Schwere Flieger im Aufwind

Die Großtrappen waren fast ausgerottet. Jetzt gibt es wieder mehr als 300 Vögel in Deutschland – dank intensiver Schutzmaßnahmen

vom Recherche-Kollektiv Flugbegleiter:
4 Minuten
Eine männliche Großtrappe bei der Balz

Der Großtrappenschutz in Deutschland schreibt seine Erfolgsgeschichte fort. Auch in diesem Jahr hält hierzulande dank intensiver Schutzmaßnahmen der Aufwärtstrend für die schwersten flugfähigen Vögel der Erde an. Nach der aktuellen Zählung des „Fördervereins Großtrappenschutz“ zum Ende des Winters leben mittlerweile 305 der imposanten Steppenvögel in Deutschland. Vor einem Jahr waren es 259 Trappen. In Deutschland leben die Trappen nur noch in drei Gebieten in Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Aus allen drei Vorkommen konnten die Gebietsbetreuer einen Aufwärtstrend melden.

Die meisten Großtrappen leben im Schutzgebiet Havelländisches Luch, wo ihre Zahl nach einer erfolgreichen Brutsaison auf jetzt 110 zugenommen hat. Beinahe ebenso viele Trappen, nämlich 107 Tiere, leben aktuell im Fiener Bruch im brandenburgisch-sachsen-anhaltinischen Grenzgebiet. Auch im dritten Gebiet, den Belziger Landschaftswiesen, steigerte sich der Bestand leicht auf jetzt 88 Vögel.

Eine balzende männliche Großtrappe
Ein Trappenhahn bei der Balz.

Damit hat sich die Zahl der in Deutschland wild lebenden Großtrappen seit dem Bestandstief Mitte der 1990er Jahre mehr als verfünffacht. Diese Zahl schien noch vor wenigen Jahrzehnten utopisch. Mit nur noch 57 Vögeln stand die Großtrappe in Deutschland 1997 vor dem Aussterben. Diese Erfolgsgeschichte des Artenschutzes konnte in einem so dich besiedelten und landwirtschaftlich so intensiv genutzten Land wie Deutschland nur mithilfe eines umfassenden Schutzkonzepts geschrieben werden.

Denn Großtrappen sind Vögel der Superlative: Mit bis zu 17 Kilogramm Gewicht sind sie die schwersten flugfähigen Vögel der Erde, keine andere Vogelart weist einen ähnlich stark ausgeprägten Größenunterschied zwischen den Geschlechtern auf und ihr Verbreitungsgebiet ist so groß, wie bei nur wenigen anderen Vogelarten. Aber auch, was ihre Lebensraum-Ansprüche angeht, sind Großtrappen Vögel der Superlative: Weite, offene und unzerschnittene Steppen- oder Agrarlandschaften, die zudem reich an Insekten sein müssen. So etwas ist heute Mangelware.

Eine Gruppe noch junger und gerade flügger Großtrappen auf einer Wiese, fotografiert aus der Nähe mit Weitwinkelobjektiv
Dank vielfältiger Bemühungen um ihren Schutz wieder ein gewohnter Anblick im Havelland: Großtrappen, hier diesjährige Jungvögel nach dem Flüggewerden.

Das akute Aussterberisiko für die deutschen Großtrappen scheint gebannt. Aber das die anspruchsvolle Vogelart hierzulande dauerhaft nur bei einem Umsteuern vor allem in der Landwirtschaft überleben kann, zeigt eindrucksvoll ein Blick auf die Nahrung der jungen Trappen: Ein einziges Trappenküken benötigt nach einer Woche Lebenszeit bereits 1000 Großinsekten pro Tag, wie die Pioniere des deutschen Großtrappenschutzes um Heinz Litzbarski schon in den 1980er Jahren ermittelten. Fallen die Insekten kleiner aus, können es leicht 5000 oder 6000 werden, die eine einzige Jungtrappe jeden Tag braucht. So viele Insekten finden sich nicht in intensivst genutzten modernen Agrarflächen. Die Küken verhungern dort schlicht und einfach. Es ist also kein Zufall, dass etwa im Trappengebiet Havelländisches Luch, in dem mehr als ein Drittel aller Großtrappen Deutschlands lebt, auf über 2000 Hektar ökologische Landwirtschaft stattfindet, das sind fast 40 Prozent der Trappen-Schutzfläche.

Überleben nur mit Schutzmaßnahmen

Die Bemühungen um den Erhalt der letzten Großtrappen Deutschlands reichen mehr als vier Jahrzehnte zurück. Die Kernelemente des Trappenschutzes sind im Wesentlichen seit dem ersten Schutzprogramm von 1979 gleich geblieben: Gestaltung eines insektenreichen und übersichtlichen Lebensraums, Im-Zaum-Halten von Fressfeinden wie Füchsen und Verringerung von Störungen durch Menschen. Zudem sammeln die Vogelschützer die Eier ein, die die Trappen im ungeschützten Freiland legen, ziehen die Küken künstlich auf und wildern die Jungvögel aus. Das stützt die fragile Restpopulation. Dieser Maßnahmenmix führte dazu, dass der Trappenbestand sich seit Anfang der 2000er Jahre erholt. Seit etwa 2010 geht es in allen drei Gebieten sichtbar bergauf.

eine Hand, die einen Babyvogel füttert [AI]
Noch ist die Zahl von in menschlicher Obhut aufgezogenen Trappen größer als die der wild geborenen Jungvögel. In einem der drei Einstandsgebiete ist eine Stützung der Population aber bereits nicht mehr nötig.

Insgesamt ist die Zahl der von Menschen aufgezogenen und ausgewilderten Jungvögel bislang noch größer als die der komplett wild aufgewachsenen. Aber auch in dieser Hinsicht machen die Trappenschützer Fortschritte. Bestandsstützungen durch Auswilderungen sind mittlerweile nur noch im „Fiener Bruch“ und in den „Belziger Landschaftswiesen“ nötig. Trotzdem ist das Überleben der Großtrappe in Deutschland dauerhaft nur durch ein komplexes Maßnahmenpaket möglich, zu dem auch eine enge Kooperation mit den in der Region wirtschaftenden Landwirten gehört.

Eine Gruppe junger, gerade flugfähiger Großtrappen in einem Naturschutzgebiet fliegt auf den Fotografen zu
Ein Trupp Jungtrappen bei einem ihrer ersten Ausflüge im Zuge ihrer Auswilderung.
Junge Grosstrappen laufen wie Gänseküken in Reih und Glied in einer Wiese
Ein Teil des Großtrappennachwuchses im vergangenen Jahr.
Eine weibliche Großtrappe bei einem Staubbad
Mit regelmäßigen Staubbädern schützen sich Großtrappen vor Parasiten wie Milben.
Ein wenige Tage altes Küken einer Großtrappe
Als Nestflüchter sind Großtrappen schon unmittelbar nach dem Schlüpfen mobil.
Eine sehr schwere männliche Großtrappe fliegt träge von rechts nach links
Großtrappen-Hähne sind die schwersten flugfähigen Vögel der Erde.
Wenige Wochen alte Großtrappenküken in dichtem Blumenmeer
Hoch gewachsenes Gras bietet den jungen Trappen Schutz vor Feinden wie Seeadlern oder Füchsen und zugleich reichhaltige Nahrung.
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