Der Klimawandel wird zum Beziehungskiller für Vogelpaare

Auf einer Seychellen-Insel steigt in Jahren mit extremen Wetterbedingungen die Scheidungsrate unter Vogelpaaren. Dies hat Folgen für das Überleben einer gerade erst vom Aussterben geretteten Art.

4 Minuten
Zwei Rohrsänger auf einem Ast

Stürme reißen Nester von den Bäumen, Dürren lassen die Nahrungsquellen versiegen und Überschwemmungen zerstören ganze Lebensräume: Dass die mit dem Klimawandel einhergehenden Wetterextreme Vögel hart treffen, ist kein Geheimnis. Auf den Seychellen sind Wissenschaftler jetzt aber einer Folge der klimabedingten Wetterkapriolen für Vögel auf die Spur gekommen, die nicht bereits auf den ersten Blick erkennbar ist: Extreme bei den Niederschlägen treiben die gefiederten Lebenspartner zunehmend in die Scheidung.

Ein Team von Biologen um Frigg Speelman von der australischen Macquarie University kam dem Phänomen auf die Spur, als es Wetterdaten von der Seychellen-Insel Cousin Island und die beobachteten Trennungen von Paaren des Seychellenrohrsängers systematisch miteinander abglich – eines meisengroßen Singvogels, der auf den Seychellen endemisch ist. Auf der Basis der so gewonnenen Daten aus 16 Jahren fanden die Forscher heraus, dass die „Scheidungsraten“ der normalerweise ziemlich partnertreuen Rohrsänger sowohl in extrem trockenen als auch in ungewöhnlich nassen Jahren stark anstiegen. Das Ende der Vogelpartnerschaften konnten die Wissenschaftler feststellen, weil fast alle Rohrsänger auf der Seychellen-Insel seit Jahrzehnten als Teil eines großen Artenschutzprojekts genauestens beobachtet und mit individuellen Ringen markiert werden.

Drei Vögel zusammen
Seychellenrohrsänger mit Jungvogel.

Im El-Niño-Jahr schoss die Trennungsrate bei den Vögeln in die Höhe

Besonders stach das Jahr 1997 heraus, als, ausgelöst durch das Wetterphänomen El Niño, vor und während der Brutzeit fast doppelt so viel Regen auf Cousin Island niederprasselte wie in normalen Jahren. Diese extremen Wetterbedingungen führten zu einem Anstieg der Scheidungsrate auf mehr als 15 Prozent aller Paare – gegenüber einer durchschnittlichen Trennungsrate von 6,6 Prozent im Jahr. Spürbar mehr Trennungen unter den oft langjährigen Partnern registrierten die Wissenschaftler auch in Jahren mit anhaltenden Trockenperioden vor und während der Fortpflanzungszeit.

Schönwetter-Partnerschaften?

„Es scheint, dass die Vögel zusammenhalten, wenn das Wetter gut ist, sich aber trennen, wenn es schlecht wird“, fasst Hauptautorin Speelman ihre im Journal of Animal Ecology erschienene Studie zusammen. Lebenslange Ehen sind bei Vögeln Normalität, Trennungen auch. Wie viele Vogelarten gehen auch Seychellenrohrsänger dauerhafte monogame Beziehungen ein, die nicht selten lebenslang andauern. Aber auch „Scheidungen“ sind keine Seltenheit im Vogelreich – bei manchen Arten trennen sich mehr als 80 Prozent aller Paare lange vor dem Tod eines der Partner. Weil in der Natur die gelungene Fortpflanzung das Maß aller Dinge ist, werden Trennungen bei Tieren oft vor dem Hintergrund der Reproduktion erklärt: Klappt es mit einem Partner nicht, erfolgreich Nachwuchs großzuziehen, könnte die Trennung den Weg für die Suche nach einem erfolgreicheren Lebensgefährten freimachen.

klassisch schöner Strand mit azurblauem Meer, Palmen und weißem Sand
Die Seychellen haben mehr zu bieten als Traumstrände. Auf einigen Inseln wird vorbildlicher Naturschutz praktiziert.

Bei Extremwetter wackeln die Partnerschaften – aber warum?

Studien und Beobachtungen zeigen aber auch, dass Paare oft auch dann zusammenbleiben, wenn sie wenig oder gar nicht erfolgreich reproduzieren. Auch im Fall der Seychellenrohrsänger fanden die Forscher keinen belegbaren Zusammenhang zwischen Bruterfolg und Trennungsrate. Das Scheitern als Eltern führte nicht häufiger dazu, dass sich Paare trennten, und andersherum verließen Partner einander auch dann, wenn sie zuvor erfolgreich Nachwuchs in die Welt gesetzt hatten.

Trockenheit und Überschwemmungen bedeuten Stress für Vögel

Die Wissenschaftler bewerten das als Hinweis darauf, dass es noch unentdeckte Gründe dafür gibt, dass die Stabilität der Partnerschaften bei Extremwetter wackelt. Als eine mögliche Ursache betrachten sie großen Stress oder eine angeschlagene Gesundheit eines der Partner als Folge der Wetterextreme. „Dürre vor der Brutzeit kann das Nahrungsangebot verringern und sich auch auf die Gesundheit der Vögel auswirken“, schreiben Speelman und ihre Kollegen. „Bei extremen Regenfällen wiederum ist es für viele Vogelarten eine große Herausforderung, ihre Körpertemperatur aufrecht zu erhalten – das kann ihren Stresspegel erhöhen und die Instabilität ihrer Partnerschaften verstärken.“

Der Einfluss des Wetters auf die Stabilität von Paarbeziehungen in der Tierwelt ist möglicherweise weiter verbreitet als nur bei Seychellenrohrsängern, vermuten die Forscherinnen und Forscher.

Gerade vor dem Aussterben gerettet, bereits wieder bedroht?

Denn dass sie Wetterextremen als Beziehungskiller überhaupt auf die Spur kommen konnten, verdanken sie der Tatsache, dass die gesamte Population des Seychellenrohrsängers auf Cousin Island seit mehr als einem Vierteljahrhundert äußerst gründlich überwacht wird. Mit dem unscheinbar braun-oliv gefärbten Singvogel verbindet sich nämlich eine der größten Erfolgsgeschichten des Artenschutzes in Afrika.

Als die Zahl der Vögel durch die Zerstörung ihres Lebensraums in den 1960er Jahren auf nur noch zwei Dutzend Tiere zusammenschrumpfte, entschied die Regierung der Seychellen, ganz Cousin Island einschließlich der umliegenden Meeresfläche komplett unter Schutz zu stellen, um die Vogelart vor dem Aussterben zu bewahren. In den Folgejahren drängte man auf der Insel Kokosnuss- und Zimtplantagen zurück, um Platz für den ursprünglichen Wald zu schaffen. Der Rohrsängerbestand erholte sich in wenigen Jahren so gut, dass mit Hilfe des Nachwuchses von Cousin Island Wiederansiedlungsprojekte auch auf anderen Inseln der Seychellen beginnen konnten.

„Herzzereißende Folge des Klimawandels“

Heute gibt es wieder rund 3000 der Rohrsänger. Erst vor wenigen Jahren konnte die Art von der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Vögel gestrichen werden. Speelman sieht in der Bedrohung der Rohrsänger durch Extremwetter eine „herzzerreißende Folge des Klimawandels“. Sie befürchtet, dass der Klimawandel das Liebesleben vieler Tierarten stören und damit schwerwiegende Folgen für deren Fortpflanzungsfähigkeit und Überleben haben wird.

Sie haben Feedback? Schreiben Sie uns an info@riffreporter.de!
VGWort Pixel