Lachmöwe - Der „Seevogel des Jahres“ braucht Hilfe
Der Naturschutzverband Verein Jordsand kürt die Lachmöwe zum Seevogel des Jahres. Damit wollen die Vogelschützer helfen, eine noch häufige, aber stark abnehmende Art besser zu schützen.
Den Seevogel des Jahres 2025 kennt jeder. Kein Aufenthalt an der Küste oder auf einer Insel ohne Scharen voller Lachmöwen, die mühelos im stärksten Wind seelenruhig am Wassersaum gleiten oder sich kreischend um Nahrung streiten, die Strandspaziergänger ihnen hinwerfen. Doch so unbeschwert, wie es scheint, ist das Leben der Lachmöwen nicht. Aus diesem Grund hat der Vogelschutzverband Verein Jordsand die Art auch zum „Seevogel des Jahres 2025“ gekürt. Die Naturschützer wollen mit dieser Wahl auf den schleichenden und unbemerkten Rückgang einer Möwenart aufmerksam machen, die sowohl an den Küsten als auch in Städten – vor allem im Winter – zum vertrauten Bild gehört.
„Wir benennen mit der Lachmöwe eine Vogelart, die scheinbar noch häufig bei uns zu beobachten ist“, sagt Steffen Gruber, Geschäftsführer des Vereins Jordsand. „Die Bestandszahlen sind aber überregional stark rückläufig, und ihre Brutgebiete sind gefährdet, sodass wir frühzeitig mehr Schutzmaßnahmen für diese wunderschöne Möwenart durchführen müssen.“ Solche Maßnahmen sollten nach seiner Meinung vor allem darin bestehen, die noch verbliebenen Lebensräume zu bewahren und – wo nötig – in einen besseren ökologischen Zustand zu versetzen.
Population im Sinkflug
Die Zahl der Lachmöwen nimmt überall in Europa stark ab. In Deutschland ergaben Zählungen einen Bestandsrückgang um 25 Prozent innerhalb weniger Jahrzehnte. In einigen Regionen ist die Lage noch dramatischer. So musste die Art im gewässerreichen Nordrhein-Westfalen inzwischen sogar in die zweithöchste Stufe der Roten Liste als „stark gefährdet“ eingestuft werden. Dass vielerorts in Deutschland vor allem im Winter Lachmöwen noch ein sehr häufiger Anblick sind, liegt daran, dass Deutschland ein wichtiges Überwinterungsland für Lachmöwen aus nördlicheren und östlicheren Gefilden ist. Mehr als 600.000 Lachmöwen verbringen hierzulande den Winter.
Opfer der Zerstörung von Feuchtgebieten
Früher brüteten Lachmöwen in Mitteleuropa früher überwiegend in Feuchtgebieten des Binnenlandes. Hier bauten sie ihre Bodennester gerne in Verlandungszonen größerer Seen und die Auen von Flüssen. Auch Moore und dauerhaft überflutete Wiesen boten geeignete Lebensräume. Mit deren zunehmender Zerstörung durch Entwässerung und den Klimawandel verloren die Lachmöwen ihren Lebensraum und wanderten zunehmend in die Küstenregionen ab, wo sie bis heute ihre Hochburgen haben.
In einigen Bundesländern sogar stark vom Aussterben bedroht
Ein typisches Beispiel für das schleichende Verschwinden der Lachmöwe ist das gewässerreiche Nordrhein-Westfalen. Dort brach die Brutpopulation in den vergangenen Jahrzehnten um mehr als 80 Prozent ein. In der aktuellen Roten Liste wurde die Art von zuvor nicht bedroht gleich auf die zweithöchste Stufe als stark gefährdet eingeordnet.
Ein „Seevogel“ als Opfer der Intensivlandwirtschaft
Der „Seevogel des Jahres“, ein Opfer der Intensivlandwirtschaft? Was auf den ersten Blick nicht recht zu passen scheint, bestätigt sich bei näherer Analyse. Denn Lachmöwen suchen zur Zeit der Jungenaufzucht vor allem auf Wiesen und Äckern nach Nahrung. Dort haben sie es vor allem auf Regenwürmer abgesehen, die mehr als die Hälfte der Nahrung der Jungvögel ausmachen. Wie andere Organismen leiden aber auch Regenwürmer unter der intensiven Düngung und Behandlung der Böden mit Pestiziden. Nach wissenschaftlichen Analysen ist deshalb Nahrungsmangel für den Nachwuchs das größte Problem für die reinweiß gefärbten Möwen, die im Sommer eine kakaobraune Gesichtsmaske tragen.
Die Küste als Zufluchtsort
Auch die letzte Hochburg wackelt Auch an den Küsten nimmt die Zahl der Lachmöwen inzwischen ab. Die Bestände haben seit den 1990er Jahren in Deutschland ebenso wie in den Niederlanden, Dänemark, Schweden, Finnland und Lettland sehr starke Einbrüche verzeichnet. In ihrem wichtigsten Lebensraum, dem Wattenmeer, ist die Lachmöwe zwar nach wie vor einer der häufigsten Vögel. Mehr als 100.000 Paare brüten noch entlang der Küste der drei Wattenmeer-Länder Dänemark, Deutschland und Niederlande. Allerdings deuten Kontrollen während der Brutzeit im niederländischen Wattenmeer darauf hin, dass nicht ausreichend Jungvögel flügge werden, um den Bestand langfristig zu sichern.
Zugewanderte Feinde und der Klimawandel – viele Herausforderungen für einen Vogel
Die Ursachen dafür sind – neben den Problemen mit der Intensivlandwirtschaft jenseits der Deiche – vielfältig. So zählten Lachmöwen neben Seeschwalben zu den am stärksten vom verheerenden Dauerausbruch der Vogelgrippe in den vergangenen Jahren betroffenen Vogelarten. Auch eingeschleppte Fressfeinde wie Waschbär, Wanderratte, Marderhund und Mink erschweren den Vögeln überall in Deutschland das Überleben, indem sie die Gelege oder Jungvögel der auf dem Boden brütenden Möwen fressen. Nicht zuletzt setzt auch der Klimawandel den Möwen zu. Sommerhochwasser entlang der Küste überfluten immer häufiger Kolonien mit Nestern und zerstören so den gesamten Nachwuchs mit einem Mal. Im Binnenland trocknen immer mehr Feuchtwiesen aus. Der Vorliebe für diese nassen Binnenland-Lebensräume verdankt der Vogel übrigens seinen Namen: Lache ist dort ein gebräuchlicher Ausdruck für flach überschwemmte Wiesen.