Klimakrise: Ob wir sie bewältigen, ist eine Haltungsfrage
Wer das Klima retten möchte, muss lernen, sich und seine Umwelt wertzuschätzen. Zwei Architekten des Pariser Klimaschutzabkommens schildern Erfahrungen und geben Tipps
Klimaschutz – bei diesem Stichwort denken die viele Menschen an technologische Lösungen, politische Entscheidungen oder auch persönliche Einschnitte. Doch der Blick darauf – und letztlich der erfolgversprechendste Ansatz – kann auch ein ganz anderer sein. Zwei Personen, die ganz wesentlich daran beteiligt waren, dass das Pariser Klimaschutzabkommen zustande gekommen ist, haben darüber ein Buch geschrieben: „Die Zukunft in unserer Hand. Wie wir die Klimakrise überleben“. Darin verdeutlichen die Autorin Christiana Figueres und der Autor Tom Rivett-Carnac: Klimaschutz ist zuallererst eine Frage der Haltung, des Umgangs mit uns selbst, unseren Mitmenschen und unserer Umwelt. Die Klimakrise zwingt uns, die Frage zu beantworten, wie wir uns ein lebenswertes Leben vorstellen. Die lebenswerte Welt, wie Figueres und Rivett-Carnac sie ausmalen – und die wohl die meisten Leserïnnen ansprechen dürfte – führt zwangsläufig zu einem stabilen Klima, ohne auch nur in die Nähe von Askese zu geraten.
Wenn auf einem blühenden Planeten alle Menschen gut leben
Schon am Anfang stellt das Buch klar, dass die Klimakrise ganz besonders eine soziale Krise ist: „Von den Unabhängigkeitsbestrebungen in Indien bis zur Bürgerrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten kam es zum Ausbruch zivilen Ungehorsams stets dann, wenn eine herrschende Ungerechtigkeit unerträglich wurde – wie wir es nun hinsichtlich des Klimawandels erleben.“ Dabei ist Klimaschutz für Figueres und Rivett-Carnac nicht durch Verzicht geprägt, sondern eine Verbesserung der Lebensqualität: „Wie wir es erreichen, dass auf einem blühenden Planeten alle Menschen überall gut leben können, wird das spannendste Kapitel in der Menschheitsgeschichte werden.“ Das nötige Wissen, die Technologie und das Kapital seien vorhanden – doch es brauche eben noch etwas anderes.
Tunnelblick der CO2-Konzentrationen und Zehntelgrade weiten
Indem die Autorin und der Autor ausführlich ausmalen, auf welche Welt wir aktuell zusteuern – und vor allem auf welche wir zusteuern könnten –, verdeutlichen sie die wahre Wahl, vor der die Menschheit steht. Sie weiten damit die Perspektive und verlassen den Tunnelblick einer oftmals abstrakten Debatte um CO2-Konzentrationen und Zehntelgrade. Beispiele einer lebenswerten Zukunft gefällig? „Die weltweite Walddecke beträgt nun 50 Prozent, und auch der Agrarsektor hat sich in Richtung einer baumbasierten Landwirtschaft weiterentwickelt. […] Niemand scheint die endlosen Agrarflächen oder Monokulturen zu vermissen.“ Oder: „Dank besserer digitaler Vernetzung arbeiten viele Menschen im Home Office, wodurch sie flexibler sind und über mehr Freizeit verfügen.“ Besonders schön: „Die meisten kleinen Kinder können kaum glauben, dass wir einmal Tiere getötet haben, um sie zu Lebensmitteln zu verarbeiten.“ Alles das hängt mit dem Klimaschutz zusammen.
Denken und Selbstverständnis grundlegend ändern
Der zentrale Teil des Buches ist der Frage gewidmet, wie wir in diese bessere Zukunft gelangen können. „Um Raum für eine Transformation zu schaffen, müssen wir unser Denken und unser Selbstverständnis grundlegend verändern“, schreiben Figueres und Rivett-Carnac und stellen drei Denkweisen in den Vordergrund: „hartnäckigen Optimismus, unerschöpflichen Reichtum und radikale Regeneration“. Im Folgenden geben die Autorin und der Autor Anleitungen, wie man zum Optimisten wird und damit nicht nur die Klimaangst überwinden kann, sondern generell glücklicher durch den Alltag geht. Sie erläutern, was Reichtum mit Ökosystemen und Kooperation zu tun hat. Und sie legen dar, wie man anstatt andere auszubeuten sich, andere und die Natur regenerieren kann: „Von intakten Ökosystemen hängt nicht nur unser unmittelbares Überleben ab. Zum großen Teil basiert auch unsere körperliche und seelische Gesundheit auf dem Kontakt mit der natürlichen Welt, die uns umgibt.“ Auch die zehn Maßnahmen, die das letzte Drittel des Buches bilden, haben mehr von einem soliden Lebensratgeber, als dass sie sich in Details verlieren.
Der Ansatz ermöglichte schon das Pariser Klimaabkommen
Der Ansatz des Buches kommt wohl nicht von ungefähr: Figueres ist die Tochter jenes ehemaligen Präsidenten von Costa Rica, der in seinem Land das Militär zugunsten des Sozial- und Bildungswesens abgeschafft hat, der die Hälfte der Landesfläche zu Naturschutzgebieten erklärte, und dem das Land es verdankt, dass es heute vollständig durch erneuerbare Energie versorgt wird. Seine Tochter leitete zunächst bei den Vereinten Nationen das Klimasekretariat in Bonn und war später Generalsekretärin der Klimarahmenkonvention. Mit Rivett-Carnac – einem Manager und einstigem buddhistischen Mönch – als Senior Advisor an ihrer Seite rettete sie durch geschickte Verhandlungen nach dem ergebnisarmen Klimagipfel in Kopenhagen in Paris die internationale Klimaschutzpolitik, was im bekannten Konsens mündete, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Die Haltung, die den beiden dabei geholfen hat, vermittelt dieses Buch. Es ist lesenswert nicht nur für all jene, die das Klima nicht aufgeben wollen, sondern für jeden Menschen, der durch einen guten Umgang mit sich selbst und anderen zu einem besseren Leben finden möchte.
Christiana Figueres und Tom Rivett-Carnac: Die Zukunft in unserer Hand – Wie wir die Klimakrise überleben; Verlag C.H.Beck, München, 2021; 216 Seiten, 22,00 Euro (gebunden)/16,99 Euro (E-Book); IBAN 978–3–406–77560–4.