neuen Höhepunkt erreicht: Forscher:innen haben die Temperaturen des Riffs seit dem Jahr 1618 rekonstruiert. Demnach herrschten dort lange Zeit stabile Temperaturen. So warm wie im ersten Quartal 2024 war es zu keiner Zeit des untersuchten Zeitraums. „Das Great Barrier Reef ist wärmer als je zuvor, und die wiederholten Hitzewellen haben das Riff an den Rand seiner Belastbarkeit gebracht“, kommentiert Miriam Pfeiffer, Paläontologin an der Universität Kiel, die Studie, an der sie nicht beteilgt war. Die Ergebnisse seien besorgniserregend, weil sie zeigten, dass die Hitzeextreme der letzten Jahre nicht nur ungewöhnlich, sondern beispiellos sind.

Für die in dieser Woche in Nature veröffentlichte Studie haben Forscher:innen aus Australien und den USA um Benjamin Henley von der Universität Wollongong geochemische Analysen von Korallen durchgeführt. Dadurch konnten sie für einen Zeitraum die Temperaturen der Meeresoberfläche ermitteln, für den es bislang weder Aufzeichnungen noch Beobachtungsdaten gegeben hatte. Korallenskelette bilden ähnlich wie Baumringe Schichten, aus deren chemischer Struktur sich Rückschlüsse auf die Wassertemperatur in der Vergangenheit ziehen lassen. So ändert sich etwa das Verhältnis bestimmter Sauerstoffisotope in Abhängigkeit von der Temperatur des Wassers. Auch das Verhältnis von Strontium zu Kalzium im Korallenskelett wird von der Wassertemperatur beeinflusst: In wärmerem Wasser lagern die Korallen mehr Strontium ein. Ab dem Jahr 1900 liegen empirische Messdaten der Temperatur vor, anhand derer die Forscher:innen ihre Methode verifiziert haben.

2017,2020 und 2024 waren die wärmsten Riffjahre seit 1618

Die Temperaturen im Zeitraum von Januar bis März in den Jahren 2024,2017 und 2020 waren demnach die höchsten seit mindestens vier Jahrhunderten. 2024 hält dabei den Rekord mit einer Abweichung von 1,73 °C über dem vorindustriellen Durchschnitt.

Die Studie belegt, dass Häufigkeit und Intensität von Meereshitzewellen seit Beginn des 20. Jahrhunderts signifikant zugenommen haben. Vor 1900 lagen die Temperaturabweichungen im Meeresgebiet rund um das Great Barrier Reef fast durchgehend unterhalb der heutigen Werte. Den Temperaturanstieg im 20. und 21. Jahrhundert schreiben die Forscher:innen anhand ihrer Modelle eindeutig dem menschlichen Einfluss zu. Laut der Studie liegt die Erwärmungsrate seit 1960 bei 0,12 °C pro Jahrzehnt, was zu einer Häufung extremer Hitzeperioden geführt hat, die wiederum massenhafte Korallenbleiche-Ereignisse auslösten. Den Autor:innen zufolge könnte das australische Riff bald jährlich solche Korallenbleichen erleben.

Korallenbleiche selbst während La Niña

Tatsächlich berichteten Forscher:innen bereits im vergangenen Jahr, dass selbst in den sonst eher kühlen La-Niña-Jahren 2021 und 2022 die Korallen einem Hitzestress ausgesetzt waren, der zweieinhalb Mal stärker war als in früheren La-Niña-Phasen. Ursache dafür war vermutlich, dass die großräumigen Wettermuster, die wie Wellen die Erde umlaufen, sich verschoben haben und so das Riff in einer Hitzezone eingeschlossen war. Die Folge war eine weitflächige Korallenbleiche.

Zwei Taucher arbeiten an einer steinern wirkenden Struktur in einem Korallenriff
Taucher führen eine Bohrung an Korallenskeletten durch.
Blick aufs Meer, unter dem sich von links nach rechts eine Struktur zeigt
Luftaufnahme von Korallen im Korallenmeer vor Australien
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